Volksbibliothek

Volksbibliothek

Volksbibliothek mit Lesehallen bilden eines der wichtigsten Volksbildungsmittel, was in Deutschland erst allmählich erkannt wurde, nachdem sie[830] in den Vereinigten Staaten Nordamerikas wie auch in England als Stätten zur Verbreitung allgemeiner Volksbildung zuerst durch Wohltäter, später auch von Stadtverwaltungen gegründet und mit reichsten Mitteln ausgestattet wurden.

Heute besteht in den Vereinigten Staaten kaum eine kleine Stadt ohne eine solche, die großen Städte aber sind mit vielen Zweigbibliotheken versehen, welche die freieste Benutzung für alle Klassen der Bevölkerung gewähren. Als hochherzigster Stifter verdient Andrew Carnegie hervorgehoben zu werden, der mehr als 150 Städte in Amerika sowie mehrere in England mit einem Kostenaufwand von zusammen etwa 80 Millionen Mark beschenkt hat. – In Deutschland, wo die großen wissenschaftlichen Bibliotheken der einzelnen Staaten und der Hochschulen bestehen, hat die Einrichtung dieses Bildungsmittels erst seit kurzem Eingang gefunden. Durch eine Bewegung Gelehrter sowie der Arbeiterbildungsvereine wurden in einer Anzahl von Städten, wie Freiburg i. B., Charlottenburg u.a.m., sowie auch in größeren Fabriken, wie F. Krupp in Essen, solche gegründet und allmählich erweitert, welche den Beweis liefern, daß solche Anstalten von höchstem Wert für Verbreitung allgemeinen Wissens sind.

In der baulichen Anordnung bildet der Lesesaal den Hauptraum, der bei größerer Ausdehnung in mehrere Abteilungen getrennt wird (für Zeitungen, Frauen, Kinder). Zu diesen führt der Haupteingang durch den Abgaberaum, das Nachschlage- und Katalogzimmer, an die anderseits das Büchermagazin anschließt. Hinzu kommen: Vorstandszimmer, Diener- und Waschraum, Aborte. Ost ist eine Leihbibliothek, ein Vortrag- oder Konzertsaal mit besonderem Eingang damit verbunden, die in das Obergeschoß gelegt werden können. Auch hat man, um die Benutzung des Lesesaals für die ernsten Leser zu sichern und störende Besucher tunlichst fernzuhalten, in den größeren Anstalten [4] die Lesesäle in das oberste Stockwerk gelegt und damit gute Ergebnisse erzielt. Zur Ersparnis an Personal ist große Uebersichtlichkeit der Räume erforderlich.


Literatur: [1] Baukunde der Architekten, II. Bd., 2. Teil, 2. Aufl., Berlin 1899, II.: Bibliotheken, S. 191–210. – [2] Wohlfahrtseinrichtungen von Fr. Krupp in Essen, II. Bd., 3. Ausgabe. – [3] Building news, free public libraries, Bd. 58, S. 195, 789, 896; Bd. 59, S. 70, 138, 206, 349, 495, 601, 674; Bd. 60, S. 2, 155, 323, 462, 562, 697; Bd. 61, S. 210, 422, 564. – [4] Public libraries in the United States, Washington 1876. – [5] Greenwood, Th., Public libraries, London 1894. – [6] Greve, Das Problem der Bücher- und Lesehallen, Leipzig 1896. – [7] Roß, R., Oeffentliche Bücher- und Lesehallen, Hamburg 1897. – [8] E. Reyer, Entwicklung und Organisation der Volksbibliotheken, Leipzig 1893. – [9] Ders., Fortschritte der volkstümlichen Bibliotheken, Leipzig 1903. – [10] Buchholtz, A., Die Volksbibliotheken und Lesehallen der Stadt Berlin, Festschrift 1850–1900. – [11] Schultze, E., Freie öffentl. Bibliotheken und Lesehallen, Stettin 1900.

Weinbrenner.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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