Essig

Essig

Essig, eine 3–13prozentige wässerige Lösung von Essigsäure.

Je nach Herkunft unterscheidet man:

1. Weinessig, der, mit Wein hergestellt, neben Essigsäure noch Weinsäure, Bernsteinsäure, Glyzerin sowie Ester dieser Säuren enthält, die dem Weinessig den angenehmen aromatischen Geruch verleihen. 2. Obstessig, aus Aepfeln und Birnen gewonnen und daher neben Essigsäure noch Apfelsäure enthaltend. 3. Branntwein- oder Spiritusessig, der geringe Mengen von Essigäther und Aldehyd aufweist. 4. Bier-, Malz- oder Getreideessig, eine aus ungehopfter Bierwürze gewonnene wässerige Lösung von Essigsäure und von geringen Mengen von Aldehyd, Dextrin, stickstoffhaltigen Substanzen und phosphorsauren Salzen. 5. Rübenessig, der aus dem Saft der zu einem Brei verriebenen und abgepreßten Rüben dargestellt wird, indem man den Saft mit Wasser verdünnt, zur Abscheidung der Eiweißstoffe aufkocht und nach dem Abkühlen durch Einsaat von Hefe zunächst einer alkoholischen, dann einer sauren Gärung unterwirft. 6. Aus reiner Essigsäure, durch Verdünnen mit Wasser bereiteten Essig, sogenannte Essigessenzen, was natürlich nur dann lohnend ist, wenn die Herstellung der reinen Essigsäure sich billiger stellt als die des Essigs aus irgend einem der vorgenannten Rohmaterialien. Als Speiseessig dienen vornehmlich Weinessig und Branntweinessig. Malzessig enthält 3–5%, Branntweinessig 3–13%, Weinessig 5–7% Essigsäurehydrat. Der aromatische Essig des Arzneibuchs für das Deutsche Reich ist eine Mischung einer ganzen Reihe von ätherischen Oelen, wie Lavendel-, Rosmarin-, Zimt-, Nelkenöl u.s.w., in alkoholischer Lösung mit verdünnter Essigsäure. Derselbe ist ein bekanntes Desodorifizierungsmittel, verdankt jedoch diese Eigenschaft nicht so sehr dem Gehalt an Essigsäure als vielmehr dem an aromatischen Oelen. Schließlich sei noch der sogenannte medizinische Essig erwähnt, Auszüge verschiedener heilkräftiger Pflanzenstoffe mit verdünnter Essigsäure, von denen das Arzneibuch für das Deutsche Reich nur noch den Meerzwiebelessig aufführt.

Handelt es sich um die Darstellung von verdünnten Essigsäurelösungen, die als Essig bei der Zubereitung von Speisen u.s.w. Verwendung finden, so geschieht dieselbe durch Oxydation alkoholischer Flüssigkeiten. Als solche dienen Wein, Bier, verdünnter Branntwein, vergorene Obstsäfte, vergorene Malzauszüge, vergorener Rübensaft, und je nach dem angewendeten Ausgangsmaterial unterscheidet man das gewonnene Produkt als Weinessig, Bieressig, Branntweinessig, Obstessig, Malz- oder Getreideessig und Rübenessig.

Unter der einfachen Bezeichnung »Weinessig« wird nach handelsüblichem Gebrauch und nach den Vereinbarungen des Deutschen Weinessigfabrikantenverbandes, eingetragener Verband, nur solcher Essig verstanden, der mit mindestens 20% Wein hergestellt ist, dagegen muß »echter Weinessig« nur aus Wein hergestellt sein. Die Oxydation selbst beruht auf der Wirkung eines Pilzes, dessen Keime in der Luft stets vorhanden sind, des Essigpilzes, Essigfermentes (Mycoderma aceti), und dessen Lebenstätigkeit darin besteht, wie Pasteur gefunden hat, Sauerstoff aus der Luft aufzunehmen und durch Uebertragen desselben auf verdünnten Alkohol die Oxydation des letzteren, die sogenannte Essiggärung, herbeizuführen. Das Leben und die Entwicklung dieser Pflanze ist jedoch an ganz bestimmte Bedingungen geknüpft. Diese sind erfüllt, wenn das Ferment in steter Berührung mit Luft bei Temperaturen nicht unter 10° und nicht über 35° ist, der Gehalt der Flüssigkeit an Alkohol 10 Volumprozente nicht übersteigt, die für die niederen Organismen nötigen Nährsalze und eine gewisse Menge Essig vorhanden sind. Wird dem Pilz der Sauerstoff der Luft entzogen (gerät er z.B. durch irgend welche Ursachen unter die Oberfläche der Flüssigkeit), so hört seine Wirksamkeit auf und es tritt die Bildung der sogenannten Essigmutter ein (s.d.). Ferner können ihm die Siedelungen der zu den Haarwürmern gehörenden Essigälchen, die in den der Essigfabrikation dienenden Apparaten häufig vorkommen, gefährlich werden. Da diese zum Atmen des Sauerstoffs bedürfen, so suchen sie die an der Oberfläche der Flüssigkeit befindliche Pilzdecke zu durchbrechen, und es hängt allein von der üppigen Vegetation derselben ab, wenn sie dem Angriff der Tiere erfolgreich widersteht.

