Seidenspinnerei

Seidenspinnerei

Seidenspinnerei. Für die Seidenspinnerei [1] selbst kommen vier Rohstoffe in Betracht, welche verschiedene Spinnverfahren bedingen: 1. Rohseide oder Grezseide (grège, grèze, soie non ouvrée, raw silk), durch Abhaspeln der Kokons erhalten; 2. Florettseide (fleuret, filoselle, floret silk, flirt, flurt), alle bei der Gewinnung der Rohseide und Verarbeitung zu Garnen entstehenden Abgänge an Seide; 3. Stumba, Bourrette (bourre de soie, bourette, waste silk, silk waste), die bei dem Kämmen der Florettseide übrigbleibenden Kämmlinge; 4. Seidenshoddy, gewonnen durch Zerfasern von Seidenlumpen. – Die Florettseiden- und Bourettespinnerei, die Seidenshoddyspinnerei bilden hiernach Abfallindustrien, von denen gegenwärtig besonders die erste große Bedeutung erlangt hat. Die Bourrettespinnerei ist noch in der Entwicklung begriffen; die Seidenshoddyspinnerei hat sich nicht auszubreiten vermocht. – Florett- und Bourrettegarne sind »Gespinste« im strengen Sinne des Wortes, denn es entsteht jeder Faden aus vielen einzelnen kurzen Fasern durch Zusammendrehen. Der Rohseidenfaden ist kein Gespinst; er besteht aus einer Anzahl langer, gleichgerichtet nebeneinander liegender Kokonfäden. Durch Zusammendrehen (Zwirnen) mehrerer Rohseidenfaden entstehen Seidenzwirne, welche man schlechthin als Garne bezeichnet. Trotzdem hiernach bei Herstellung der Garne aus Rohseide ein Spinnen nicht auftritt, belegt der Sprachgebrauch auch diesen Zweig mit dem Namen Seidenspinnerei.

A. Verarbeitung der Rohseide.

Die Gewinnung der Rohseide erfolgt durch Abhaspeln der entsprechend erweichten Kokons in den sogenannten Seidenspinnereien (Filanda) auf dem Seidenhaspel, wobei die Fäden von mehreren Kokons gleichzeitig vereinigt werden. Das Anlegen der einzelnen Fäden geschieht entweder durch Hand oder durch selbsttätige Anlegevorrichtungen [2], das Runden der zusammengelegten Fäden durch schraubenförmiges gegenseitiges Umfassen an Kreuzungsstellen. Die verschiedenen Methoden der Kreuzungen vgl. [3]. In dem rohen Zustande, wie sie nach dem Haspeln hervorgeht, findet die Seide nur beschränkte Anwendung für Phantasieartikel und einzelne Posamenten. Für die meinen Verwendungsarten, sowohl für die Weberei wie für die Wirkerei, Näherei, Stickerei u.s.w. muß die Rohseide weiterer Behandlung unterworfen werden, um sie zu reinigen und um den verhältnismäßig dünnen Faden umfangreicher zu gestalten und ihn webefähig u.s.w. zu machen.

Ueber die bei dem Zwirnen, Filieren oder Moulinieren der Seide verwendeten Maschinen vgl. Zwirn. Das Moulinieren der Seide [4] zerfällt in die Einzelarbeiten: Spulen und Putzen, Drehen der einzelnen Fäden, Doublieren (Doppeln, Duplieren), Zwirnen, worauf nötigenfalls noch Haspeln folgt. Die aus den Seidenfilatorien gezwirnt hervorgehende Seide wird, im Gegensatz zur rohen, filierte oder moulinierte Seide (soie moulinée, soie ouvrée, thrown silk) genannt. Nach der Verschiedenheit in der Zusammensetzung und Drehung der Fäden sind hauptsächlich folgende Gattungen zu unterscheiden (vgl. Zwirn und [5]): Organsinseide, Organsin, Orsoyseide, Kettenseide; Trama oder Einschlagseide; Maraboutseide, Pelo- oder Pelseide; Cusier- oder Nähseide; Kordonnet oder kordonnierte Seide; Stickseide.

