- Strom [2]
Strom, elektrischer, entsteht durch, die Ausgleichung zweier Spannungsunterschiede (Potentialdifferenzen).
Verbindet man die Klemmen (Pole) eines galvanischen Elementes (s. Galvanismus) oder einer Dynamomaschine (s.d.) durch einen Leiter miteinander, so fließt in dem Leiter ein elektrischer Strom, den man nur durch seine Wirkungen wahrnehmen kann. Diese sind: 1. chemische, 2. magnetische Wirkungen, 3. Wärmewirkungen, 4. elektrodynamische Wirkungen.
Stromrichtung. Verbindet man die beiden Pole einer galvanischen Batterie aus Zink-Kupfer-Elementen mit zwei Platinblechen, die in einer Lösung von Kupfervitriol stehen, so erkennt man nach kurzer Zeit, daß sich ein Niederschlag von Kupfer an der Platte gebildet hat, die mit dem Zinkpole der Batterie verbunden ist. Man nennt sie die Kathode, während die andre Platte die Anode heißt. Es hat also infolge des Stromdurchganges eine Zersetzung der Kupfervitriollösung stattgefunden und das Kupfer ist zur Kathode gewandert. Diese Richtung,[381] in der das Metall wandert, wird als Stromrichtung bezeichnet, so daß der Strom vom Kupferpol der Batterie durch den Leiter zum Zinkpol fließt. Der Kupferpol heißt auch der positive und der Zinkpol der negative Pol der Batterie (s. Galvanismus).
Stromstärke. Alle Leiter zweiter Klasse werden durch den elektrischen Strom in ihre Bestandteile zersetzt nach dem Gesetz: Die zerfetzten Bestandteile eines Elektrolyten sind der durch denselben hindurchgegangenen Stromstärke und der Zeit proportional. Als Stromstärke Eins wird diejenige Stromstärke angenommen, die imstande ist, aus einer Silberlösung in 1 Sekunde 1,118 mg Silber abzuscheiden; sie heißt 1 Ampère (1 A). Die von 1 A in 1 Sekunde abgeschiedene Menge wird das elektrochemische Aequivalent (Werte desselben s. Elektrolyse) genannt.
Elektrizitätsmenge. Das Produkt aus Stromstärke und Zeit nennt man Elektrizitätsmenge, und zwar heißt das Produkt 1 A × 1 Sekunde = 1 Coulomb (1 Cb); das Produkt 1 A × 1 Stunde = 1 Amperestunde. Ist G die Niederschlagsmenge in Milligramm, a das elektrochemische Aequivalent des betreffenden Metalles, J die Stromstärke in A und t die Zeit in Sekunden, so ist G = a Jt, woraus sich J berechnen läßt, wenn die übrigen Größen gemessen wurden. Nach dieser Methode wird der Strom gemessen, der durch den Leiter während einer bestimmten Zeit geflossen ist, aber die augenblickliche Stromstärke gibt sie nicht an.
Um den augenblicklich fließenden Strom zu messen, bedient man sich der magnetischen Wirkungen des Stromes. Wird ein Strom über eine Magnetnadel geleitet (Fig. 1), so zeigt diese einen Ausschlag, den man nach der Handregel (s. Elektromagnetismus) oder nach der Ampèreschen Schwimmregel bestimmen kann. Sie lautet: »Denkt man sich mit dem elektrischen Strome schwimmend und steht dabei nach der Magnetnadel hin, so weicht deren Nordpol nach links aus.« Steht der Nordpol fest, so wird der bewegliche, stromdurchflossene Leiter nach der entgegengesetzten Richtung abgelenkt. Auf diesem Prinzip sind die meisten Instrumente zum Messen des Stromes, die sogenannten Ampèremeter, aufgebaut.
Fließt ein Strom durch einen dünnen Draht, so erwärmt er denselben, wodurch der Draht länger wird. Auf dieser Wärmewirkung beruht die Konstruktion der sogenannten Hitzdrahtinstrumente.
Auch die dynamischen Wirkungen des Stromes (s. Elektrodynamik), nach der sich zwei stromdurchflossene parallele Leiter anziehen, wenn ihre Ströme gleichgerichtet sind, sich dagegen abstoßen bei entgegengesetzter Richtung, wird zur Konstruktion von Amperemetern benutzt. Bei allen Amperemetern gibt ein Zeiger auf einer in Ampere geteilten Skala die Stärke des durch einen Leiter fließenden Stromes an (s. Meßinstrumente, elektrotechnische).
Ohmsches Gesetz. Die Stärke des Stromes hängt ab von der Größe des Spannungsunterschiedes der beiden Polklemmen der Stromquelle. Dieser Spannungsunterschied wird in Volt gemessen. Werden die Klemmen einer Stromquelle nacheinander durch verschiedene Leiter verbunden, so ist der Strom jedesmal ein andrer, was auf die Eigenschaft der Leiter führt, dem Durchgang des Stromes einen Widerstand entgegenzusetzen. Je größer der Widerstand, desto kleiner ist die Stromstärke. Ohm hat hierfür das nach ihm benannte Gesetz aufgestellt: Die Stromstärke ist dem Spannungsunterschied direkt und dem Gesamtwiderstand umgekehrt proportional.
