- Mechanismen [1]
Mechanismen werden verschieden definiert; denn einerseits soll bezweckt werden, daß die Definition möglichst umfassend der technologischen Auffassung entspricht, anderseits daß die Definition vorzugsweise der kinematischen Auffassung genügt.
a) Mechanismus ist ein künstliches körperliches Gebilde, welches innere Bewegungen ausführen kann, die vermöge der Gestalt und Widerstandsfähigkeit sich berührender Oberflächen eindeutig beschränkt sind [1].
b) Mechanismus ist eine zwangläufige geschlossene kinematische Kette (s.d.), von der ein Glied festgestellt ist. Der Mechanismus heißt insbesondere ein Getriebe, wenn ein bestimmtes seiner beweglichen Glieder als dasjenige vorausgesetzt ist, von dem die Bewegung ausgeht, d.h. welches unmittelbar zur Bewegung in einem gewissen Sinne angetrieben wird [2].
c) Mechanismus oder Getriebe ist eine geschlossene kinematische Kette (s.d.), von welcher ein Glied festgestellt ist [3].
d) Mechanismus ist ein aus starren Körpern bestehendes Gebilde, bei welchem, diese Körper durch kinematische Elementenpaare (s.d.) beweglich verbunden sind [4].
In a) und b) ist die eindeutige Beweglichkeit bezw. die Zwangläufigkeit (s.d.), durch welche die Punkte eines jeden Gliedes des Mechanismus gegen jedes andre desselben sich in bestimmten Bahnen bewegen, als Merkmal aufgenommen. In c) und d) befindet sich dieses Merkmal nicht, und demnach sind diese Definitionen umfassender; und es werden dann die Mechanismen, welche eindeutige Beweglichkeit besitzen, zwangläufige Mechanismen genannt. Die Beschränkung in d), daß die Glieder starre Körper sind, die durch starre geometrische Systeme ersetzt werden können, ist zugunsten der kinematischen Behandlung beigefügt. Die Definition d) umfaßt auch die Mechanismen mit Bandtrieb (s.d.), bei denen die Bewegung durch fügsame Körper, Riemen, Bänder, Seile, Schnüre, Ketten u.s.w., vermittelt wird; denn es können diese fügsamen Körper zum Zweck der kinematischen Untersuchung durch geometrische Körper, bezw. Systeme, ersetzt werden [4]. Es entspricht dem Sprachgebrauche, daß die Benennung Mechanismus angewendet wird erstens in dem Falle, wenn alle Glieder sich in bezug auf einen als ruhend gedachten Raum bewegen, und zweitens auch in dem Falle, wenn ein Glied in bezug auf diesen Raum als fest betrachtet wird. Um aber besonders zum Ausdruck zu bringen, daß ein Glied des Mechanismus fest ist, wird derselbe dann auch Getriebe genannt [5]. Ein zwangläufiger Mechanismus heißt ein einfacher, wenn jedes Glied mit nur zwei andern Gliedern durch kinematische Elementenpaare verbunden ist, wodurch dann die Glieder in geschlossener Folge aneinander gereiht sind. Im andern Falle, wenn bei einem Mechanismus Glieder mit mehr als zwei andern Gliedern verbunden sind, heißt derselbe ein zusammengesetzter. Befinden sich die Bahnen der Punkte der Glieder in parallelen Ebenen, so heißt der Mechanismus ein ebener; befinden sich diese Bahnen auf konzentrischen Kugelflächen, dann heißt der Mechanismus ein sphärischer und im andern Falle ein räumlicher. Sind alle Glieder eines Mechanismus durch Drehpaarungen (s.d.) bezw. Achsengelenke[350] verbunden, dann wird derselbe ein Gelenkmechanismus genannt, und sind alle Glieder durch Richtpaarungen (s.d.) verbunden, dann heißt derselbe ein Richtmechanismus.