Organsinseide ist eine als Kettseide dienende Rohseide, die aus zwei bis drei in einem Arbeitsgange vereinigten, zuvor aber einzeln für sich gedrehten Grezefäden besteht. – Tramseide (Trama) ist eine als Einschlagseide oder zur Herstellung von Schnüren u. dergl. dienende Rohseide, welche entweder nur aus einem mäßig gedrehten oder aus zwei bis drei nicht gedrehten, schwach zusammengezwirnten Rohseidefäden besteht. – Torsion ist eine Mittelgattung zwischen Organsin und Trama, welche dadurch entsteht, daß man zwei Rohseidefäden ohne vorherige Drehung stark zusammenzwirnt. – Filoselle ist eine aus Florettseide, Filofloß eine aus Rohseide hergestellte gefärbte Stickseide.

Die Feinheit der Rohseide sowohl als der filierten Seide wird dadurch ausgedrückt und verglichen, daß man das Gewicht einer bestimmten Fadenlänge angibt. Dieser Ausdruck heißt[42] in Frankreich titre, weshalb man die Bestimmung der Feinheit der Seide deren Titrierung zu nennen pflegt. Die neue Feinheitsnummer des Rohseidengespinstes gibt das Gewicht des 10 km langen Fadens in Grammen an; für die Gespinste aus Seidenabfall ist dagegen (als aus kurzen Fasern bestehend) die für die Garne aus andern Spinnstoffen übliche Numerierung nach dem metrischen System (Anzahl der Kilometer auf 1 kg) eingeführt. Handelt es sich um Titrierung großer Masten, so bedient man sich der Titriermaschinen [6]. Die Probe- oder Kontrollhaspel heißen wohl auch Granthaspel.

Die Seide ist ein in hohem Grade hygroskopischer Körper; man hat daher schon lange das Verfahren eingeführt, die Seide zu konditionieren, d.h. sie in eignen, unter öffentlicher Aufsicht stehenden Anstalten durch einen bestimmten Wärmegrad (110°) auszutrocknen und so dem Käufer zuzuwägen (vgl. Bd. 5, S. 595); das gesetzmäßige Handelsgewicht erhält man nach Hinzuschlagen von 11% zum Gewichte der ausgetrockneten Seide (Feuchtigkeitsgehalt der konditionierten Seide also 10%). Nach dem Konditionieren folgt das Entschälen (Degummieren) oder Kochen (mittels Seifenlösung) und schließlich Färben der Seide bezw. Bleichen [7], Mit dem Färben ist vielfach eine Beschwerung oder Erschwerung verbunden. Die gefärbten, gespülten und ausgewundenen Seidensträhne werden auf Seidenstreckmaschinen weiter appretiert.

B. Verarbeitung der Seidenabfälle [8].

1. Florettseide (fleuret, filoselle, floret silk, floss silk, flurt, flirt, ferret); alle diese Namen bezeichnen die Seide, welche aus den Seidenabfällen bereitet wird und nicht gleich der gehaspelten Seide aus ununterbrochenen langen Fäden, sondern aus mehr oder weniger kurzen, durch ein wirkliches Spinnen in Fadengestalt vereinigten Fasern besteht. Jene Abfälle sind von viererlei Art:

a) Das grobe und lockere Gewebe, mit welchem die Raupen beim Einspinnen ihre Arbeit beginnen, indem sie dasselbe an den aufgestellten Reisern befestigen. Ein Teil dieses Stoffes (Flockseide, frisons, flock silk, knubs) bleibt beim Sammeln der Kokons an den Reisern hängen, ein andrer wird nachträglich von den Kokons abgenommen und ein dritter wird gesammelt, während die Kokons beim Abhaspeln in den Wasserbecken verweilen, desgleichen schon vorher, wenn man sie in heißem Wasser schlägt, um die Anfänge der Fäden zu finden. Dieser letztere Teil ist der feinste, beste und oft von ziemlich bedeutender Länge, auch wenig verwirrt.

b) Strusa, die nach dem Abspinnen der Kokons zurückbleibenden pergamentähnlichen inneren Häutchen derselben (husks).

c) Strazza (estrasse), Abfall beim Zwirnen oder Moulinieren der Rohseide. Die unter a) bis c) erwähnten Abfälle bezeichnet man mit dem gemeinsamen Namen Strusi.

d) Die durchgebissenen oder sonst beschädigten Kokons (Galetta), welchen man außer den Doppelkokons auch diejenigen zugesellt, deren Gewebe fehlerhaft, verwirrt und daher nicht zum Abhaspeln geeignet ist. Durchgebissene aber sonst reine Kokons geben die schönste Florettseide.

