Kriegsschiffstypen

Kriegsschiffstypen

Kriegsschiffstypen. Die Gliederung der Kriegsschiffe in eine begrenzte Zahl von Typen ist zurzeit bei allen Kriegsmarinen durchgeführt, und dieselben bestehen aus Linienschiffen, großen Kreuzern, kleinen Kreuzern, Torpedofahrzeugen und Kanonenbooten. Ueber die historische Entwicklung der Kriegsschiffstypen auf den heutigen Stand verweisen wir auf die Literatur dieses Artikels.

Die Linienschiffe bilden den Kern der Schlachtflotte und ihre Hauptkampfkraft, von ihnen ist die Entscheidung der Seeschlacht und damit die Vormacht zur See abhängig. Die Linienschiffe sind dementsprechend mit den stärksten und wirksamsten Angriffswaffen und den ausgiebigsten Schutzwehren ausgestattet. Das Bestreben, schon bei größeren Schußentfernungen frühzeitig eine Feuerüberlegenheit zu erzielen, hat in allen Marinen dazu geführt, die schweren Geschütze, teilweise unter Einschränkung der Mittelartillerie, zu vermehren. So weist das neueste englische Linienschiff »Dreadnought« von 18300 t Deplacement 10 schwere 30,5-cm-L/45-Geschütze und 18 leichte 7,6 cm-Schnellfeuerkanonen auf, während die neuesten amerikanischen Linienschiffe »Michigan« und »South Carolina« von 16500 t Deplacement 8 schwere 30,5-cm-Geschütze und 22 leichte 7,6-cm-Schnellfeuerkanonen führen. Die Franzosen halten bei ihren neuesten Linienschiffen der Danton-Klasse von 18000 t Deplacement noch an einer Teilung der schweren Geschütze fest und bestücken diese Schiffe mit 4 schweren 30,5-cm-Geschützen und 12 24-cm-Geschützen sowie 16 leichten 7,5-cm-Schnellfeuerkanonen. Die Japaner haben die schwere und leichte Artillerie der »Dreadnought« angenommen, belassen jedoch eine Mittelartillerie von 15-cm-Schnellfeuerkanonen und steigern dementsprechend das Deplacement auf 21000 t. Bei allen Marinen tritt dabei das Bestreben auf, die schweren Geschütze in Doppeltürmen derart aufzustellen, daß ein ausgiebiges Breitseitfeuer ermöglicht wird, und zugleich die Zielfläche durch Vermeidung größerer Aufbauten zu verringern. Die weitere Forderung, dem Schiff und seinen Kampfmitteln auf 3500 m Schußentfernung einen derartigen Schutz zu gewähren, daß es für längere Zeit dem feindlichen Feuer standhalten und sein eignes Feuer aufrechterhalten kann, bedingt eine Panzerung von ausreichender Stärke und Ausdehnung, und zwar nicht allein innerhalb und oberhalb der Wasserlinie gegen feindliche Geschosse, sondern auch unter Wasser zur Abwehr der feindlichen Torpedos. Daneben tritt der Wert einer überlegenen [703] Geschwindigkeit der Linienschiffe wieder in den Vordergrund. Die Verstärkung der Schiffsarmierung (s. Geschützarmierung) und des Panzers (s. Schiffspanzer) sowie die Steigerung der Geschwindigkeit und damit der Maschinenkraft zieht jedoch unweigerlich eine Vergrößerung des Deplacements nach sich, da alle diese Kampfmittel vom Schiff sicher getragen werden müssen. Als Typ eines modernen Linienschiffes gilt daher ein Panzerschiff von 18000–21000 t Deplacement mit 8–12 schweren Geschützen, einer mäßigen Mittelartillerie und zahlreichen Schnellfeuerkanonen von 7,5–12 cm Kaliber, mit ausgiebiger Seitenpanzerung, Schutz gegen Torpedos und Minen und einer Geschwindigkeit von 19–21 Knoten.

