- Arbeiterversicherung [2]
Arbeiterversicherung. Die deutsche Arbeiterversicherung ist durch die Reichsversicherungsordnung vom 19. Juli 1911 (Reichsgesetzblatt S. 509 ff.), die zum Teil schon in Kraft getreten ist, zum Teil mit dem 1. Januar 1914 in Kraft treten wird, einheitlich zusammengefaßt worden.
Diese enthält im ersten Buch einen allgemeinen Teil (gemeinsame Vorschriften), im zweiten die Krankenversicherung, im dritten die Unfallversicherung, im vierten die Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung, im fünften die Beziehungen der Versicherungsträger zueinander und zu andern Verpflichteten und im sechsten das Verfahren. Zur Invaliden- und Altersversicherung und an sie anschließend ist die Hinterbliebenen (Witwen- und Waisen-) versicherung hinzugetreten. Ein besonderes Gesetz vom 20. Dezember 1911 (Reichsgesetzblatt S. 989) regelt die Versicherung der Angestellten in privatem Dienste. Die Einführung und Weiterbildung der Arbeiterversicherung in den Kulturstaaten schreitet immer mehr fort. Außer in Deutschland hat sie in Europa namentlich in Großbritannien, Luxemburg, Rußland, Rumänien und in der Schweiz wichtige Fortschritte gemacht. Nach dem Stand von Anfang 1913 gibt es in mehr oder minder weitem Umfang durchgeführte, zum Teil durch freiwillige Versicherung ergänzte Zwangskrankenversicherungen außer in Deutschland in Oesterreich, Ungarn, Italien, Frankreich, Großbritannien, Norwegen, Luxemburg, Serbien, Rumänien und Rußland. Zwangsunfallversicherungen bestehen außer in Deutschland in Oesterreich, Ungarn, Italien, Frankreich, Norwegen, Dänemark, Finnland, den Niederlanden, Luxemburg, der Schweiz, Serbien, Griechenland, Rumänien und Rußland. Invaliden- und Altersversicherungen als Zwangsversicherungen haben außer Deutschland Oesterreich, Ungarn, Frankreich, Belgien, Großbritannien, Luxemburg, Griechenland und Rumänien (Deutschland, Oesterreich, Frankreich, Großbritannien und Luxemburg auch für Angestellte). Deutschland, Oesterreich, Ungarn, Frankreich und Griechenland haben daneben auch eine Hinterbliebenenversicherung. Eine ausschließlich freiwillige Krankenversicherung besteht in Belgien, Schweden, Dänemark, Finnland, Spanien, den Niederlanden und der Schweiz (hier Zwangsversicherung für Kantone und Gemeinden ermöglicht); eine ausschließlich freiwillige Unfallversicherung in Belgien, Großbritannien, Schweden und Spanien; eine ausschließlich freiwillige Invaliden- und Altersversicherung in Italien, Finnland, Spanien und Serbien, eine ausschließlich freiwillige Hinterbliebenenversicherung in Serbien. Noch keine allgemeine Invaliden-, Alters- oder Hinterbliebenenversicherung haben Dänemark, Schweden, Norwegen, die Niederlande, die Schweiz und Rußland; indes beschäftigt man sich auch in diesen Staaten bereits mehr oder minder mit diesen Versicherungsproblemen [1]. Auch in Amerika und Australien machen sich Bestrebungen auf Einführung von Arbeiterversicherungen mit Erfolg geltend. Die Schweiz hat Ende 1912 ein Bundesamt für soziale Versicherung als eine im wesentlichen aufsichtführende, unterstützende und vermittelnde Behörde errichtet. Bemerkenswert sind die seit dem Jahre 1904 abgeschlossenen internationalen Verträge auf dem Gebiete der Arbeiterversicherung, die neben einer Regelung der Versicherungsverhältnisse in den in das Gebiet des andern Staats übergreifenden Betrieben und der Gewährung von Rechtshilfe insbesondere darauf abzielen, den Arbeitern des einen Landes im andern Lande möglichst gleichwertige Vorteile zu sichern. Solche Verträge bestehen zurzeit zwischen Italien und Frankreich (der erste derartige Vertrag vom 15. April 1904), Italien und der Schweiz, Deutschland und Italien, Deutschland und Oesterreich, Belgien und Luxemburg, Deutschland und Luxemburg, Frankreich und Belgien, Frankreich und Luxemburg, Deutschland und den Niederlanden, Großbritannien und Schweden, Großbritannien und Frankreich, Italien und Ungarn, Deutschland und Belgien [1]. Die Versicherung gegen Arbeitslosigkeit ist fortgesetzt und in der Mehrzahl der Kulturstaaten Gegenstand eingehender Prüfung, in Deutschland, abgesehen von der Bereitstellung von Mitteln in den Etats einzelner Staaten, noch nicht zu einer staatlichen Regelung gelangt. Dagegen sind in einer Reihe von deutschen Städten Versuche mit einer kommunalen Arbeitslosenversicherung (meist im Anschluß an das Genter System, Gewährung von Zuschüssen für Arbeitslosenunterstützung unter bestimmten Voraussetzungen an Arbeiterorganisationen oder Mitglieder von solchen und daneben auch an einzelne Sparer) gemacht worden [2]. In einzelnen Staaten des Auslandes hat bereits eine gesetzliche Regelung der Arbeitslosenversicherung bezw. der Normen für die staatliche Unterstützung stattgefunden, so in Dänemark, Frankreich, Norwegen und in der Schweiz.
[23] Literatur: [1] Die Sozialversicherung in Europa nach dem gegenwärtigen Stande der Gesetzgebung in den verschiedenen Staaten, Sonderbeilage zum Reichsarbeitsblatt Nr. 12 von 1912 und Anlage IV im Ergänzungsband zum Handbuch der Unfallversicherung, herausgegeben im Reichsversicherungsamt, Leipzig 1913. [2] Uebersicht über den gegenwärtigen Stand der Arbeitslosenversicherung in den deutschen Städten, Reichsarbeitsblatt 1913, Nr. 3.
Köhler.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.