Die bei der Herstellung der Florettgarne vorzunehmenden Arbeiten sind:


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Das Fäulen (Maceration, chapage) zerstört den Seidenleim (Desintegrieren, Entbasten). Von dem früher für diesen Zweck üblichen Kochen (mit Kali- oder Natronlaugen) ist man jetzt vielfach abgegangen, weil dadurch leicht die Faser verdorben wird. Das Fäulen erfolgt in größeren Gruben oder in schmiedeeisernen Kesseln, in deren Innerem hölzerne Lattenkästen zur Aufnahme des Materials angebracht sind. – Die genügend gefäulte Florettseide gelangt, noch 45–50° warm, in die Warmwasserwaschmaschinen, in denen sie auf dem siebartig durchlöcherten Boden eines sich drehenden Gefäßes unter Zu- und Abfluß von ganz schwachem, warmem Seifenwasser der mechanischen Einwirkung hölzerner Stampfen längere Zeit ausgesetzt ist. Hierauf folgt unmittelbar ein gründliches Waschen in der Kaltwasserwaschmaschine mit reinem, kaltem, weichem Wasser unter Zuhilfenahme von Stampfen. Die gewaschene Seide läßt man auf hölzernen Hürden abtropfen, taucht sie in eine verdünnte Lösung von Marseillerseife, schleudert sie mittels Schleudermaschine aus und trocknet sie. Die für die Weiterbearbeitung erforderliche Geschmeidigkeit erlangt das getrocknete Spinngut dann durch Einsprengen mit Seifenwasser und Durchziehenlassen. Hierauf folgt das Oeffnen der Strusi auf dem Oeffner (Fillingmaschine, ouvreuse, filling). Die Trommelzähne dieser Maschine kämmen die von den Nadeln der Zufuhrtücher noch festgehaltenen Faserbärte aus und nehmen die freigelassenen auf. Ist die Trommel mit der bestimmten Menge gefüllt, rückt man die Zuführung und die Arbeitswalze ab und reißt das Vlies vor jeder Nadelreihe durch, wodurch man 12–16 schmale (0,23–0,175 m breite) Vliesstücke (Bärte) gewinnt, welche mit hölzernen Zangen (Bücher oder Kluppen) abgenommen und in die nachfolgende Kämmaschine übertragen werden.

[43] Eine abweichende Behandlung erfahren, wie oben angegeben, die Kokons. Diese werden nicht gefault, sondern nur in der Warmwasserwaschmaschine unter Anwendung stärkerer Seifenlösung gewaschen. Dann folgen Ausspülen in der Kaltwasserwaschmaschine, Abtropfen, Trocknen und Einsprengen. Die so vorbereiteten Kokons gelangen jedoch noch nicht auf die Fillingmaschine, sondern werden vorher erst von Hand oder in der Dreschmaschine geklopft und dann in einer besonderen Maschine, dem Kokonöffner, geöffnet.

Die Dresch- oder Klopfmaschine besteht aus einem runden, sich drehenden Siebtische zur Aufnahme der Kokons und aus einem sich schnell bewegenden endlosen Riemen mit an einem Ende aufgenagelten Lederstreifen, welche auf die Kokons schlagen. Durch die Schläge wird die Seide aufgelockert; die noch vorhandenen Schalenteile der Puppen fallen durch den Rost. Der Kokonöffner (nappeuse, opener) ist eine einfache, mit starken Zähnen besetzte Kratzentrommel, der die abgewogene Seidenmenge durch ein Zuführtuch mit geriffelten Walzen vorgelegt wird, und die dieselbe im Verein mit einer Arbeitswalze so lange bearbeitet, bis die ganze Vorlage in den Beschlag übergegangen ist. Die so gebildete Kokonwatte wird dann quer durchgerissen und durch Zurückdrehen der Trommel im Zusammenhange abgenommen. Die Kokonwatte wird in der Regel nicht für sich allein in der Fillingmaschine weiter aufgelöst, sondern der Strusi beigemischt.