Neben den Linienschiffen sind für den Aufklärungsdienst und den Handelsschutz als besondere Kriegsschiffstypen die Kreuzer ausgebildet worden. Auch bei diesem Schiffstyp, bei dem in erster Linie eine große Geschwindigkeit und ein großer Aktionsradius angestrebt wird, ist eine stete Steigerung der Kampfkraft und damit alsbald eine Differenzierung ihrer Gefechtsstärken eingetreten. Man gliedert sie allgemein in große Kreuzer, auch Panzerkreuzer genannt wegen eines seitlichen Panzerschutzes nach Art der Linienschiffe, und kleine Kreuzer mit leichtem Panzerdeckschutz für die vitalen Teile. Während die Armierung der großen Kreuzer ständig gesteigert wird und sich wegen der Möglichkeit einer Verwendbarkeit in der Tagesschlacht in ihrer Stärke derjenigen der Linienschiffe nähert, hat man sich bei den kleinen Kreuzern mit einer leichten Armierung begnügt. Dagegen hat man sowohl bei den großen Kreuzern als auch bei den kleinen Kreuzern an einem hohen Geschwindigkeitsüberschuß gegenüber den Linienschiffen festgehalten, dessen strategischer und taktischer Wert ein außerordentlich hoher ist. Die Geschwindigkeit der in Dienst befindlichen großen Kreuzer von 23 Knoten wird daher unter Verwendung von Dampfturbinen bei den Neubauten auf 25 Knoten bei einem Deplacement bis 19000 t gesteigert werden, eine Geschwindigkeit, die bereits von einzelnen kleinen Kreuzern erreicht worden ist. Das Deplacement der letzteren hält sich durchweg noch unterhalb 4000 t. Ob die von einzelnen Stellen angeregte Verschmelzung der Linienschiffe und großen Kreuzer zu einem Einheitskampfschiff erfolgreich durchgeführt werden kann, muß die Zukunft lehren.

Die Kanonenboote kommen für die Seeschlacht nicht in Betracht, sie finden nur als Stationsschiffe in außerheimischen Gewässern Verwendung.

Die Torpedofahrzeuge, die sich aus den Dampfbeibooten entwickelt haben, dienen zum Torpedoangriff auf Schlachtschiffe. Sie erreichen Geschwindigkeiten von 28–36 Knoten und besitzen neben einigen leichten Geschützen als Hauptwaffe 2–3 Torpedorohre zum Lancieren von Fischtorpedos. Trotzdem das Deplacement mit Zunahme der Geschwindigkeit von 80 t auf vereinzelt 1000 t gesteigert wurde, mußte bei den Torpedobooten auf jeglichen Panzerschutz verzichtet werden, so daß sie von den stärkeren Kalibern der leichten Artillerie bereits kampfunfähig gemacht werden können. Ihr einziger Schutz besteht in einer überlegenen Geschwindigkeit und der geringen Sichtbarkeit.

Neben den Torpedobooten sind neuerdings namentlich für die Küstenverteidigung Unterseeboote (s.d.) in allen Marinen eingeführt, die als Kampfkraft nur ein Torpedorohr zum Lancieren von Fischtorpedos führen und deren Schutz in der Möglichkeit des Unterwasserfahrens liegt.


Literatur: [1] v. Kronenfels, J.F., Das schwimmende Flottenmaterial der Seemächte, Wien 1881. – [2] Dislère, P., Die Kreuzerschiffe und der Kaperkrieg, Pola 1876. – [3] Ders., Die Panzerschiffe der neuesten Zeit, Pola 1877. – [4] Neudeck, Die heutigen Kriegsmarinen, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1896/97. – [5] Chasseloup-Laubat, Les marines de guerre modernes, Paris 1903. – [6] Brassey, The Naval Annual, Portsmouth 1900/07. – [7] Marine-Almanach, Pola 1890/1907. – [8] Weyer, Taschenbuch der Kriegsflotten 1900/06. – [9] Fred, T. Jane, All the World's Fighting Ships, London 1900/06. – [10] Nauticus, Jahrbuch für Deutschlands Seeinteressen, Berlin 1902/07.

T. Schwarz.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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