Neigungsverhältnis

Neigungsverhältnis

Neigungsverhältnis oder kurz die »Neigung« einer Weg- oder Bahnstrecke ist das Verhältnis des Höhenunterschiedes h zweier Punkte dieser Strecke zu ihrer wagerechten Entfernung l (s. Fig. 1); sie wird ausgedrückt entweder als trigonometrische Tangente des Neigungswinkels α oder als Verhältnis der Höhe 1 zur zugehörigen Länge oder als Höhe auf die Länge 100 oder 1000, also z.B. tg α = 0,08 oder 1 : 125 oder 0,8% oder 8‰.

Die Neigung erscheint bergauf als »Steigung«, talab als »Gefäll« oder »Fall«. Bergauf ist die zu befördernde Last G um die Höhe h zu heben, bergab um ebensoviel zu senken.

Die Neigung spielt bei allen Verkehrswegen, ganz besonders aber bei den Eisenbahnen, eine wichtige Rolle; sie ist überall da, wo erhebliche Höhenunterschiede des Geländes zu überwinden sind, in erster Linie für den Charakter und die Leistungsfähigkeit einer Bahn maßgebend, denn der Bewegungswiderstand setzt sich zusammen aus dem allgemeinen Bewegungswiderstand (aus Zapfenreibung, Reibung zwischen Rad und Bahn, Luftwiderstand), der auch auf der Wagerechten vorhanden und proportional dem Normaldruck (G cos α) ist, und der in die Richtung der Neigung fallenden Seitenkraft (G sin α) des Gewichts G, dem sogenannten »relativen Gewicht«, das bei der Bergfahrt in positivem, bei der Talfahrt in negativem Sinn zum ersteren hinzukommt. Ist der allgemeine Bewegungswiderstand in der wagerechten Geraden bei G t Zugsgewicht Wg kg = wg · Gt, so ist er in der Neigung entsprechend dem geringeren Normaldruck wg Gt cos α, und wir haben als Gesamtwiderstand in der Neigung

Ws kg = wg · Gt · cos α ± Gt · 1000 · sin α oder (Ws kg)/(cos α) = (wg · ± 1000 tg α) Gt.

1.


Die auf Eisenbahnen vorkommenden Neigungswinkel sind, abgesehen von Seil- und sehr steilen Zahnradbahnen, immer so klein, daß cos α = 1 gesetzt werden kann; drückt man ferner die Neigung in s‰ (s = 1000 · tg α) aus, so erhält man als Widerstand in einer geraden Neigung

Ws kg = (wg ± s) Gt.

2.


Zu diesem Widerstand tritt in Krümmungen noch der Krümmungswiderstand wr · Gt, und zwar stets in positivem Sinn. Der Gesamtwiderstand auf einer gekrümmten und steigenden Strecke ist somit

W kg = (wg + wr ± s) Gt = w · Gt,

3.


wo das obere Vorzeichen von s für die Bergfahrt, das untere für die Talfahrt gilt und wr auf gerader Strecke Null wird. Der Widerstand für die Tonne Zugsgewicht in Kilogramm, d.h. das Verhältnis zwischen Widerstand und Zugsgewicht ist

w = (wg + wr ± s).

4.


[601] Diejenige Neigung sb, bei welcher bei der Talfahrt der Schwerkrafteinfluß dem Widerstande gleichkommt, also der Widerstand und damit auch die Zugkraft Null wird, ist sonach in Krümmungen

sb = wg + wr

5.


und in Geraden

sb = wg,

5b.


also in Geraden um den Krümmungswiderstand kleiner als in Krümmungen, der Krümmungswiderstand wirkt bremsend.

