Kinematik

Kinematik

Kinematik, die Wissenschaft von der durch geometrische Bedingungen bestimmten Bewegung geometrischer Gebilde, welche die räumlichen Systeme, d.h. die Gesamtheit der Punkte, Geraden, Kurven und Flächen im unendlichen Raum sowie die ebenen Systeme, d.h. die Gesamtheit der Punkte, Geraden, und Kurven in unendlicher Ebene, und ferner die geometrischen Körper nebst ebenen Figuren umfassen.

Diese geometrischen Gebilde können während ihrer Bewegung als starr oder auch als gesetzmäßig veränderlich betrachtet werden. Die gesetzmäßige Veränderung eines geometrischen Gebildes wird durch eine eindeutige geometrische Verwandtschaft bestimmt, z.B. ähnlich-veränderlich, affin-veränderlich, kollinear-veränderlich u.s.w. Die Kinematik behandelt die Bedingungen, welche die Bewegung eines geometrischen Gebildes bestimmen, und die Beziehungen bei der Bewegung; sie behandelt ferner die Bahnen, welche die Punkte des Gebildes beschreiben, die Flächen, welche die Geraden, Kurven und Flächen des Gebildes erzeugen, sowie die Geschwindigkeits- und Beschleunigungsverhältnisse der Punkte des bewegten Gebildes. Bei der Anwendung der Kinematik auf die Bewegung materieller Körper wird von den bewegenden Kräften und von den bewegten Massen abstrahiert; die materiellen Körper werden durch geometrische Körper ersetzt, denen die Eigenschaft der Undurchdringlichkeit beigelegt wird. Die Bewegung einer Gruppe verbundener Körper, welche sich bei ihrer Bewegung gegenseitig nicht hindern, wird durch die Beschaffenheit der Verbindung dieser Körper untereinander geometrisch bestimmt. Demzufolge wird die Kinematik vorzugsweise auf die Bewegung bei den Maschinen angewendet und von Ampere [1] definiert als die geometrische Bewegungslehre (s.d.), bezw. Geometrie der Bewegung (s.d.), und ihre Anwendung auf die Maschinen. In dieser Auffassung ist auch die Benennung Maschinenkinematik gebräuchlich. Abweichend von dieser Auffassung bezeichnet Reuleaux [9] die Maschinengetriebelehre mit Kinematik und definiert dieselbe als die Wissenschaft von derjenigen besonderen Einrichtung der Maschine, vermöge deren die gegenseitigen Bewegungen in derselben, soweit sie Ortsveränderungen sind, zu bestimmten werden. Die Kinematik ist teils nach praktischer, teils nach theoretischer Richtung in den verschiedenen Werken bearbeitet. Die unten angeführten Werke [2]–[11] über Kinematik enthalten die wichtigsten Beziehungen aus der geometrischen Bewegungslehre und beschäftigen sich vorzugsweise mit der geometrischen Behandlung der Mechanismen. In den weiter angeführten Werken [12]–[16] tritt mehr die geometrische Bewegungslehre, bezw. die Geometrie der Bewegung, welche in neuerer Zeit zur weiteren Entwicklung geführt wurde, hervor; und durch diese weitere Entwicklung wird die Untersuchung der Mechanismen gefördert.


Literatur: [1] Ampère, Essai sur la philosophie des sciences 1834; 2me édition identique à la première 1856. I partie, p. 48. – [2] Willis, Principles of Mechanism., London 1841, sec. 6d. 1870. – [3] Giulio, Elementi di cinematica applicata alle arti, Torino 1847, sec. ed. 1854. – [4] Laboulaye, Traité de cinématique, Paris 1849, 3. ed. 1878. – [5] Morin, Notions géométriques sur les mouvements et leurs transformations ou éléments de cinématique, Paris 1851, 3. 6d. 1861. – [6] Resal, Traité de cinématique pure, Paris 1862. – [7] Belanger, Traité de cinématique, Paris 1864. – [8] Haton de la Goupillière, Traité de mécanismes, Paris 1864. – [9] Bour, Cours de mécaniques et machines, 1 fasc. cinématique, Paris 1865. – [10] Reuleaux, Theoretische Kinematik, Braunschweig 1875. – [11] Grashof, Theoretische Maschinenlehre, Bd. 2, Hamburg und Leipzig 1883. – [12] Schell, Theorie der Bewegung und der Kräfte, 2. Aufl., Leipzig 1878. – [13] Schoenflies, Geometrie der Bewegung, Leipzig 1886. – [14] Burmester, Lehrbuch der Kinematik, Leipzig 1888, mit umfassender Literaturangabe. – [15] Mannheim, Geometrie cinématique, Paris 1894. – [16] Koenigs, Leçons de cinématique théorique, Paris 1897.

Burmester.


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