Kämmen der Florettseide (Dressieren). – Zur Erzeugung eines gleichmäßigen glatten Gespinstes ist die Florettseide nur geeignet, wenn sie, wie die Kammwolle, durch Ausscheidung der kurzen Fasern so vorbereitet wird, daß sie aus möglichst gleichlangen Fasern besteht. Zu diesem Zwecke hechelt oder kämmt man die gewonnenen Bärte auf einer Kämmmaschine (peigneuse, dressing machine), vgl. Kammgarnspinnerei und [9]. Der gewonnene erste Zug ist der längste (im Mittel 150 mm Faserlänge). Der ausgeschiedene Kämmling wird wieder auf Kämmaschinen gekämmt, wodurch man einen zweiten Zug erhält (Fasern etwa 100 mm lang). Durch Wiederholung desselben Vorganges entsteht ein dritter und vierter Zug mit Fasern von etwa 70 und 50 mm Länge, und endlich als Stumpen- oder Seidenwerg (Bourrette, Stumba, noils) der letzte Abfall. Für solche Gespinste, welche den höchsten Grad von Gleichförmigkeit erhalten sollen, wird mit den Zügen eine weitere Sichtung auf besonderen Maschinen vorgenommen (Seidensortiermaschinen), welche zwei bis vier Bänder von nahezu gleicher Faserlänge liefern.

In der Vorbereitung (Präparation), welche alle weiteren Arbeiten bis einschließlich Vorspinnen umfaßt, ist die Reihenfolge der Maschinen im wesentlichen dieselbe wie bei der Flachsspinnerei (s.d.). Auf der ersten Maschine der Vorbereitung, der Anlege (spreader), findet ein Mischen der gleichen Züge der verschiedenen Sorten statt, während jede Sorte für sich gefault, gewaschen und gekämmt wurde. Gewöhnlich sind drei Maschinensätze zur Verarbeitung der langen, mittellangen und kurzen Fasern (long, intermediate, short) in Anwendung. Es werden verarbeitet auf


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Die in der Kämmerei hergestellten, 30–40 cm langen Vliese (Bleche) werden der Anlege vorgelegt und daraus Watten von 6–7,5 m Länge und 20 cm Breite gebildet. – Auf die Anlege folgt die Wattenmaschine (étireuse, set-frame), welche die Watten weiter verzieht und in schmale Bänder verwandelt. Die Wattenmaschine ist eine Nadelstabstrecke (Gillstrecke) mit einem Trichter hinter den Streckwalzen zur Bandverdichtung und einem Abzugswalzenpaare. Die auf den Wattenmaschinen erzeugten Bänder werden dann durch wiederholtes (drei- bis viermaliges) Doppeln und Strecken auf Nadelstab- oder Igelstrecken (Hérissonstrecke) mit immer seiner werdenden Nadeln auf die nötige Gleichmäßigkeit gebracht, um endlich auf den Spindelbänken in Vorgarn verwandelt zu werden. Die Strecken für langfaserige Sorten besitzen ein einfaches Hechelfeld, die für kurzfaserige erhalten Doppelhechelfeld oder Nadelwalze. Der Verzug wird auf den Strecken je nach Dopplung und Güte des Spinngutes zu 7–15 genommen, die Doppelung ungefähr ebenso stark.

Das Vorspinnen erfolgt auf Spindelbänken (Flyern), welche in der Anordnung den in der Flachsspinnerei üblichen gleichen. Die Bänder werden auf ihnen weiter (7–14 fach) verzogen und erhalten schwache Drehung. Der Draht wird nach einer Gleichung von der Form α √ N bestimmt. Ist N die metrische Nummer (s. oben), so wird die Wertziffer α, wenn sich die Drehungen auf 1 m Länge beziehen, genommen für die Güteklassen A, B, C, D zu 16, 20, 26, 32.