Die Neigung sb wird die »Bremsneigung« genannt, weil bei größerer Neigung bei der Talfahrt die Bremsen in Tätigkeit treten müssen, um den Ueberschuß der Arbeit der Schwerkraft aufzuzehren, damit nicht eine fortdauernde, gefahrbringende Zunahme der Geschwindigkeit eintritt. Bis zu dieser Grenze kann die Schwerkraft ausgenutzt werden, und ist in beiden Richtungen die Zuglast gleich, so wird der bei der Bergfahrt nötige Mehraufwand an Zugkraft bei der Talfahrt wiedergewonnen. Da nun das Gewicht der Fahrzeuge einschließlich der Lokomotiven meist größer als das der Nutzlast ist, weil die Ladefähigkeit aller Fahrzeuge nie völlig ausgenutzt wird und zudem das Gewicht der Nutzlast (abgesehen von besonderen Fällen, wie in Kohlenbergwerken) in beiden Fahrrichtungen im Jahresdurchschnitt annähernd sich auszugleichen pflegt, so wird durch Neigungen ≤ sb im allgemeinen keine oder doch keine merkliche Verteuerung des Betriebes herbeigeführt. Bei Neigungen > sb hingegen tritt eine Kostenvermehrung ein, da bei der Talfahrt die lebendige Kraft des Zuges nicht völlig ausgenutzt werden kann, sondern ein Teil durch Bremsen vernichtet werden muß. Ein Teil der zur Ueberwindung der Steigung erforderlichen Zugkraft geht also bei der Talfahrt verloren und außerdem entstehen Kosten für Handhabung und Abnutzung der Bremsen. Neigungen, die kleiner sind als die Bremsneigung sb, heißen deshalb »unschädliche« Neigungen und solche, die größer sind, »schädliche«. Der Unterschied zwischen Neigung und Bremsneigung ssb = sv gibt das Maß der Schädlichkeit an, sie heißt »verlorene Neigung« und das Produkt aus verlorener Neigung und der Länge l ist die »verlorene Höhe« hv = sv · l Hieraus folgt, daß bei Bahnen, bei welchen eine Ueberschreitung der Bremsneigung nicht erforderlich ist, wie dies im Flachland meist der Fall ist, Gegenneigungen durchaus nicht zu scheuen sind, wenn sie nur mit unschädlichen Neigungen überwunden werden; bei solchen Bahnen kommen dann verlorene Neigungen und somit auch verlorene Höhen nicht vor. Hingegen sind überall da, wo Höhen mit »schädlichen« Neigungen zu ersteigen sind, Gegenneigungen möglichst zu vermeiden, weil bei ihnen verlorene Neigungen vorhanden und somit verlorene Höhen zu überwinden sind; ferner ist bei Gebirgsbahnen eine zwischen den einzelnen Stationen sich möglichst gleichbleibende Neigung anzustreben, da diese dann das Mindestmaß erhält und die Zugkraft der für diese »maßgebende« Steigung sm (s.d.) konstruierten Lokomotiven am bellen ausgenutzt wird. Jede flacher geneigte Zwischenstrecke bedeutet einen für die Leistung nutzlosen Längenüberschuß, der ohne andre zwingende Gründe besser zur Abflachung der maßgebenden Steigung verwendet wird und dann die Leistungsfähigkeit der ganzen Linie erhöht, denn einzelne flachere Strecken gestatten selbstverständlich keine Vergrößerung des durch sm bedingten Zuggewichts.

Um den Grundsatz der Linienführung, nämlich die möglichste Gleichhaltung des Widerstandes bei der Bergfahrt, sofern solche mit schädlichen Neigungen zu geschehen hat, richtig durchzuführen, muß in den Kurven die maßgebende, also stärkste Steigung um die Größe des Krümmungswiderstandes wr ermäßigt werden, so daß der Widerstand gleich bleibt, also

w = wg + wr + s = wg + sm.

6.


In einer Krümmung vom Halbmesser r darf also die Neigung s die Größe

s = sm wr

7.


nicht überschreiten. Ist aus andern Gründen schon eine Abflachung gegen sm vorhanden, so kommt sie auf die durch die Krümmung erforderte in Anrechnung.

