Submissionswesen

Submissionswesen

Submissionswesen begreift alles, was die Vergebung von Arbeiten und Lieferungen auf dem Wege der Submission betrifft.

Die Vergebung von Arbeiten und Lieferungen (Verdingung) erfolgt entweder freihändig, d.h. durch Uebertragung an einen bestimmten zur Verfügung stehenden Unternehmer ohne Aufruf einer weiteren Konkurrenz, oder auf dem Wege der Vergebung in engerer Bewerbung an einen bestimmt begrenzten Kreis von Unternehmern ohne Eröffnung eines allgemeineren Wettbewerbs oder endlich durch Submission. Hierunter versteht man eine besondere Form der Vergebung, für die das öffentliche Ausschreiben und die Aufforderung zu schriftlichen Offerten charakteristisch ist. Des für die Regel in allen wichtigen Einzelheiten geordneten und einen bestimmten Voranschlag der austreibenden Stelle enthaltenden Submissionsverfahrens bedienen sich insbesondere die staatlichen und kommunalen Verwaltungen, aber auch die großen privaten, namentlich gewerblichen Unternehmungen, die bedeutende und öfter sich wiederholende Lieferungsaufträge zu vergeben haben. Die Vorteile des Submissionsverfahrens liegen für die Verwaltung namentlich in der Möglichkeit, durch Eröffnung einer geeigneten ausgedehnten Konkurrenz eine möglichst gute Qualität und günstige Preisgestaltung zu erzielen, für die Lieferanten in der allen leistungsfähigen und lieferungslustigen Geschäftsleuten unter gleichen Bedingungen unparteiisch eröffneten Aussicht der Beteiligung an den Lieferungen. Die rechtzeitige Feststellung der Bedarfsmengen und ihre allgemeine Bekanntgabe, die es den Beteiligten ermöglicht, sich mit den Lieferungen rechtzeitig einzurichten, bringt für die gesamte Produktion, Verarbeitung und den Handel nicht zu unterschätzende Vorteile. Das Submissionsverfahren hat aber auch Nachteile. Es verleitet namentlich den kleineren Geschäftsmann, der nicht zu kalkulieren versteht, unter Umständen zu übermäßig billigen und für ihn verlustbringenden Angeboten und kann die Preisunterbietung und Preis- und Lohndrückerei befördern; für die austreibende Verwaltung entsteht die Gefahr, daß die Billigkeit auf Kosten der Güte und Solidität der Leistungen geht. Um diese Nachteile zu vermeiden, pflegen die Grundsätze, die von den staatlichen und größeren kommunalen Verwaltungen über die Vergebung von Arbeiten und Lieferungen aufgestellt worden sind, neben der Zulassung freihändiger Vergebung oder einer Vergebung in engerer Bewerbung in genau bezeichnetem, nicht zu eng bemessenem Umfang unter anderm die Bestimmung zu enthalten, daß das niedrigste Gebot als solches bei der Zuschlagserteilung keineswegs ausschließlich zu berücksichtigen ist, daß der Zuschlag nur auf ein in jeder Beziehung annehmbares, die tüchtige und rechtzeitige Ausführung der Arbeit oder Lieferung gewährleistendes Gebot erteilt werden darf und Angebote von vorneherein von der Berücksichtigung ausgeschlossen sind, die eine in offenbarem Mißverhältnis zu der Arbeit oder Lieferung stehende Preisforderung enthalten, so daß nach den geforderten Preisen eine tüchtige Ausführung nicht erwartet werden kann. Neuerdings suchen die Submissionsbestimmungen öffentlicher Verwaltungsstellen in weitgehendem Maße sozialpolitischen und im besonderen auch handwerkspolitischen Forderungen Rechnung zu tragen. So findet sich die Bestimmung, daß Angebote von der Berücksichtigung ausgeschlossen bleiben, welche von Unternehmern ausgehen, in deren Betrieben eine über das übliche Maß erheblich hinausgehende Arbeitszeit eingehalten wird oder die Löhne hinter den in dem Gewerbszweig