Die Einheit des Widerstandes heißt 1 Ohm (Ω). Ist w der Widerstand des Leiters in Ohm, e der Spannungsunterschied in Volt, so ist J = e/w A. Soll sich dieses Gesetz nicht nur auf den zwischen die Polklemmen eingeschalteten Widerstand, sondern auf den ganzen geschlossenen Stromkreis beziehen, so muß an die Stelle des Spannungsunterschiedes die Ursache desselben, das ist die elektromotorische Kraft E der Stromquelle, gesetzt werden. Da diese aber gleichfalls einen Widerstand wi besitzt, so heißt das Ohmsche Gesetz für einen geschlossenen Stromkreis J = E/wi + w.
Widerstand. Versuche zeigen, daß der Widerstand eines Leiters mit der Länge direkt und dem Querschnitt umgekehrt proportional wächst. Ist w der Widerstand, l die Länge und q der Querschnitt des Leiters, so ist w = cl/q, wo c eine vom Material des Leiters abhängige Größe bezeichnet. Man erhält w in Ohm, wenn l in Metern und q in Quadratmillimetern ausgedrückt werden. Die Bedeutung von c ergibt sich, wenn man l = 1 m und q = 1 qmm setzt, zu w = c, d.h. es ist c der Widerstand des Leiters von 1 m Länge und 1 qmm Querschnitt. Er heißt der spezifische Widerstand und ist nachfolgend für verschiedene Metalle angegeben:
[382] Widerstandsänderung. Der Widerstand eines Leiters ändert sich mit der Temperatur, und zwar ist die Widerstandszunahme proportional der Temperaturzunahme. Bezeichnet α diejenige Größe, um welche 1 Ohm bei 1° Temperaturerhöhung sich ändert, so nimmt ein Widerstand von w Ohm bei 1° um α w und bei t° Temperaturerhöhung um w α t Ohm zu, beträgt also jetzt w + w α t. Ist wt dieser Widerstand, so gilt wt = w (1 + α t). α heißt der Temperaturkoeffizient. Er ist bei einigen Körpern, z.B. Kohle, negativ, d.h. der Widerstand nimmt mit der Erwärmung ab. Bei allen Widerständen, die zu Meßzwecken dienen, sogenannten Rheostaten, muß die Temperatur angegeben sein, bei denen sie ihren Sollwert erreichen, damit man imstande ist, für eine andre Temperatur des Meßraumes auf den richtigen Widerstand zu reduzieren. (Vgl. a. Widerstand, elektrischer.)
Siemenseinheit. Vor der Einführung des Ohms als Einheit des Widerstandes rechnete man nach der von Siemens angegebenen und nach ihm benannten Einheit. Es ist das der Widerstand eines Quecksilberfadens von 1 m Länge und 1 qmm Querschnitt, während 1 Ohm der Widerstand eines Quecksilberfadens von 1 qmm Querschnitt und 1,063 m Länge ist, beide bestimmt bei 0°.
Spannungsverlust. Soll ein Strom von i A durch einen Widerstand w Ω hindurchgehen, so muß an den Enden dieses Widerstandes ein Spannungsunterschied (Potentialdifferenz) von e V vorhanden sein, und zwar ist e = i w. Ist w ein Teil des Widerstandes einer Leitung, so i w der Verlust an Spannung in demselben. Braucht man z.B. an den Enden einer Leitung, die einen Widerstand von 2 Ω besitzt, einen Strom von 10 A, so findet in der Leitung ein Spannungsverlust von 2 · 10 = 20 V statt. Herrscht an den Klemmen AB der Stromquelle, Fig. 2, eine Spannung von 120 V, so ist der Spannungsunterschied an den Klemmen A' B' nur 120 20 = 100 V. Fließt kein Strom durch die Leitung, so ist der Spannungsverlust Null, d.h. die Spannung zwischen A und B ist ebenso groß wie zwischen A' B'.
Spannungsmessung. Die obenerwähnten Meßinstrumente machen einen Zeigerausschlag, dessen Größe dem durchfließenden Strom entspricht, es sind also Ampèremeter. Da jedoch jedes Amperemeter einen gewissen Widerstand w besitzt, so herrscht an seinen Klemmen ein Spannungsunterschied e = i w. Ist speziell w sehr groß, so nimmt das Produkt i w jeden beliebigen Wert an, und man kann die Skala anstatt in Ampere auch in Volt eichen. Instrumente dieser Art dienen dann als Voltmeter oder Spannungsmesser. Ist z.B. w = 10000 Ω und i = 0,01 A, so ist e = 0,01 · 10000 = 100 V, man schreibt auf die Skala dieses Instrumentes an diese Stelle nicht 0,01 A, sondern 100 V.