Die Ausführung dieser Steigungsermäßigung erfolgt zweckmäßig in der Weise, daß nach Durcharbeitung der Linienführung ohne Rücksicht auf die Krümmungen mit einer mittleren Steigung s0 für jede einzelne Krümmung der Krümmungswiderstand wr nach einer der bekannten Formeln (s. Krümmungsverhältnisse und [1], [2]) berechnet wird; hierauf werden für jede Krümmung die Produkte aus Krümmungswiderstand wr und zugehöriger Krümmungslänge lr, Δ h = wr · lr gebildet; diese stellen Widerstandshöhen dar, d.h. diejenigen Höhen, deren Ersteigung dieselbe Arbeit erfordert wie die Fahrt durch die Krümmung. Die Summe der Widerstandshöhen aller Krümmungen stellt die Höhe dar, um welche bei gerader, gleichlanger Bahn die wirklich zu ersteigende Höhe H vergrößert werden kann, ohne die Gesamtarbeit zu ändern. Da nun

Δ H = Σ (wr · lr),

8.


so ist der Einfluß der Krümmungswiderstände auf die Steigung s0


Neigungsverhältnis

Wird die durchschnittliche Steigung s0 um Δ s erhöht, so erhält man die maßgebende Steigung sm, die in der Geraden anzuwenden ist, also


Neigungsverhältnis

In den einzelnen Krümmungen ist diese um den betreffenden Krümmungswiderstand zu ermäßigen.

Graphisch gestaltet sich die Sache sehr einfach. Die Verlusthöhe Δ H = Σ (wr lr) wird der Ordinate des oberen Endpunkts der Strecke zugesetzt, worauf sich unmittelbar die maßgebende Steigung Sm ergibt. Die Steigungen in den einzelnen Krümmungsstrecken erhält man durch Abtragen der[602] Widerstandshöhen an den Endordinaten. Das ganze Verfahren ist ohne weitere Erklärung aus Fig. 2 ersichtlich. Auf diese Weise wird die Erhöhung der Steigung auf die ganze Länge der Linie verteilt; die Abweichung von der zuerst angenommenen Bahnhöhenlinie ist meist unbedeutend, so daß nur in einzelnen Fällen eine Verschiebung der Linie im Grundriß nötig werden wird, und auch diese wird nur gering ausfallen. Bei Gebirgsbahnen ist die maßgebende Neigung, um gleiche Widerstände zu erhalten, zwischen den Lokomotivstationen durchzuführen, die den Lauf bestimmter Maschinengattungen oder bestimmter Zuglängen begrenzen sollen, in der Regel also zwischen dem Fußpunkt der eigentlichen Gebirgsstrecke und dem Scheitel. Es empfiehlt sich, wenn möglich, auf dieser die Neigungen gegenüber der anschließenden Talstrecke so zu wählen, daß die Züge der letzteren entweder ungeteilt mit zwei Lokomotiven oder in zwei Hälften mit je einer auf der Gebirgsstrecke befördert werden können. Können die Neigungen noch so gegeneinander abgewogen werden, daß die Lokomotivgattungen für die Tal- und die Gebirgsstrecke gleich ausfallen, so ist das um so besser.

Als Ausnahme von dem Grundsatz gleichmäßigen Widerstandes sind die sogenannten »Anlaufsteigungen« zu betrachten, das sind kurze Neigungen, Heiler als die maßgebende Neigung, die bei der Bergfahrt mit Anlauf, d.h. mit Verlud an vorher angesammelter lebendiger Kraft, also mit Einbuße an Geschwindigkeit, überwunden werden müssen. Unmittelbar vor Bahnhöfen, wo ohnehin die Geschwindigkeit herabgemindert (und schließlich vernichtet) werden muß, kann das unschädlich sein. Auf freier Strecke dagegen ist jede Anlaufsteigung wegen des damit verbundenen, nur allmählich wieder zu gewinnenden Geschwindigkeitsverlustes möglichst zu vermeiden. Die Lokomotiven können zwar durch Vergrößerung des Dampfverbrauchs (unter Erhöhung des Fällungsgrads) kurze Zeit auch ihre Zugkraft bis zu einem gewissen Grade erhöhen, jedoch immer nur auf Kosten des Nutzeffekts, also mit Verteuerung des Betriebes, und mit der Gefahr, daß der Dampfdruck im Kessel wegen zu starken Verbrauchs zu stark sinkt. Soll auf einer Bahn eine bestimmte Lokomotivgattung mit bekannter Gewichts-, Zugkrafts- und Widerstandsgröße verwendet werden, so läßt sich eine gewisse »günstigste Steigung« finden, auf der bei der Bergfahrt der Quotient aus Zuggewicht (ohne Lokomotive) und Weglänge am größten wird. Diesem Wert wäre dann die maßgebende Steigung möglichst nahezubringen [3]. Die eingehende streng wissenschaftliche Behandlung dieses Gegenstandes mit allen einschlägigen Fragen ist von Launhardt in [4] in eingehender Weise durchgeführt.

