Spinnerei [2]

Spinnerei [2]

Spinnerei. – Die Neuerungen, die auf dem Gebiete der Spinnerei zu verzeichnen sind, sind hauptsächlich veranlaßt worden durch die stetig neigenden Arbeitslöhne (so z.B. Ausbildung der selbsttätigen Bedienung, Bedienungserleichterungen u.s.f.) und durch die meist erhöhten Rohstoffpreise (z.B. Verspinnen von Baumwollersatzstoffen, Ersparnis an Betriebskraft u.s.w.).

So hat man in der Flachsspinnerei in der neuesten Zeit die Aufgabe bei den Doppelhechelmaschinen gelöst, das Ein- und Umspannen der Kluppen vollständig selbsttätig verrichten zu lassen [1]. Es genügt dann für die Bedienung der Hechelmaschine eine Person, die nur das rohe Material einzulegen und das gehechelte von der Maschine abzunehmen hat, hierdurch werden von fünf bedienenden Personen vier, die sonst für das Zu-, Auf- und Umspannen nötig sind, gespart. Außer Ersparnis an Arbeitslöhnen erzielt man auch ein größeres Ergebnis an gehechelter Faser, da die Kluppen durch die Maschine gleich fest geschlossen werden, während bei dem Handverschluß vielfach des Abends nicht mehr so fest zugespannt wird wie des Morgens, so daß dann viele gute Fasern mit in das Hechelwerg übergehen.

Zur Erreichung großer Gleichmäßigkeit der Garne hat man auch die Wergkrempeln mit selbsttätigen Speisern mit Gewichtsreglern ausgerüstet [2].

Bei den Spinnmaschinen für Flachs, Hanf und Jute erstrebt man die Zeit zum Abziehen der vollen und zum Aufstecken neuer leerer Spulen dadurch zu verkürzen, daß die Spulen auf Spulensternen angeordnet werden [3]. Die Maschinen haben meist statt der üblichen von oben angetriebenen Flügel Ringe mit Schnurantrieb und Fadenauge, und die Spulen sitzen auf einem auf und nieder gehenden Spulenstern. Die Spulen werden bei voller Windung niedergelassen, so daß das Abziehen und Wiederaufstecken nach dem Fortrücken des Sternes vorgenommen wird, während die Maschine schon weiterspinnt. – Ueber den Kraftbedarf und die Wirtschaftlichkeit bei Feinspinnmaschinen vgl. [4]. Um den Kraftbedarf herabzudrücken, hat man außer dem elektrischen Einzelantrieb der Spinnmaschinen auch deren Spindellagerung (nachgiebiger Lagerungen [5], Kugellagerungen) und Spindelantrieb vervollkommnet [6]. Bei den Ringspinnmaschinen hat man Ringläufer-, Aufsteck- und Abnehmapparate konstruiert [7]. Infolge der erhöhten Baumwollpreise hat man Werggarn nach Art der Streichgarne versponnen [8], nachdem man die Flachsfasern »kolonisiert« hat, und hat namentlich auch die Maschinen der Baumwollabfallspinnerei durch Einführung veränderter Röhrchen [9] und andrer »falschen« Draht gebende Werkzeuge [10] verbessert. Zum Ersatz für Jutegarne für Säcke werden Papiergarne (vgl. Art. Textilose) gesponnen. Für die Baumwollgrobspinnerei (Garne für Scheuertuch- und Deckenherstellung) hat man besondere Schlauchkötzerspinnmaschinen ausgebildet [11]. Neuere das gesamte Gebiet der Spinnerei behandelnde Werke vgl. [12].


Literatur: [1] Kennedy, D.R.P. Nr. 256766; Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1911, S. 183; 1913, S. 1496. C.O. Liebscher-Chemnitz, D.R.P. Nr. 235951, 237 240. Siegeslauf der Technik, 2. Aufl., Bd. 2, S. 30. – [2], [3] Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1913, S. 1497. – [4] Elsäß. Textilblatt 1913/1914, S. 14. – [5] D.R.P. Nr. 248723, 265 887. – [6] D.R.P. Nr. 272072, Leipzig. Monatschr. f. Textil-Ind. 1910, S. 3; Hartig-Antrieb, Schnellantrieb für Selfaktoren, ebend. 1914, S. 89. – [7] Elsäß. Textilblatt 1913, S. 120. – [8] D.R.P. Nr. 198064. – [9] Josephys Röhrchen, namentlich auch für kurze Faserstoffe, D.R.P. Nr. 264625. – [10] Würgelwerk Hilden, D.R.P. Nr. 253786. – [11] Rohn, Die Spinnerei, S. 79. – [12] Rohn, Die Spinnerei in technologischer Darstellung, Berlin 1910; Glafey, Spinnen und Zwirnen, Leipzig 1911; Lehmann, Die Spinnerei, Leipzig 1911; Lindner, Spinnerei und Weberei, Karlsruhe-Leipzig 1914.

Ernst Müller.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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