Feinspinnen. Das Feinspinnen geschieht meist auf Waterspinnmaschinen, sowohl auf Flügel- als auf Ringspinnmaschinen (anneaux); nur sehr locker gedrehte Florettgarne spinnt man auch auf Mulemaschinen. Der Verzug wird zu 30–15 genommen; die Drahtwertziffer für die oben angeführten Güteklassen zu 55, 60, 75, 85. Spinnpläne finden sich in den Quellen unter [1].

Zwirnen der Florettgarne. Weitaus der größte Teil der Florettgarne wird gezwirnt, wobei bessere Garne vor dem Zwirnen meist gedoppelt, dupliert werden. Das Zwirnen geschieht sowohl auf Flügel- als auch auf Ringspindeln.

Putzen der Zwirne. Die Knötchen und Noppen werden entweder in gehaspelten Strähnen mit der Hand (Noppen) oder auf Putzmaschinen durch Reiben des Fadens entfernt (Racleuse) [10]. Die seinen, aus dem Fadenkörper hervorragenden Faserenden werden[44] schließlich von Gasflammen abgesengt (Gasiermaschinen [9]). – Manche Seidengarne erhalten wohl gewünschtenfalls noch eine besondere Zurichtung durch Tränken mit Gummiwasser, Stärke u.s.w., wodurch sie an Glanz und Glätte dem Faden aus gehaspelter Seide ähnlicher werden.

Haspeln und Numerieren. Der Haspel hat einen Umfang von 1,25 m. 400 Faden liefern einen Schneller (Strähn, écheveau) von 500 m Länge.; 1 Schneller = 4 Gebind (échevette). Die Nummer gibt an, wieviel Schneller auf 0,5 kg oder wieviel Kilometer Faden auf 1 kg gehen. England haspelt die Florettseide wie die Baumwolle.

Die Florettseidengespinste (Seidengarn, gesponnene Seide, soie filée, spun silk, silk yarn) kommen unter mancherlei Benennungen in den Handel, als: Crescentin, Schappe, Chappe (chape), Galettam, Gallet, Fiorettino, Sambatella, Fantaisie u.s.w., und zwar je nach dem Zuge, aus dem sie erzeugt worden sind, in verschiedenen Gütesorten. Die besseren Sorten der Gespinste werden als Einschlag bei verschiedenen Seidenstoffen, als Kette bei mancherlei Halbseidenzeugen, zu Hutvelpel, groben Bändern und Schnüren und als Stickseide, die geringeren zum Stricken und zur Strumpfwirkerei gebraucht. Selbst die schönsten erreichen an Feinheit, Glätte, Glanz und Fertigkeit nicht die gute, gehaspelte und filierte Seide. Für die Erzeugung gewisser Waren wird Florettseide in Vermengung mit Baumwolle oder Wolle versponnen.,

2. Stumba oder Bourrette. Der Rohstoff für die Bourettespinnerei ist der bei dem Kämmen der Florettseide entgehende Abgang (25–30%) an Kämmling (bourre de soie, stumba, noils); bei der Verarbeitung wird in der Hauptsache derselbe Gang eingeschlagen wie in der Kammgarnspinnerei (s.d.). Auf das Mischen, Auflockern und Entstauben der Stumba in einem Oeffner folgt die Bildung eines Vlieses auf einer Vliesmaschine (nappeuse), welche dem Kokonöffner der Florettspinnerei gleicht. Die Vliese wandern nach einer mit Vorreißwalzen ausgerüsteten Walzenkrempel, welche Bänder liefert, die zwei- bis dreimal gestreckt und gedoppelt werden, um vor dem Kämmen jede noch etwa vorhandene Ungleichmäßigkeit zu beseitigen und die Fasern möglichst gleichlaufend zu legen. Diese Strecken sind Igelstrecken. Die als Vorlage für die Kämmaschinen nötige Watte wird aus acht bis zehn Streckbändern auf einer besonderen Wickelmaschine gebildet. Als Kämmaschinen finden hauptsächlich Heilmannsche und Listersche Verwendung (vgl. Kammgarnspinnerei). Zehn bis zwölf Zugbänder gelangen auf eine Anlege und werden zu einem Vliese von bestimmtem Gewichte vereinigt, welches auf einer Wattenmaschine in ein Band verwandelt wird. Das nun folgende Strecken erfordert einen Satz von fünf bis sechs Maschinen. Die ersten Strecken besitzen zwei bis drei, die dritte und vierte bezw. fünfte nur eine Nadelwalze zur Unterstützung der Bänder im Streckwerke. Die letzte Strecke ist eine Würgel- oder Frottierstrecke (bobinoir) und verwandelt das Band in eine Lunte ohne Draht, welche auf Spulen gewunden wird. Je zwei dieser Spulen legt man zur weiteren Verfeinerung jeder Spindel einer Spindelbank vor.