Die Größe der Bremsneigung in Geraden oder, was dasselbe ist, des einfachen Bewegungswiderstandes auf gerader, wagerechter Bahn richtet sich nach der Güte des Gleises und der Fahrzeuge und nach der zulässigen Fahrgeschwindigkeit. Launhardt nimmt a.a.O. als Mittelwert bei deutschen Bahnen an: für Güterzüge 3,6, für Personenzüge 5,5‰.

Die Bezeichnung der Neigung geschieht, wie schon eingangs erwähnt, in verschiedener Weise; z.B. bezeichnen 0,125, 1 : 80, 1,25% und 12,5‰ dieselbe Neigung. Die Bezeichnung durch einen Dezimalbruch ist wenig üblich; die Bezeichnung durch die Länge im Verhältnis zur Höhe 1 war in Deutschland früher allgemein üblich und findet auch jetzt noch oft Anwendung, es fehlt ihr aber die richtige Anschaulichkeit, weil die Länge mit zunehmender Steigung abnimmt; sodann kann sie für die Berechnung der Ordinaten unbequem sein, z.B. bei Neigungen wie 1 : 300, 1 : 70, 1 : 90 u.s.w. Die Bezeichnungsart in Prozenten bei Straßen oder Promille bei Bahnen (wegen der im allgemeinen kleineren Steigungen) ist vorzuziehen; sie ist von jeher in den romanischen Ländern und seit langem auch in Oesterreich und in der Schweiz, wo schon früh Gebirgsbahnen gebaut wurden, in ausschließlichem Gebrauch. In Deutschland wird sie ebenfalls mehr und mehr vorhergehend. Es wird fast immer genügen, die Neigung auf halbe oder höchstens auf zehntel Promille abzurunden. Man erhält dann durchweg rationale Ordinaten und die meisten auch mit vollen Zentimetern.

Als Grenzwerte der Neigung bestimmen die Technischen Vereinbarungen des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen vom 1. Januar 1897 (§ 27) und die Grundzüge für Lokaleisenbahnen vom gleichen Tage (§ 23): für Hauptbahnen 25‰ für Nebenbahnen 30‰ für Lokalbahnen 35‰, äußerstenfalls 45‰, für Zahnradbahnen 250‰, jedoch 100‰, wenn Betriebsmittel (Wagen) von Hauptbahnen auf eignen Rädern übergehen sollen. Nach § 7 Ziff. 5–8 der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung vom 4. November 1904 darf in der Regel die Neigung auf freier Strecke bei Hauptbahnen 25‰, bei Nebenbahnen 40‰ nicht überschreiten. Die Anwendung einer stärkeren Neigung als 12,5‰ bei Hauptbahnen und 40‰ bei Nebenbahnen bedarf der Genehmigung der Landesaufsichtsbehörde und der Zustimmung des Reichseisenbahnamts. Auf Bahnhöfen darf das Neigungsverhältnis, abgesehen von Rangiergleisen, nicht mehr als 2,5‰ betragen; jedoch dürfen Ausweichgleise in die stärkere Neigung der freien Strecke eingreifen. Für Nebenbahnen können von der Landesaufsichtsbehörde Ausnahmen zugelassen werden. Steigt von zwei in entgegengesetztem Sinn und stärker als 5‰ geneigten, aneinanderstoßenden Strecken die eine mehr als 10 m an, so ist eine mindestens 500 m lange, höchstens 3‰ geneigte Zwischenstrecke einzuschieben. In die Länge von 500 m dürfen die Tangenten der Ausrundungsbogen (s. Neigungswechsel) eingerechnet werden. Bei Nebenbahnen ist ein solches Zwischenstück in der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung nicht verlangt, dagegen ist in den Technischen Vereinbarungen, die in § 27 (3) ähnliche Bestimmungen wie die für die Hauptbahnen enthalten, ein Unterschied zwischen Hauptbahnen und Nebenbahnen nicht gemacht, und in § 23 der Grundzüge für Lokaleisenbahnen heißt es: Zwischen Gegenneigungen, insbesondere solchen von 10‰ und darüber, sind wagerechte oder weniger geneigte Strecken erwünscht.

