Kolloide [1]

Kolloide [1]

Kolloide, lösungsfähige feste Körper, deren Lösungen sich in vieler Hinsicht erheblich von den im Gegensatz zu ihnen Kristalloide (s.d.) genannten unterscheiden. Zunächst sind Kolloide nicht kristallisierbar, sie diffundieren (s. Diffusion) ungemein langsam, besitzen einen auffallend geringen osmotischen Druck, erniedrigen kaum den Dampfdruck und Gefrierpunkt, erhöhen den Siedepunkt ihres Lösungsmittels sehr wenig, und viele von ihnen sind imstande, gelatinierende Lösungen zu geben. Alle diese Eigenschaften finden eine Erklärung in der Annahme einer abnormen Größe der Kolloidmolekeln.

Die üblichen Methoden zur Bestimmung des Molekulargewichts (s.d.), gegen deren Gültigkeit bei Kolloiden kein Grund spricht, ergeben Molekulargewichtszahlen von nicht viel unter 1000 an bis zu Zahlen von der Größe ca. 50000. Einige der wichtigsten Kolloide sind Kieselsäure, Tonerdehydrat, Eisenoxydhydrat und viele andre Metallhydroxyde, Stärke, Dextrin, Gummiarabikum, Karamel, Tannin, Eiweiß und Leim (Gelatine), von dessen letzteren griechischem Namen der Name der Körperklasse flammt. Es haben sich z.B. folgende Molekulargewichte ergeben, welche teils als nur ungefähr richtig, jedenfalls als Minimalwerte anzusehen sind, da die häufig mögliche Verunreinigung mit Kristalloiden zu geringe Molekulargewichte ergeben würde:


Kolloide [1]

Für die langsame Diffusion der Kolloide zeugen folgende Angaben von Graham, dem Entdecker dieser Körperklassen: Es diffundieren gleich weit in Zeiten, die sich wie die nebenstehenden Zahlen verhalten:


Kolloide [1]

Auf dieser ungeheuer verschiedenen Diffusionsgeschwindigkeit beruht auch im wesentlichen die Reinigung der Kolloide von Kristalloiden, indem man nämlich letztere aus ihnen hinaus diffundieren läßt. Eine noch handlichere Trennungsmethode bietet die Dialyse (s.d.), welche auf der Unfähigkeit der Kolloide beruht, die Poren der verschiedensten Membranen, z.B. Pergament, zu durchdringen, wohl wegen der Größe ihrer Molekeln. Anscheinend aus demselben Grunde kann ein Lösungsmittel, welches mit einem Kolloid bis zum Gelatinieren gesättigt ist, kein andres Kolloid mehr aufnehmen, während ja gesättigte Lösungen von Kristalloiden für andre Kristalloide noch annähernd dieselbe Lösungsfähigkeit besitzen wie das reine Lösungsmittel (vgl. Löslichkeit). Gelatinierte Kolloidlösungen verhalten sich Kristalloiden gegenüber in ihrem Lösungsvermögen wie das reine Lösungsmittel, auch die Diffusion und das elektrolytische Leitungsvermögen von Kristalloiden in solchen (mit Gelatine oder Agar-Agar) gelatinierten Lösungen wird durch die Anwesenheit des Kolloids nur unwesentlich beeinflußt. Kolloidlösungen gerinnen (gelatinieren) durch Temperaturerniedrigung oder Zusatz kleiner Mengen fremder Körper, und solche gelatinierte Lösungen verhalten sich vergleichbar einem mit Flüssigkeit vollgesogenen Schwamm, dessen Substanz dem Kolloid entsprechen würde. Man kennt auch kolloidale Lösungen andrer Lösungsmittel als Wasser, z.B. Kautschuk in Benzol und Tannin in Eisessig.

Man unterscheidet reversible Kolloide, die nach Ausscheidung (Koagulierung) aus ihren Lösungen wieder in Lösung gebracht werden können (z.B. Gelatine, Dextrin), und irreversible, wie Stärke, Kieselsäure, Eisenhydrat, die dann unlöslich bleiben.


Literatur: Nernst, Theoretische Chemie, Stuttgart 1906; Graham, Liebigs Annalen, 121, 1 (1862); Sabanejeff, Journ. russ. Ges., 1, 80 (1891).

Abegg.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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