Türkischrot

Türkischrot

Türkischrot, der auf Baumwolle (und Leinen) hervorgerufene, brillantrote, sehr widerstandsfähig zusammengesetzte Lack; Hauptbestandteile: Alizarin (bezw. Isopurpurin), Kalk, Tonerde, Türkischrotöl (s.d.) bezw. Fettsäuren.

Das wahrscheinlich aus Indien flammende, seit vielen Jahrhunderten ausgeübte, uns aus der Türkei überkommene Türkischrotverfahren ist ursprünglich eine Krappfärberei auf Tonerdebeize gewesen, aber mit der Eigentümlichkeit, daß das Fasermaterial eine Vorbeizung in einer alkalischen Emulsion gewisser Oele oder Fette erfährt, wodurch eine auf gewöhnlichem Wege nicht erreichbare Lebhaftigkeit und Echtheit des Tones bedingt ist. Den früher angewendeten Krapp hat jetzt das künstliche Alizarin vollständig verdrängt, da es weit frischere und reinere Nuancen liefert, leichter und sicherer anzuwenden ist und sich auch wesentlich billiger Stellt. Die Baumwolle wird in der Form von Garn und von Stückware türkischrot gefärbt; für lose Baumwolle empfiehlt sich das Verfahren weniger, weil deren Spinnfähigkeit durch das Oel stark beeinflußt wird. In helleren Nuancen, wie Rosa, kann Alizarin auf Baumwolle deshalb aufgefärbt werden, weil dem geringeren Farbstoffquantum entsprechend die Oelmenge wesentlich vermindert werden kann. Durch die Einführung des Türkischrotöls ist das Altrotverfahren des Türkischrotfärbens, auch Weißbad- oder Emulsionsverfahren genannt, um das Neurotverfahren vermehrt worden.

[644] Altrotverfahren. Das Altrot ist das Produkt einer großen Zahl langwieriger Operationen; die auf diese Weise erzielten Färbungen zeichnen sich aber auch durch einen Grad der Echtheit aus, welcher nach dem abgekürzten neuen Verfahren nicht erreicht wird. Nach den vorbereitenden Reinigungsoperationen (Auskochen in Bäuchkesseln u.s.w.) wird das Fasermaterial mit einer Emulsion aus ranzig gewordenem Olivenöl, sogenanntem Tournantöl, und einer wässerigen Sodalösung behandelt. Diese Behandlung wird zwei- bis dreimal wiederholt, nachdem das Garn jedesmal bei 60° C. getrocknet worden ist, und bezweckt die Imprägnierung der Baumwollfaser mit Oel und die Ueberführung des letzteren in zur Aufnahme der Tonerdebeize und des Alizarins geeignete Fettsäuren. Dabei wird ein Ueberschuß von Oel von der Faser aufgenommen und teilweise von ihr nicht vollständig fixiert, so daß dieser Teil durch die nun folgenden sogenannten Weißbäder wieder abgezogen werden muß. Die Weißbäder bestehen aus schwachen Sodalösungen; die Baumwolle wird in denselben eingeweicht und dann an der Luft getrocknet. Dieser Prozeß wird mehrmals wiederholt, worauf die Baumwolle einer Behandlung mit Extrakten oder Lösungen gerbstoffhaltiger Materialien oder von Gerbsäure (Galläpfel, Sumach, Tannin) unterworfen wird. Durch dieses Schmackieren oder Gallieren wird der Faser ein gewisser Prozentsatz an Gerbsäure zugeführt und wird die Reinheit des Farbentons erhöht. Es folgt nun die Operation des Beizens oder Alaunierens, welche im Einlegen der Baumwolle in ein Bad aus basisch-schwefelsaurer Tonerde (mit Soda abgestumpftem Alaun oder Tonerdesulfat) besteht und die Bildung einer unlöslichen Verbindung von oxyfettsaurer und gerbsaurer Tonerde zur Folge hat. Nach gutem Auswaschen ist die Baumwolle zum Färben bereit, welches in der Regel in kupfernen Kufen mit Alizarin in der Weise ausgeführt wird, daß man das kalte Färbebad langsam zum Kochen bringt und 1/2–1 Stunde kocht. Nun folgen die Avivierungs- (Schönungs-, Rosierungs-) Prozesse, welche im Auskochen der gefärbten Baumwolle mit Lösungen von Seife, Soda und Zinnsalz unter Druck bestehen. Das Altrotverfahren wird meist zur Herstellung blaustichiger Nuancen auf Garn ausgeübt.