Einige Beispiele hoher Neigungen auf Reibungs-(Adhäsions-)bahnen gibt die Tabelle zu Gebirgsbahnen (Bd. 4, S. 318). In der Schweiz kommen auf einigen für regelmäßigen Verkehr bestimmten Reibungsbahnen 50‰ vor, so z.B. auf der Linie Wädenswyl-Einsiedeln. Auf der kurzen Uetlibergbahn bei Zürich geht die Steigung in der oberen Endstrecke auf 70‰;[603] diese Bahn dient jedoch nur dem Personenverkehr im Sommer, ist also in ungünstiger Jahreszeit außer Betrieb.

Solche steile Neigungen nähern sich bereits der »Grenzneigung« smax, auf welcher eine Lokomotive nur noch ihr eignes Gewicht, aber keine Nutzlast mehr bergwärts zu befördern vermag. Diese Grenzneigung smax ergibt sich nach Gleichung 2., da die Zugkraft Z der Lokomotive gleich deren Widerstand in der geraden Steigung Ws und das Zuggewicht G gleich dem Lokomotivgewicht P ist, aus Z = Ws = (wg + smax) P, somit

smax = Z/P – wg.

11.


Hat die Lokomotive nur Triebachsen, so daß das volle Gewicht P zur Erzeugung der Zugkraft dient, und ist die Reibung zwischen den Triebrädern und den Schienen f, so ist ihre größtmögliche Zugkraft Zmax = f P, also

smax = f – wg.

12.


Bei mittlerer Witterung kann f zu 1/7 = 0,143 = 143‰ gerechnet werden. Ist nun z.B. wg = 10‰ (10 kg auf 1 t Zugsgewicht), so wird smax = 143 – 10 = 133‰ = 1 : 7,5. Bei ungünstigem Wetter kann aber f und damit smax sehr herabsinken, z.B. auf 90 – 10 = 80‰ oder 1 : 121/2 und weniger.

Bei Neigungen über 25–30‰ wird die Nutzleistung der Lokomotiven bei einer Reibungsbahn schon recht klein und sehr von den Witterungsverhältnissen wegen der wechselnden Reibungsgröße abhängig. Um eine bestimmte Leistung jederzeit zu sichern, kann auf Bahnen mit einzelnen steileren Strecken die Einlegung von Zahnstrecken, also eine »gemischte Bahn«, vorteilhaft sein. Die Lokomotive erhält dann meistens zwei unabhängig voneinander arbeitende Zylinderpaare, von denen das eine die Reibungs-, das andre die Zahntriebräder in Bewegung setzt.

