- Kunsthorn
Kunsthorn, Bezeichnung für künstliche Massen, die in ihrem Aussehen dem natürlichen Horn ähnlich sind, sich auch leicht verarbeiten, formen, polieren u.s.w. lassen. Man bezeichnet als Kunsthorn Celluloid, Galalith, andere plastische Erzeugnisse, die Horn ähnlich sind, aber auch solche Massen, die aus Hornabfällen mittels Bindemitteln oder auf andere Art hergestellt sind. In der letzten Zeit nennt man Kunsthorn auch jene Phenolformaldehyd-Kondensationsprodukte, die als synthetische Harze angesprochen werden, die aber in Lösungsmitteln unlöslich, unschmelzbar sind und bei Einwirkung höherer Hitzegrade, denen es bis zu 300° C widersteht, schließlich sich zersetzt und ohne zu schmelzen verkohlt. Es wird von kochender Schwefelsäure zerstört, widersteht aber dem Kochen mit verdünnter Schwefelsäure. Für die Herstellung von Kunsthorn kommt das Kondensationsprodukt in flüssiger Form in seinem Anfangsbildungsstadium in Betracht, welches mit beliebigen Füllmitteln auch Hornspänen u.s.w. vermischt in evakuierten Trockenräumen unter höherem Druck gepreßt und dadurch in die harte Form übergeführt[378] wird, oder man setzt das flüssige Kondensationsprodukt für sich in Kammern unter vermindertem Luftdruck und Erhitzung der Umwandlung in die harte Form aus. Bakeland legt einen Hauptwert auf die Verwendung der Kondensationsprodukte als Bindemittel für alle plastischen Masten, bei denen Füllstoffe irgendwelcher Natur, wie Sägespäne, Holzstoff, Cellulose, mineralische Stoffe, wie Asbest, Talkum, Steinmehle u.s.w., zu festen und formbaren Körpern von größter Fertigkeit verbunden werden sollen, die sich auch, je nach der Art der Füllstoffe, durch Beigabe von Farbstofflösungen oder auch von Farbkörpern nicht nur in einem Farbenton herstellen lassen. Die Leichtigkeit, mit der sich das Material in der harten, in Lösungsmitteln nicht löslichen Form bearbeiten läßt, das hohe Lichtbrechungsvermögen ermöglichen die ausgedehnte Verwendung in der Schmuckwarenindustrie, zu Knöpfen jedweder Art, zu Perlennachahmungen, zu Stock- und Schirmgriffen, dann in hervorragender Weise zu Zigarren-, Zigarettenspitzen und Pfeifenmundstücken; viele der Erzeugnisse sind von echtem Bernstein, von Horn, von Halbedelsteinen nicht zu unterscheiden und sie haben auch den großen Vorzug, unzerbrechlich zu sein. Nur mit großer Kraft unter Anwendung eines Hammers sind sie zu zertrümmern, während sie beim Fall, selbst auf Steinboden aufgeworfen, sich nicht im geringsten verändern, auch Splitter nicht ausbrechen. Bei Knöpfen und anderen Erzeugnissen lassen sich die mannigfachsten Ausschmückungen, seien sie nun aus Metall, Perlmutter und ähnlichen Materialien leicht einpressen und haften trotz der verschiedenen Ausdehnungsverhältnisse sehr fest. Auch das Einpressen von Oefen und dergleichen jedweder Art unterliegt keinen Schwierigkeiten. Man hat es bei der Herstellung der Massen in der Hand, beispielsweise die Hornnachahmung klar und durchsichtig, in jedem gewünschten Farbenton vom hellsten Gelb bis Schwarzbraun, geflammt, wolkig, mit Streifen u.s.w. zu erhalten, also Kunsthorn zu bereiten, das sich im Aussehen von Naturhorn gar nicht unterscheidet. Selbst beim Verbrennen täuscht der auftretende eigentümliche Geruch Naturhorn vor.
Andés.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.