Neurotverfahren. Dieses durch Kürze und Einfachheit gegenüber dem vorstehend geschilderten sich auszeichnende Verfahren beruht auf der Anwendung des meist aus Rizinusöl hergestellten Türkischrotöls. Dasselbe ist in Wasser löslich, fixiert sich schon bei einmaliger Imprägnierung gut auf der Faser und bedarf keinerlei Abzugsbäder, sondern ist nach einfachem Trockenprozeß imstande, die Tonerde zu befestigen. Nach Imprägnierung mit der durch Ammoniak neutralisierten Türkischrotöllösung wird das Fasermaterial getrocknet. Als Tonerdebeize verwendet man zuweilen essigsaure Tonerde, meist aber basisch schwefelsaure Tonerde. Die Oel- und Beizoperationen werden bei sattem Rot wiederholt; als vorteilhaft erweist es sich, mit essigsaurer Tonerde zu beizen, darauf zu ölen und dann das Beizen zu wiederholen. Nach dem Beizen folgt das der vollkommenen Beteiligung der Tonerde dienende Abkreiden in einem warmen Bade von Schlemmkreide. Nach gutem Spülen ist die Baumwolle zum Färben fertig, welches in ähnlicher Weise wie bei Altrot ausgeführt wird. Auf das Färben folgt meist ein Dämpfprozeß zur besseren Fixierung des Alizarins und zur Erzielung lebhafterer Töne. Die Avivage (Schönung) der Neurotfärbungen wird wie bei Altrot ausgeführt. Das Neurotverfahren eignet sich für Garne und Stückware, und zwar wird es sowohl für die Herstellung von blaustichigem Türkischrot wie auch für gelbere Scharlachtöne angewendet.

Außer den genannten beiden Verfahren sind noch die folgenden, in der Praxis wohl seltener angewendeten Methoden zu nennen:

Türkischrotverfahren von Steiner. Dasselbe eignet sich besonders für Stückware und unterscheidet sich vom Weißbadverfahren dadurch, daß das Oelen mit heißem Olivenöl von 110° C. vorgenommen wird, und zwar genügt eine einmalige Behandlung. Es folgen eine Anzahl von Sodabädern, welche den Zweck haben, das Olivenöl durch allmähliche Verseifung in einen zur Aufnahme der Tonerdebeize geeigneten Zustand zu bringen. Das Beizen, Färben und Schönen geschieht nach dem bei Altrot angegebenen Verfahren.

Türkischrotverfahren nach Schlieper. Auch dieses Verfahren eignet sich besonders für Stückware. Das Gewebe wird mit einer Lösung von Tonerdenatron (Natriumaluminat) imprägniert und auf einer Zylindertrockenmaschine getrocknet. Hierauf wird es mehrere Stunden in die Oxydationskammer gehängt und in einer Rollenkufe erst durch kaltes Wasser, dann durch ein lauwarmes Kreidebad geführt, um das Natriumaluminat in unlösliches Calciumaluminat zu verwandeln. Das auf das Waschen folgende Färben vollzieht sich auf einem Rollenständer, durch welchen die Ware in ganzer Breite langsam sich bewegt. Die Flotte enthält pro Liter 0,75 g Alizarin von 20% und 6 g klares Kalkwasser. Sie wird durch entsprechende Zugabe der Ingredienzien stets auf gleichem Niveau erhalten. Die Dauer der Passage ist 3 Minuten, die Temperatur 90°. Die gefärbte Ware wird mit einer sauern Seife, bereitet durch Verseifen von Rizinusöl mit Natronlauge und partielle Neutralisation der letzteren mit Salzsäure, in einer Emulsion mit Wasser geklotzt. Das so präparierte Gewebe wird dann bei 1 Atmosphäre Ueberdruck gedämpft. Dem Dämpfen folgt Seifen, Waschen und Trocknen.

Türkischrotverfahren nach Erban und Specht. Die Ware wird zuerst mit einer ammoniakalischen Alizarinlösung imprägniert und dann getrocknet. Das Ammoniak entweicht, und der Farbstoff bleibt unlöslich auf der Faser. Der alkalischen Lösung können Zusätze wie Türkischrotöl, Natriumaluminat beigemischt werden, so daß für helle Töne ein besonderes Beizen mit Tonerde sich erübrigt. Die getrocknete Baumwolle kommt nun in das Beizbad, am besten eine Lösung von essigsaurer Tonerde, und wird darauf wieder getrocknet. Hierdurch wird die Bildung des Farblackes eingeleitet, die durch Dämpfen vollendet wird. Vor dem Dämpfen wird die Ware mit Türkischrotöl imprägniert. Auf das Dämpfen folgen die Operationen des Schönens.

Die türkischrot gefärbten Baumwollgarne finden eine ausgedehnte Verwendung für die Zwecke der Buntweberei zur Herstellung von außerordentlich licht- und waschechten Stoffen aller Art, wie Kleider, Wäsche, Bettzeug, Tischdecken, ferner für alle Arten von Strick- und[645] Stickgarnen, Nähfaden und Zwirne. Die türkischrot gefärbten Stoffe werden hauptsächlich in Rußland und Indien von der Bevölkerung als Kleidung getragen.


Literatur: Knecht, Rawson u. Löwenthal, Färberei d. Spinnfasern, Berlin 1900/01.

R. Möhlau.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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