Die Zugkraft der Lokomotiven und die Neigungen der Bahn sind dann so zu bemessen, daß die Lokomotive auf der steilsten Zahnradstrecke, mit beiden Zylinderpaaren arbeitend, die gleiche Zuglast zu befördern imstande ist wie auf der steilsten Reibungsstrecke mit den auf die Reibungstriebräder wirkenden unter Ausnutzung des ganzen auf den Triebrädern ruhenden Gewichts. In den Reibungsstrecken geht die Neigung zweckmäßig nicht über 25, höchstens 30‰ hinaus, während die Zahnstrecken bis 125‰ Neigung erhalten können; z.B. sind die größten Neigungen der Reibungs- und der Zahnradstrecken auf der Bahnstrecke Freudenstadt- Klosterreichenbach 20‰ und 50‰, auf der Harzbahn (Blankenburg-Taum) 25‰ und 60‰, auf der Bahn Visp-Zermatt 25‰ und 125‰ u.s.w. [7]. Vermittelst Einlegung einer Zahnstangenstrecke kann eine bestimmte Leistung noch auf Steigungen gesichert werden, wo dies sonst nicht möglich ist. Die Zahnstange hat sich auch (u.a. bei der bosnischen Schmalspurbahn) als ein vortreffliches Mittel erwiesen, selbst im Winter bei vielem Schnee den Betrieb aufrechtzuerhalten, wenn die tieferliegenden Reibungsbahnen bereits versagten [5], [6].

Durch die Heitere Neigung kann an Länge der Bahn und meist auch an Erdarbeit und Bauwerken, also an Baukosten, erheblich gespart werden, wogegen allerdings die Mehrkosten für die Zahnstangenschiene hinzukommen. Der größere Zeitaufwand der Fahrt auf den Zahnstrecken kann unter Umständen durch die Kürzung der Linie aufgewogen werden und im ganzen wird an Zugkilometern gespart. Solange bei der Zahnstangenstrecke die Neigung gewisse Grenzen (etwa 70‰) nicht überschreitet und zu scharfe Krümmungen vermieden werden, kann eine solche gemischte Bahn unter Umständen auch für größeren Verkehr vorteilhafter sein als eine reine Reibungsbahn, da die Wagen der letzteren ohne weiteres auf die Zahnstrecken mit übergehen können und nur die Lokomotiven mit Zahnrädern versehen zu sein brauchen. – Weiteres hierüber s. Zahnstangenbahnen und [5]–[7].

Bei Bergbahnen mit reinem Zahnradbetrieb [7] gehen die Neigungen bis zu 250‰ (Rigi, Rothorn, Wengernalp, Schynige Platte u.a.); bei der Pilatusbahn sogar bis 480‰, was jedoch für Lokomotivbetrieb wegen des toten Gewichts der Maschine sehr ungünstig ist. Seilbahnen (s.d.) haben Neigungen bis zu 600‰ (Salvatore, Murren, Stanserhorn) [2], [8].


Literatur: [1] Goering, Eisenbahnbau in dem Taschenbuch der »Hütte«, 19. Aufl., 1905. -[2] Handbuch der Ingenieurwissenschaften, Bd. 5, 1. Abt., 2. Kap., Bahn und Fahrzeug, Leipzig 1897, und 8. Abt., Lokomotivsteilbahnen und Seilbahnen, Leipzig 1901.- [3] Neigungsverhältnis, in Rölls Encyklopädie des Eisenbahnwesens, Bd. 5, Wien 1893. – [4] Launhardt, Theorie des Trassierens, Hannover 1887–88. – [5] Schneider, A., Erfahrungen im Bau und Betriebe der Zahnradbahnen, Berlin 1894. – [6] Zezula, Im Bereich der Schmalspur, Sarajewo 1893. – [7] Eisenbahntechnik der Gegenwart, Bd. 2, 1. Abschn., Linienführung und Bahngestaltung, Wiesbaden 1897; Bd. 4, Zahnbahnen, Wiesbaden 1905. – [8] Strab, E., Bergbahnen der Schweiz, Wiesbaden, I. Drahtseilbahnen, 1900, II. Reine Zahnradbahnen, 1902. – [9] Kreuter, Fr., Linienführung der Eisenbahnen, Wiesbaden 1900.

Kübler.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.

http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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