Es sind hauptsächlich zwei Verfahren zur Bereitung von Essig in Anwendung. Das ältere sogenannte Orleansverfahren ist heute noch sowohl in Deutschland wie in Frankreich das einzige und beste, das sich zur Weinessigfabrikation eignet. Die Oxydation vollzieht sich hier langsam; gerade durch diese langsame Oxydation bleiben dem fertigen Weinessig die Bukettstoffe der hierzu verwendeten Weine fast vollständig erhalten, was nicht der Fall ist, wenn selbst die beste Weinessigmischung (Weinessigansatz) auf dem Wege der Schnellessigfabrikation in Essig übergeführt wird; dabei verschwindet durch diese rasche Gärung fast alles Aroma. Bei dem Orleans- oder dem Parteiverfahren dauert die Oxydation mindestens 2–4 Wochen (je mehr Wein, je länger), dagegen bei der Schnellessigfabrikation (nach Schützenbach) höchstens 4–5 Stunden (daher auch der große Verlust an Bukett). Weinfässer oder Säurefässer aus Eichenholz, sogenannte Mutterfässer, werden ausgebrüht und mit siedendem Essig eingesäuert. Um der Luft den[513] nötigen Zutritt zu verschaffen, sind in dem oberen Deckel Löcher eingebohrt; unten am Faß befindet sich ein Ablaßhahn. Jedes Faß wird nun etwa mit 100 l Wein, dem Essiggut, beschickt; nach 8 Tagen werden 10 l nachgefüllt und dann in den gleichen Zeiträumen abermals dieselbe Menge, so lange, bis das Faß zu 2/3 gefüllt ist. Nachdem das ganze Quantum des aufgegebenen Weins in Essig übergegangen ist, ein Zeitpunkt, der ungefähr in 14 Tagen nach dem letzten Weinzusatz erreicht ist, wird die Hälfte des fertigen Essigs abgezogen und die gleiche Menge Wein wieder aufgegeben. Der Essig wird in Klärbehältern gesammelt und hier vor Luftzutritt und dem Eindringen des Essigpilzes geschützt aufbewahrt. Der so gewonnene Weinessig zeichnet sich durch Aroma aus. Der Betrieb kann jahrelang fortgesetzt werden, bis schließlich die Ansammlung von Weinstein, Hefenabsatz u.s.w. eine Reinigung erheischen.

Verdünnte Lösungen von Alkohol säuern bekanntlich nicht an der Luft, eine Erscheinung, die auf dem Mangel dieser Lösungen an Nährsalzen, deren der Essigpilz zu seiner Existenz bedarf, beruht. Pasteur setzt daher der zu säuernden Alkoholmischung – Alkohol, Wasser und Essig – die entsprechenden Mengen (die Summe des Salzgemisches beträgt 1/10000% der Flüssigkeit) an NährsalzenPhosphate von Kalium, Ammonium, Calcium und Magnesium – zu und sät den Pilz aus. Als Essiggut kann, nachdem die Säuerung einmal eingeleitet ist, die Alkoholmischung oder aber Wein oder mit Alkohol vermischtes Bier verwendet werden. Nach beendetem Prozeß werden die Pilze gesammelt, gewaschen und dienen dann zur neuerlichen Benutzung. Nach dem Pasteurschen Verfahren wird in einigen Betrieben gearbeitet, ohne daß durch dasselbe jedoch eine größere Leistungsfähigkeit erzielt wird.

