- Ammoniumoxydhydrat
Ammoniumoxydhydrat NH4OH ist nur in wässeriger Lösung bekannt, doch muß man seine Existenz annehmen und ferner auch die Existenz der Ionen [179] NH4 und OH, wie beim Kaliumhydroxyd (s. Ionentheorie). Die Lösung führt den Namen Ammoniak- oder Ammonflüssigkeit, Salmiakgeist, Aetzammoniak, auch wohl kurz Ammoniak. Sie bildet eine farblose, stark nach Ammoniak riechende Flüssigkeit. Ihr chemisches Verhalten ist ein stark basisches gleich den Lösungen der Alkalioxydhydrate (Alkalilaugen).
Schon bei gewöhnlicher Temperatur zerfällt das gelöste Ammoniumoxydhydrat in Ammoniak und Wasser; der Gehalt solcher Lösungen wird daher auch meist in Prozenten Ammoniak angegeben.
Als Ammoniakquellen dienen hauptsächlich stickstoffhaltige Stoffe organischen Ursprunges' die zur Verkohlung bestimmt sind. Unter diesen sind die tierischen Abfälle (Knochen, Blut u.s.w.) als Rohstoffe für Knochen- bezw. Tierkohle von untergeordneter Bedeutung, seit man angefangen hat, auch den beim Verkoken von Steinkohlen entstehenden Gasen das Ammoniak vor ihrer weiteren Verwendung zu entziehen, wie dies bei der Leuchtgasreinigung schon lange geschieht. Bei der Abkühlung und beim darauffolgenden Waschen der Kohlendestillationsgase mit Wasser in den Skrubbern gewinnt man neben den teerigen Produkten das sogenannte Gaswasser (Ammoniakwasser) als ausgenutzte Waschflüssigkeit, das fast alle bei der Destillation sich bildenden Ammoniumverbindungen gelöst enthält, als da sind: Oxydhydrat, Sulfit, Thiosulfat, Sulfat, Karbonat, Sulfid, Rhodanid, Cyanide, Chlorid. Diese Lösung bildet wieder das Ausgangsprodukt für fast sämtliche Ammoniumverbindungen. Durch Destillation dieses Gaswassers unter Zusatz von Kalk in Feldmannschen oder andern Kolonnenapparaten erhält man Dämpfe von Ammoniak und Wasser. Direkt verdichtet oder in Wasser aufgefangen, entsteht eine konzentriertem Lösung des Ammoniumoxydhydrates, die Ammonflüssigkeit oder der Salmiakgeist. Zur Ausführung dieses vereinigten Destillations- und Zersetzungsprozesses, sowie zur gleichzeitigen Reinigung des Destillationsproduktes ist eine große Zahl von Apparaten konstruiert, die in [1] und [2] eingehend beschrieben sind. Sie beruhen zum Teil auf denselben Grundsätzen, wie die Kolonnendestillationsapparate der Spiritusrektifikation. Ihres Ammoniak- bezw. Ammoniumgehaltes wegen findet die Ammonflüssigkeit gleich andern Ammoniumverbindungen ausgedehnte Anwendung in der chemischen Großindustrie (Ammoniak-, Soda- und Farbenfabrikation), sowie bei der Herstellung vieler chemischen und pharmazeutischen Präparate, auch wird sie direkt als Heilmittel angewandt. Bezugsquellen: Fabriken chemischer und pharmazeutischer Produkte, Drogerien, Apotheken.
Bujard.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.