Hydrocellulose

Hydrocellulose

Hydrocellulose. Unter bestimmten Bedingungen wirken verschiedene Agenzien auf Cellulose in der Weise ein, daß zunächst ein eigentümliches, nach dem Vorgang von Girard von den meisten Forschern als Hydrocellulose bezeichnetes Produkt gebildet wird, dessen quantitative Zusammensetzung trotz zahlreicher Untersuchungen noch nicht in einwandfreier Weise festgestellt ist.

Als Agenzien, welche die Cellulose in Hydrocellulose überzuführen vermögen, sind in erster Linie die Mineralsäuren sowie die Ameisen-, Essig-, Oxal-, Wein- und Zitronensäure zu nennen. Dabei ist zu beachten, daß manche Säuren gleichzeitig esterartige Verbindungen liefern oder aber eine weitergehende, schließlich zur Bildung von Traubenzucker führende Hydrolyse der Cellulose bewirken können. Weiterhin läßt sich die Umwandlung auch mittels Kupferoxydammoniak, Chlorzink, Aluminiumchlorid, Kaliumchlorat und Salzsäure, Kaliumpermanganat u.s.w. bewerkstelligen und außerdem wird die Cellulose durch andauerndes Kochen mit konzentrierter Natronlauge in der gleichen Weise verändert. Dagegen bedarf die Angabe von Tauß [1], wonach Cellulose beim bloßen Erhitzen mit Wasser im geschlossenen Gefäß auf 210–215° in Hydrocellulose übergehen soll, noch der Bestätigung. – Zur Herstellung von Hydrocellulose für technische Zwecke eignen sich besonders die von Girard-Vieille [2] und von Sthamer [3] gegebenen Vorschriften, nach denen Cellulose in Form von Baumwolle ca. 36 Stunden lang mit kalter Salzsäure von 1,15 spez. Gew. in Berührung gelassen bezw. bei 65–70° in freies Chlor enthaltenden Eisessig eingetragen wird. Dadurch wird die Baumwolle zerfasert, ohne in Lösung zu gehen und nach dem Zerreiben, Auswaschen und Trocknen resultiert ein weißes Pulver, das unter dem Mikroskop noch organisierte Struktur aufweist und neben Hydrocellulose noch Teile des Ursprungsmaterials enthält. Derartige Produkte finden bei der Fabrikation von Acetaten und von Nitraten der Hydrocellulose Verwendung, und die betreffenden Präparate spielen ihrerseits in der Kunstfädenindustrie und in der Sprengtechnik eine gewisse Rolle. Amorphe Hydrocellulose von gleichförmiger Beschaffenheit und einheitlicher Zusammensetzung liegt in der von Bumcke und Wolffenstein [4] als Acidcellulose bezeichneten Hydratationsstufe der Cellulose vor, die außer durch Auflösen von Baumwolle in Kupferoxydammoniak – Holzcellulose ist nach Riesenfeld und Taurke (Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft, Bd. 38, 2798) in Kupferoxydammoniak unlöslich, löst sich dagegen in einer ammoniakalischen Kupferkarbonatlösung leicht auf – oder in kochender 30 prozentiger Natronlauge und Fällen dieser Lösungen mit verdünnten Säuren auch dadurch erhalten werden kann, daß man denitriertes Pyroxylin in verdünnte Natronlauge oder aber in konzentrierte Salzsäure einträgt und die eventuell zuvor filtrierten Flüssigkeiten mit Säure bezw. mit viel Wasser versetzt. Auf dieselbe Weise läßt sich Acidcellulose auch aus den nach den Vorschriften von Girard-Vieille und Sthamer hergestellten Produkten erhalten. Die in Form weißer Flocken ausgefällte Acidcellulose löst sich im noch feuchten Zustand schon bei gewöhnlicher Temperatur vollkommen in 10 prozentiger Natronlage auf und wird aus dieser Lösung durch sehr konzentrierte Alkalilauge, durch Säuren, Salze und Alkohol wieder abgeschieden. Konzentrierte Salzsäure wirkt gleichfalls lösend; durch Zusatz von Wasser scheidet sich die Acidcellulose wieder ab, wenn die Lösung nicht zuvor erwärmt oder mehrere Stunden lang sich selbst überlassen war. Nach dem Trocknen stellt die Acidcellulose eine hellgraue spröde Masse dar, die sich in Natronlauge wie in Salzsäure nur noch sehr langsam und unvollständig auflöst. Ob alle Hydrocellulosen im wesentlichen aus Acidcellulose bestehen, ist angesichts des Umstands, daß manche der in der Literatur über das Verhalten der Hydrocellulose gegen Agenzien vorliegenden Angaben einander widersprechen, zurzeit noch unsicher [5]. Außerdem ist zu beachten, daß einzelne Forscher die Hydratationsprodukte der Cellulose unzutreffenderweise als Oxydationsprodukte aufgefaßt und dementsprechend als Oxycellulosen (s.d.) bezeichnet haben.


Literatur: [1] Dingl. Polyt. Journ., S. 273, 276. – [2] Mémorial des Poudres et Salpêtres, Bd. 2, S. 23. – [3] Franz. Patent Nr. 304723; Chemikerztg., Bd. 25, S. 270. – [4] Berichte der Deutschen Chem. Gesellsch. 1899, S. 2493. – [5] Lippmann, E. v., Die Chemie der Zuckerarten, 3. Aufl., S. 1617, Braunschweig 1904.

Häußermann.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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