Das zweite Verfahren, die Schnellessigfabrikation von Schützenbach, bringt das Essiggut durch eine möglichst große Oberfläche, ohne daß dadurch ein größerer Raum beansprucht wird, in die innigste Berührung mit Luft und oxydiert dadurch große Mengen Alkohol in kurzer Frist und mit geringstem Verlust zu Essigsäure. Die verwendeten Fässer, Gradierfässer, Essigständer oder Essigbildner, sind 2–4 m hoch bei einem Durchmesser von 1–1,3 m. In eine Höhe von 20–30 cm über dem unteren Boden sind im Umkreis des Fasses in gleichen Entfernungen voneinander sechs Luftzuglöcher von etwa 3 cm Durchmesser mit einem Gefälle nach innen eingebohrt. Ungefähr i/3 m über dem Boden ist ein siebähnlich durchlöcherter falscher Boden angebracht, der zur Unterlage von ausgelaugten, getrockneten und spiralig gerollten Buchenholzspänen dient, die ihrerseits den Ständer bis auf etwa 15–20 cm unter dem oberen Rand erfüllen. Die aufgeschichteten Späne werden dann mit erwärmtem Essig übergossen und die Fässer, damit der Essigdunst das Holz in der nötigen Weise durchdringen könne, bedeckt 24 Stunden sich selbst überlassen. 18–24 cm unter dem oberen Rand des Ständers liegt ein hölzerner Siebboden mit möglichst vielen Löchern in der Weise eines Gänsekieles. Durch diese ragen Bindfäden oder kleine gläserne Heberöhrchen etwa 3 cm weit in den mit Spänen erfüllten Raum hinein und erfüllen den Zweck, das auf den Siebboden aufgegebene Essiggut in vielen einzelnen dünnen Strahlen über die Späne rieseln zu lassen. Fünf bis acht größere Bohrlöcher in dem oberen Siebboden, in die etwa 8 cm hoch aufragende Glasröhren zur Verhinderung des Einfließens des Essiggutes in die Ständer eingesetzt sind, sorgen für den Abzug der durch die Zuglöcher unten eingetretenen, im Ständer ihres Sauerstoffs beraubten Luft. Infolge dieser Sauerstoffabgabe entwickelt sich im Apparat Wärme genug, um ein fortwährendes Strömen der Luft von unten nach oben zu veranlassen. Der Ständer wird oben mit einem Deckel verschlossen, der mitten durch ein Loch durchbrochen ist, durch welches das Essiggut aufgegeben wird und die Luft den Apparat verläßt. Zwei bis vier solcher Ständer bilden eine Gruppe. Das aus dem ersten Fasse abfließende Essiggut wird im zweiten aufgegeben u.s.w., bis unter jedesmaliger Zugabe von etwas alkoholhaltiger Mischung möglichst aller Alkohol in Essig übergeführt ist; mehr als 0,3–0,5% Alkohol soll fertiger Essig nicht enthalten. Als Essiggut wird Branntwein, mit wenig Malzauszug, Bier oder Wein benutzt. Auf 20 l Branntwein von 50% Tralles kommen gewöhnlich 20 l Essig und 60 l Wasser. Etwa sich einstellende Essigälchen werden durch heiß aufgegebenen Essig abgetötet. Die beste Temperatur im Essigbildner ist 35°; steigt dieselbe, so ist der Verlust an Alkohol zu groß, sinkt sie unter 10°, so hört die Oxydation ganz auf. Der Raum, in dem die Essigbildner aufgestellt sind, die Essigstube, soll daher 20–24° warm sein. Infolge der Verdunstung von Alkohol und Essigsäure findet ein durchschnittlicher Verlust von 10% statt. Aus 100 l Branntwein von 50% Tralles werden daher etwa 1300 l Essig von 3% Essigsäuregehalt gewonnen. Ueber die Prüfung von Essig und Essigessenzen s. Fischer, Handbuch der chemischen Technologie, Leipzig 1893, S. 622 ff., ferner die nahrungsmittelchemischen Werke von König, Bujard-Baier, Röttger, Rupp u.a.

Vgl. a. Essigsäure und die dort angegebene Literatur.

Bujard.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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