- Gleichgewichtsfiguren
Gleichgewichtsfiguren. Tritt zwischen Kräften, die an einem veränderlichen [561] System angreifen, Gleichgewicht ein, so nimmt das System dabei eine bestimmte geometrische Form an, die eine Gleichgewichtsfigur desselben heißt.
So sind die Fadenkurven (s.d.) Gleichgewichtsfiguren einer vollkommen biegsamen, aber unausdehnsamen Linie, z.B. die Kettenlinie für eine homogene schwere solche Linie; ist der Faden zugleich dehnbar, so weicht die Gleichgewichtsfigur desselben von der Kettenlinie ab, wenn sie auch im allgemeinen ähnliche Gestalt hat. So kann eine gleichförmig elastische gerade Strecke, auf deren Enden zwei Kräfte wirken, verschiedene Gleichgewichtsfiguren haben, die ebene oder auch doppelt gekrümmte Kurven sind. Sie wurden schon von Euler in seinem Werke: Methodus inveniendi lineas curvas maximi minimive proprietate gaudentes; Lausannae et Genevae 1774 (Additamentum I, de curvis elasticis, S. 245310), untersucht und in neuerer Zeit von Greenhill mit Hilfe der elliptischen Funktionen dargestellt. S. Greenhill, Graphical representation of elliptic functions by means of a bent elastic beam (Messenger of Mathem. 1876, Bd. 5, S. 180).
Es gibt Gleichgewichtsfiguren des ruhenden wie des bewegten Systems. So kann eine inkompressible Flüssigkeit als ein unveränderliches System um eine feste Achse mit konstanter Winkelgeschwindigkeit unter Einwirkung gegebener Kräfte rotieren und die freie Oberfläche eine Gleichgewichtsfigur annehmen. Ist die Flüssigkeit schwer und in einem vertikalen Zylinder enthalten, dessen Achse zugleich die Rotationsachse ist, so nimmt ihre Oberfläche die Gestalt eines Rotationsparaboloides an. Ebenso kann die Oberfläche einer flüssigen Masse, deren Punkte sich nach dem Newtonschen Gesetz des umgekehrten Quadrates der Entfernung anziehen, wenn sie um eine Achse rotiert, die Gleichgewichtsfigur eines Rotationsellipsoides um diese Achse annehmen. Jacobi bewies (Poggendorffs Annalen 1834, Bd. 33, S. 229), daß auch das dreiachsige Ellipsoid Gleichgewichtsfigur einer solchen rotierenden Masse sein kann (vgl. Schell, Theorie der Bewegung und der Kräfte, Leipzig 1879, Bd. 2, S. 609618). Neuerdings hat Poincaré (Acta mathematica, Bd. 7, S. 259) ringförmige und birnförmige Gleichgewichtsfiguren dieser Art gefunden und die Stabilität dieser und der andern untersucht.
Von besonderem Interesse sind die Untersuchungen von Plateau über die Gleichgewichtsfiguren einer der Schwere entzogenen flüssigen Masse, für welche die Kapillarkräfte ausschlaggebend sind: Mémoire sur les phénomènes, que présente une masse liquide, libre et soustraite à l'action de la pesanteur, 1re partie (Mémoires de l'Académie de Belgique, 1843, Bd. 16) und Recherches expérimentales et théoriques sur les figures d'équilibre d'une masse liquide sans pesanteur, 2me série (Mém. de l'Acad. de Belgique, 1849, Bd. 23).
(Schell) Finsterwalder.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.