sonst üblichen Durchschnittslöhnen erheblich zurückstehen (sogenannte Lohnklausel, verbunden mit dem vorbehaltenen Recht der Behörde, von den Unternehmern nähere Angaben über die Lohnverhältnisse und die Arbeitszeit zu verlangen). Auch wird in die Vertragsbedingungen die Bestimmung aufgenommen, daß der Unternehmer an die von ihm angegebenen Arbeitslöhne und Arbeitszeiten oder, soweit Tarifgemeinschaften oder ähnliche Vereinbarungen zwischen den Verbänden der Arbeitgeber und Arbeiter bestehen, an die von diesen festgestellten Arbeitsbedingungen gebunden sind. Der Berücksichtigung der mittleren und kleineren, namentlich handwerklichen Betrieben dient die Bestimmung, daß umfangreichere Arbeiten und Lieferungen in mehrere Lose zu teilen und bei bestimmten größeren Arbeiten nicht alle Arbeiten gleichzeitig zu vergeben sind. Sodann findet sich in gewissem Umfange eine Bevorzugung derjenigen Handwerker, welche zur Führung des Meistertitels berechtigt sind; auch Handwerkerorganisationen sind manchmal besondere Vergünstigungen eingeräumt. Eine allgemeine Bevorzugung inländischer (deutscher) Bewerber vor Ausländern wird wegen der zu erwartenden Vergeltungsmaßnahmen wenigstens bei staatlichen[396] Submissionen meist vermieden. Ost kann sie auch unwirtschaftlich sein. Aehnlich ist es mit der Begünstigung der ortsangesessenen Bewerber, die in bestimmter Beschränkung unbedenklich (namentlich bei Bauarbeiten), sich aber allgemein nicht durchführen läßt. – Die Regelung des. staatlichen und kommunalen Submissionswesens bezw. die Verbesserung desselben bildet seit Jahren einen Gegenstand eifriger Erörterung in den Parlamenten, den sozial- und wirtschaftspolitischen Vereinigungen, der Fach- und Parteipresse, und in manchen der hierbei aufgestellten Forderungen ist wohl über das hinausgegangen, was vernünftiger- oder zweckmäßigerweise angeordnet werden kann. Ohne zu den einzelnen Forderungen Stellung zu nehmen, seien folgende erwähnt: Zuziehung von Sachverständigen aus den Handwerksorganisationen bei Aufstellung des Voranschlags; der Ausschluß derjenigen Betriebe von der Bewerbung, die Lehrlingszüchterei treiben; die Bevorzugung der die günstigeren Arbeitsbedingungen bietenden Betriebe; die Forderung bestimmter Maximalarbeitszeiten und Lohnsysteme (Ausschluß des Akkordlohns); die Einfügung der »Streikklausel« (Vergünstigung in Beziehung auf die Lieferungsfristen für den Fall der Arbeitseinteilung). Schlechte Erfahrungen sind mit dem sogenannten »Mittelpreisverfahren« gemacht worden, das in Handwerkerkreisen manche Befürworter hat. Danach soll der Zuschlag für die Regel demjenigen Bewerber erteilt werden, der dem durch Durchschnittsberechnung gewonnenen Mittelpreise, nach unten gerechnet, am nächsten kommt.


Literatur: Huber, Artikel »Submissionswesen« im Handbuch der Staatswissenschaften, herausgegeben von Conrad, Elster, Lexis und Lönig, 2. Aufl., Bd. 6, S. 1172 ff.; Biermer, Artikel »Submissionswesen« im Wörterbuch der Volkswirtschaft, herausgegeben von Elster, 2. Aufl., Bd. 2, S. 1038 ff.; Heller, Das Submissionswesen in Deutschland, Jena 1907. – Die Regelung des Arbeitsverhältnisses bei Vergebung öffentlicher Arbeiten, Nr. 6 der Beiträge zur Arbeiterstatistik, herausgegeben vom Kaiserl. Statistischen Amt, Abteilung für Arbeiterstatistik, Berlin 1907. – Reichstagsdrucksache Nr. 989 von 1907/09 enthält die für die deutschen Reichsbetriebe erlassenen Bestimmungen über das Verdingungswesen.

Köhler.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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