- Werksteinbearbeitung
Werksteinbearbeitung. Der aus dem Steinbruch bezogene rohe Quader muß in seinen Abmessungen ein das herzustellende Werkstück umhüllendes Parallelepiped um einige Zentimeter, den sogenannten Arbeitszoll, nach jeder Richtung hin übertreffen. Dieser so aus dem Bruch kommende roh zugerichtete Stein wird vom. Steinmetz in einer solchen Höhe aufgebankt (s. Aufbanken), daß er zunächst die später als Lager dienende Oberfläche des Steins bequem bearbeiten kann. An dieser wird zunächst mit dem Schlageisen an der einen Kante ein »Schlag«, d.h. ein ebener, schmaler Streifen angearbeitet, auf welchen das Richtscheit seiner Breite nach gelegt werden kann, über welches auf der entgegengesetzten Seite ein zweites Richtscheit parallel einvisiert (Fig. 1) und auf diese Weise die Linie für den zweiten, dem ersten parallelen, Schlag vorgezeichnet wird. Nach Ausführung dieses zweiten Schlages ist die Ebene der Lagerfläche bestimmt, so daß nach Herstellung der beiden verbindenden Seitenschläge der rauh stehengebliebene mittlere Teil, der sogenannte Posten, abgearbeitet werden kann, wobei man das Richtscheit öfter in verschiedenen Richtungen auf die in Arbeit befindliche Fläche legt, um zu prüfen, ob diese auch »eben« wird. Von dieser so abgearbeiteten Lagerfläche aus werden die Schläge für die Seitenflächen bei rechtwinkligen Steinen mit Hilfe des eisernen Winkels abgewinkelt, worauf in gleicher Weise die Seitenflächen bearbeitet und schließlich von ihnen aus die obere Lagerfläche des Steins durch Aufzeichnen der Schlaglinien abgeleitet werden kann. Hat der zu bearbeitende Stein eine kompliziertere Gestalt, so wendet man zum Uebertragen stumpfer oder spitzer Winkel die Schmiege (s.d.) an oder überträgt die Seitenflächen durch die mittels der Abbrettung erhaltenen Schablonen oder bestimmt durch Stichmaß die Ecken und Kanten des auszuhauenden Steins. Zur Bearbeitung gekrümmter Flächen werden bei abwickelbaren Flächen (Zylinder-, Kegel- und windschiefe Flächen) die Endpunkte a a', b b' u.s.w. (Fig. 2 und 3) der Erzeugenden auf den Lagerflächen aufgetragen, dann wird mit dem Nuteisen (s.d.) in jeder dieser Richtungen eine Nut eingearbeitet und die gerade Verbindung der Endpunkte durch häufiges Einlegen eines Richtscheites nachgeprüft, schließlich werden die zwischen den Nuten stehengebliebenen Polten abgearbeitet. Je dichter die Lagen der Erzeugenden gewählt werden, um so genauer kann die Herstellung der gekrümmten Fläche erfolgen. Sphärische Flächen dagegen müssen auf der Drehbank abgedreht werden. Das Abarbeiten des zwischen den Schlägen rauh stehengebliebenen Teils der Seitenflächen (Posten) geschieht durch mehrmaliges Ueberarbeiten je nach der Härte des Steins in verschiedener Weise Bei weicheren Steinarten wird die rauhe Fläche zuerst mit dem Spitzeisen oder der Zweispitze bearbeitet (gespitzte oder bossierte Fläche), worauf das Kröneleisen zur Anwendung kommt (gekrönelte Fläche). Dann kann das Scharriereisen benutzt werden, wobei die Fläche sein gestreift erscheint (scharrierte Fläche), während der Schlag am Rande immer noch ein etwas tiefer liegender glatter Streifen bleibt. Soll dieser verschwinden, so daß die Fläche eine vollkommen glatte wird (Lagerflächen, Seitenflächen von Fenster- und Türgewänden, Treppentritten u.s.w.), so werden die Flächen geschliffen, was bei Sandstein dadurch geschieht, daß die scharrierte Fläche erst mit einem gröberen, dann mit einem feineren Sandsteinstück unter Begießen mit Wasser abgerieben wird. Bei harten Steinen (Granit, Syenit u.s.w.) wird statt des Spitzeisens die Fläche und statt des Kröneleisens der Stock- oder Kraushammer[918] benutzt (gestockte Fläche). Ein Polieren der Flächen durch Grünstein und Blutstein wird nur in besonderen Fällen bei harten und politurfähigen Gesteinen (Marmor, Granit u.s.w.) angewendet. Soll der Materialverlust, welcher durch das Anliefern der Steine mit dem »Arbeitszoll« entsteht, vermieden werden, so verwendet man bei weicheren Gesteinsarten zur Herstellung der Quadern die Steinsäge, durch welche man Flächen erhält, die bloß scharriert und allenfalls geschliffen zu werden brauchen. In neuerer Zeit werden die Steine auch vielfach mit Maschinen bearbeitet (s. Steinbearbeitungsmaschinen).
Literatur: Handbuch der Arch., Darmstadt 1880, I. Teil, Bd. 1, 1. Hälfte, S. 91; Gottgetreu, Lehrb. der Hochbaukunst, Berlin 1880, I. Teil, S. 56; Ders., Baumaterialien, 3. Aufl., Berlin 1879, I. Teil, S. 195; Wanderley, Die Konstrukt. in Stein, Leipzig 1878, S. 127; Menzel und Schwatlo, Der Steinbau, Leipzig 1879, S. 18; Exner, W.F., Die technischen Hilfsmittel des Steinbildhauers, Wien 1877.
L. v. Willmann.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.