Das Feinspinnen erfolgt auf Waterspinnmaschinen; auch die Zwirnmaschinen zeigen die gewöhnliche Bauart. Die Abgänge der Bourrettespinnerei werden wieder weiter verwendet. Die Kämmlinge verarbeitet man zu Watte; der Krempelabfall und der Abfall beim Putzen dienen als Packungsgut oder als schlechte Wärmeleiter zur Umhüllung von Dampfleitungen. Die besseren Abfälle werden wohl auch wieder zum Spinnen anderweitiger Seidenabfallgarne (ebenfalls Bourrette genannt) benutzt, welche sich durch knispeliges und knotiges Aussehen kennzeichnen. Das Krempeln und Spinnen geschieht wie bei Streichgarnen (s. Streichgarnspinnerei). Man verwendet die Garne gefärbt zu Schuß in Damenkleiderstoffen und zu Phantasiewaren, desgleichen roh zum Weben der Kartuschwaren und der Putztücher.

3. Seidenshoddy [11]. Verwandt mit der Abfallseide ist dasjenige kurzfaserige Spinngut, welches unter dem Namen Shoddy (Seidenshoddy) durch Zerfasern der Ueberreste und Abschnitzel von Seidengeweben bereitet wird wie wollenes Shoddy. Größere Ausdehnung hat die Herstellung von Seidenshoddy bislang nicht erfahren, weil die Menge der Seidenlumpen verhältnismäßig gering ist und die Auflösung der Gewebestücke sich wegen der großen Fertigkeit der Fasern nur schwer in nutzbringender Weise durchführen läßt.

Ueber die künstlichen Seiden vgl. Kunstseide und [12].


Literatur: [1] Ausführlichstes deutsches Werk über Seidenspinnerei ist: Silbermann, H., Die Seide, ihre Geschichte, Gewinnung und Verarbeitung, Dresden 1897, 2 Bde., Provasi, Filatura e Torcitura della Seta, Milano 1905; kürzere Artikel vgl. Spennrath, Materiallehre, Aachen 1899; Pfyffer, Kalender für die Textilindustrie 1895, S. 102; Müller, E., Handbuch der Spinnerei, Leipzig 1892. – [2] Silbermann, a.a.O., I., S. 370 ff. – [3] Ebend., I, S. 364, 374. – [4] Leipziger Monatsschrift für Textilindustrie 1896, S. 169. – [5] Müller, E., a.a.O., S. 444 ff. – [6] Dingl. Polyt. Journ. 1873, Bd. 209, S. 247; 1897, Bd. 305, S. 13; Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ingen. 1897, S. 715. – [7] Dumont, Die Seide und ihre Veredelung, Wittenberg 1905. – [8] Pfyffer, E., Ueber die Fabrikation der Florettseide, Prakt. Maschinenkonstr. 1880, S. 68; 1881, S. 117; Silbermann, a.a.O., II, S. 1–112. – [9] Lohren, Die Hechel- und Dressingmaschinen, Stuttgart 1896. – [10] Silbermann, a.a.O., II, S. 78 ff.; Dingl. Polyt. Journ. 1897, Bd. 306, S. 206. – [11] Ebend. 1885, Bd. 257, S. 185. – [12] Silbermann, a.a.O., II, S. 115–160: Süvern, Die künstliche Seide, 2. Aufl., Berlin 1907.

E. Müller-Dresden.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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