Stromverzweigung. Verzweigt sich ein Strom in mehrere Zweige, Fig. 3, deren Widerstände w1, w2, w3, .... sind, so kann man die Teilströme i1, i2, i3, .... nach dem Ohmschen Gesetz bestimmen, wenn der Spannungsunterschied e zwischen A und B bestimmt ist. Es ist
i1 = e/w1, i2 = e/w2, i3 = e/w3.
Sollte e nicht bekannt sein, sondern statt dessen der Strom J in der unverzweigten Leitung, so ist zunächst
woraus
folgt. Ist W der Widerstand, der als Ersatz für die einzelnen Widerstände w1, w2, w3 zwischen A und B geschaltet werden müßte, ohne den Strom J zu verändern, so gilt für den zwischen A und B fließenden Strom J = e/W, anderseits war J = e(1/w1 + 1/w2 + 1/w3), also ist auch e/W = e(1/w1 + 1/w2 + 1/w3) oder 1/W = 1/w1 + 1/w2 + 1/w3. Man nennt den reziproken Wert eines Widerstandes sein Leitungsvermögen oder auch seine Leitfähigkeit. Vorgehende Formel spricht daher den Satz aus: »Das Leitungsvermögen der Kombination mehrerer parallel geschalteter Widerstände ist gleich der Summe der Leitungsvermögen der einzelnen Zweige.« Die Einheit des Leitungsvermögens heißt ein Mho.
Kirchhoffsche Gesetze. Jede beliebige Stromverzweigung kann mit Hilfe des Ohmschen Gesetzes berechnet werden, doch kommt man in komplizierten Fällen einfacher zum Ziel durch Anwendung der beiden von Kirchhoff aufgestellten Gesetze:
1. »An jedem Verzweigungspunkt ist die Summe aller ankommenden Ströme gleich der Summe aller abfließenden Ströme.« Ist z.B. O der Vereinigungspunkt dreier Ströme, so muß (Fig. 4) i1 + i2 = i3 sein.
2. »In jedem in sich geschlossenen Teile eines Stromnetzes ist die Summe aller elektromotorischen Kräfte gleich der Summe aller Spannungsverluste.« So gelten für die Stromkreise AE1B, AE2B und AE1BE2 der Fig. 5 die Gleichungen:
Nach dem ersten Gesetz ist IV. i1 + i2 = i3. (Die Gleichung III hätte man auch durch Subtraktion der Gleichungen I und II erhalten können.)
[383] Joulesches Gesetz. Zu den wichtigsten Wirkungen des elektrischen Stromes gehören die Wärmewirkungen, d.h. der Strom erwärmt den Leiter, durch den er fließt. Das Gesetz für die Wärmeentwicklung wurde von Joule aufgestellt. Danach ist »die entwickelte Wärmemenge proportional dem Quadrate der Stromstärke, proportional dem Widerstande und der Zeit«. Ist Q die entwickelte Wärmemenge in Gramm-Kalorien, i die Stromstärke in A, w der Widerstand des Leiters in Ohm, t die Zeit in Sekunden, so ist Q = 0,24 i2 w t. Da i = e/w ist, kann man auch schreiben Q = 0,24 e i t = 0,24 e2/w t. (Die Wärmeeinheit Grammkalorie ist diejenige Wärmemenge, die imstande ist, 1 g Wasser von 0° auf 1° zu erwärmen.)
Arbeit des Stromes. 1000 Grammkalorien (1 Kilogrammkalorie) sind gleichwertig einer Arbeitsleistung von 424 mkg, infolgedessen ist die in Meterkilogramm vom Strome geleistete Arbeit A = eit/9,81 mkg, denn es ist 0,24 · 424/1000 = 0,102 = 1/9,81. In der Elektrotechnik ist die Arbeitseinheit 1 Joule, und zwar ist 1 Joule = 1/9,81 mkg, also A = e i t Joule.
Wird die Einheit der Kraft, d.i. 1 Dyn, 1 cm hoch gehoben, so wird die Arbeit 1 Erg geleistet. Es sind nun 107 Erg = 1 Joule.
Effekt. Die Arbeit pro Sekunde heißt Effekt (E). Man erhält den Effekt aus den vorigen Formeln, wenn man t = 1 setzt; es ist also E = eit/9,81 mkg pro Sekunde oder E = e i Watt, wo 1 Joule pro Sekunde die Bezeichnung Watt oder Voltampère führt. 1000 Watt oder Voltampere sind ein Kilowatt oder Kilovoltampère.
Die Arbeitsleistung von 1000 Watt oder ein Kilowatt während einer Stunde heißt Kilowattstunde. Bei Motorleistungen rechnet man meistens nach Pferdestärken, und es ist 1 PS. = 75 mkg pro Sekunde oder 1 PS. = 736 Watt.
Bezüglich der Literatur vergleiche man die Artikel: Elektrizität, Elektrodynamik, Elektrolyse, Elektromagnetismus, Galvanismus, Induktion, Maßsystem, absolutes, Leitungen, elektrische, Wechselstrom, Widerstand, elektrischer.
Holzt.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.