Ein einfacher, ebener Mechanismus kann gemäß seiner Definition höchstens vier Glieder besitzen. In Fig. 1 ist ein einfacher, ebener Mechanismus dargestellt, dessen vier Glieder a, b, c, d durch die vier Drehpaarungen θ, F, L, Λ verbunden sind, und dieser heißt ein Kurbelmechanismus (s.d.); derselbe wird ein Kurbelgetriebe genannt, wenn ein Glied, z.B. a, festgestellt ist. In Fig. 2 ist dieser Mechanismus in andrer Gestaltung gezeichnet. Das Glied d ist durch einen Schlitten d vertreten, der sich in dem Bogenschütz λ des Gliedes a bewegt und um Λ dreht. Wenn man das Glied θ E bezw. a als fest betrachtet und das Glied b um θ dreht, also der Punkt F auf dem Kreise φ rotiert, dann schwingt der Punkt L auf dem um Λ beschriebenen Kreise λ hin und her. Der Mechanismus ist dann ein Schwingkurbelgetriebe. Wird die Drehpaarung, welche die Glieder a, d verbindet, durch eine Richtpaarung (s. unten) ersetzt, also die Achse Λ in Fig. 3 ins Unendliche verlegt, dann entsteht ein Schubkurbelmechanismus (s.d.), und wenn das Glied a als fest angenommen ist, erhält man ein Schubkurbelgetriebe, welches, je nachdem die Strecke θ E > 0, ein exzentrisches oder ein zentrisches ist. Wird der Schieber d in Fig. 3 weggelassen und der Zapfen L so erweitert, daß er in dem Schlitz des Gliedes a passend gleitet, dann entsteht ein dreigliedriger, einfacher Mechanismus, dessen drei Glieder a, b, c durch die Drehpaarungen θ, F und eine allgemeine kinematische Paarung, d.i. zylindrischer Zapfen im Schlitz, verbunden lind. Wenn nur zwei durch ein kinematisches Elementenpaar verbundene Glieder vorhanden sind, dann pflegt man diese beiden verbundenen Glieder ein Gliederpaar (s.d.) zu nennen. In Fig. 4 ist ein dreigliedriger Richtmechanismus, der auch Dreirichtmechanismus genannt wird, dargestellt. Die drei Glieder Hq q, Hl l, Hφ φ, von denen jedes aus einer Hülse und einer Stange besteht, sind durch Richtpaarungen verbunden; denn die Hülsen Hq, Hl, Hφ gleiten bezw. auf den Stangen q, l, φ. In Fig. 5, 6 und 7 sind drei zusammengesetzte ebene Mechanismen dargestellt, deren Glieder durch Drehpaarungen verbunden sind. Die Glieder sind mit Ziffern und die Drehpaarungen mit den beiden Ziffern der verbundenen Glieder bezeichnet. Bei dem in Fig. 5 dargestellten sechsgliedrigen Mechanismus sind an die beiden benachbarten Glieder 3, 4 des aus den Gliedern 1, 2, 3, 4 gebildeten Gelenkvierecks die gelenkig verbundenen Glieder 5, 6 drehbar angeschlossen. Dieser Mechanismus wird ein Wattscher Mechanismus genannt, weil aus demselben der Hauptmechanismus der Wattschen Dampfmaschine hervorgeht, wenn die Drehpaarung 3 5 durch eine Richtpaarung ersetzt wird, und ferner 1 4, 3 4, 4 6 in einer Geraden liegen. Bei dem in Fig. 6 dargestellten sechsgliedrigen Mechanismus sind an die beiden gegenüberliegenden Glieder 2, 4 des aus den Gliedern 1, 2, 3, 4 gebildeten Gelenkvierecks die gelenkig verbundenen Glieder 5, 6 drehbar angeschlossen. Dieser Mechanismus wird ein Stephensonscher Mechanismus genannt, weil derselbe den Hauptteil der Stephensonschen Lokomotivsteuerung bildet. Der in Fig. 7 dargestellte achtgliedrige Mechanismus, bei welchem das Glied 8 durch die drei Glieder 5, 6, 7 bezw. mit den Gliedern 2, 3, 4 des Gelenkvierecks 1, 2, 3, 4 gelenkig verbunden ist, wird Dreispannmechanismus genannt [5]. Wenn man bei diesen Mechanismen Drehpaarungen durch Richtpaarungen ersetzt, so ergibt sich eine Fülle spezieller Mechanismen; und ferner durch Feststellung des einen oder des andern Gliedes entstehen die mannigfaltigsten Getriebe.
Literatur: [1] Hartig, Ueber einige Allgemeinbegriffe der mechanischen Technik, Civilingenieur 1884, S. 422. [2] Grashof, Theoretische Maschinenlehre, Bd. 2, S. 7, Hamburg-Leipzig 1883. [3] Reuleaux, Theoretische Kinematik, S. 50, Braunschweig 1875. [4] Burmester, L., Civilingenieur 1889, S 131. [5] Ders., Lehrbuch der Kinematik, Bd. 1, 6. und 7. Abschnitt, Leipzig 1888.
Burmester.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.