Wasserversorgung

Wasserversorgung

Wasserversorgung, allgemein die Beschaffung von Wasser für beliebige Zwecke, speziell die Beschaffung des Wassers für den Gebrauch der Hauswirtschaft und der bürgerlichen Gewerbe (bürgerliche oder Städteversorgung).

Die Versorgung kann ununterbrochen stattfinden, so daß die Abnehmer jederzeit an den Zapfstellen in den Grundstücken Wasser ablassen können, oder eine unterbrochene (intermittierende) sein, bei welcher zu bestimmten Zeiten Reservoire in den Grundstücken zu weiterer Benutzung gefüllt werden. Letztere Art findet man heutzutage nur noch ausnahmsweise. Im übrigen ist das Ideal einer Wasserversorgung die ununterbrochene Abgabe von reinem Trinkwasser für alle Zwecke. In sehr großen Städten ist leider dieses System undurchführbar; dann tritt anstelle der einheitlichen Versorgung jene mit Wasser verschiedener Qualität: besondere Trinkwasserversorgung (Wasser erster Qualität) und Brauchwasserversorgung (Wasser zweiter Qualität). Womöglich sollte dafür gesorgt werden, daß Wässer letzterer Art – insbesondere, wenn sie als Trinkwasser untauglich sind – nicht innerhalb der Wohnhäuser zur Verteilung gelangen, sondern nur an die Industrie, für Straßenbegießen, Kanalspülen u.s.w. aus besonderen Leitungen verabfolgt werden [1], Bezüglich der Umwandlung von Meerwasser zu Trinkwasser s. Destillierapparat, Bd. 2, S. 721 und [3]. Wasserfassung (s.d.) und Wasserleitung (s.d.) werden in der Regel nicht bloß dem Verbrauche angepaßt, der bei Einführung der Versorgung besteht, sondern so bemessen, daß sie auf eine Reihe von Jahren auch noch dem mit der Bevölkerungsziffer steigenden Bedarfe genügen. Bei städtischen und Landgemeinden hängt der Wasserverbrauch in den Häusern ab von der Einwohnerzahl und von der Art und Ausdehnung der Gewerbe; jener für öffentliche Zwecke von der Größe und Beschaffenheit des Straßennetzes, der öffentlichen Plätze und Anlagen, den Bedürfnissen zur Kanalspülung u.s.w. In heißem Klima ist er bei geordneten Verhältnissen größer als im gemäßigten und kalten. Im übrigen wird der Verbrauch abhängig von dem Preise des Wassers und der Art der Wasserabgabe; wird nach Wassermessern verkauft oder das Wasser intermittierend in sogenannte Hausreservoire geliefert, so besteht ein Minimum, bei der Abgabe nach Einschätzung (à discrétion) ein Maximum des Verbrauchs. Für letzteren Verteilungsmodus sind Verbrauchsziffern nicht angebbar. In unserm oder einem dem deutschen ähnlichen Klima kann eine mit Wassermessern ausgestattete Wasserversorgung als genügend angesehen werden, wenn sie in Landgemeinden und kleinen Städten 50–100 l, in Städten von mehr als. 5000 Einwohnern 60–120 l Wasser pro Kopf und Tag im Durchschnitt liefert. Für den Tag des Maximalverbrauches ist sodann mindestens das 1,5fache dieses Durchschnittsverbrauches zu setzen, so daß die Anlagen für eine Wasserverteilung von 75–150 bezw. 90–180 l pro Kopf und Tag zu bauen sind. Ist Z die Einwohnerzahl einer Stadt zur Zeit der Errichtung eines Wasserwerkes, Zn jene nach n Jahren, wenn die Bevölkerung um p Prozent jährlich zunimmt, so besteht die Beziehung Zn = Z(1 + 0,01 · p)n; der Gesamtbedarf pro Tag ist für Zn zu bemessen durch Multiplikation mit einer der vorhin genannten Maximalverbrauchsziffern. Nicht inbegriffen in dem Einheitsverbrauch pro Kopf und Tag sind besondere, manchmal sehr hohe Bedürfnisse für große Springbrunnen, große Fabrikbetriebe, die ausnahmsweise viel Wasser verbrauchen u.s.w. – Bei Wasserwerkserweiterungen pflegt man aus der Erfahrung die Verbrauchszunahme zu bestimmen; in der Regel zeigt der Einheitsverbrauch pro Kopf und Tag eine mit der Zeit zunehmende Steigerung. Die Verbrauchsschwankungen innerhalb eines Tages werden durch Reservoire (s. Hochbehälter) ausgeglichen. Näheres in [2], § 44, wo auch der Verbrauch für verschiedene spezielle Bedürfnisse angegeben ist. Die Verteilung des Wassers innerhalb des Versorgungsgebietes erfolgt durch Rohrnetze (s.d.) und von letzteren aus mittels der Hausleitungen, die durch Schieber oder Ventile, hinter welchen in der Regel der Wassermesser sitzt, abgeschlossen werden können. Für den öffentlichen Verbrauch werden die Hydranten benutzt. Besondere Leitungen bestehen für Zierbrunnen (s.d.) und öffentliche Entnahmestellen (s. Brunnen und Brunnenständer). Liegt ein Versorgungsgebiet in seinen einzelnen Teilen in sehr ungleichen Meereshöhen, so erfolgt die Wasserverteilung innerhalb desselben nach verschiedenen Druckzonen, einesteils, um übergroße, für den Betrieb nachteilige Pressungen in den Leitungen zu vermeiden, andernteils (speziell bei künstlicher Wasserhebung), um die Betriebskosten[875] herabzumindern und die Betriebssicherheit zu erhöhen. Die einzelnen Zonen müssen unter sich verbunden werden können; ihre Anlage ist auch manchmal geboten durch verschiedene Bezugsquellen für das Wasser, meistens aber durch den Umstand, daß sich Stadterweiterungen auf höher gelegenem Gelände vollziehen, für welche die Pressung der ursprünglichen Anlage nicht mehr ausreicht. Ausführliches darüber in [2], § 50. – Kommt bei der Wasserversorgung Rohwasser aus Flüssen und Seen oder überhaupt Wasser zweiter Qualität zur Verteilung (wie das vielfach bei der intermittierenden Versorgung geschieht), so ist dasselbe für den Hausgebrauch innerhalb des Grundstockes durch sogenannte Hausfilter zu reinigen. Derartige Anlagen sind aber im Verschwinden begriffen. Die Leitungen, welche das Wasser von dem Rohrnetze nach den Grundstücken führen (Hausleitungen) müssen frostsicher gelegt oder so angeordnet werden, daß man durch Frost gefährdete Teile derselben abstellen kann; das Abwasser, welches sich bei Benutzung der Zapfstellen ergibt, muß rasch entfernt werden können. Stehen die Hausleitungen unter einer Pressung von 2 Atmosphären (dem sogenannten bürgerlichen Versorgungsdruck) oder weniger, so werden vielfach Bleiröhren oder auch Zinnröhren mit Bleimantel verwendet von 13–30 mm Lichtweite; bei höheren Pressungen empfehlen sich mehr die galvanisierten (mit Zink überzogenen) schmiedeeisernen Röhren, die sich – entgegen anderwärts kundgegebenen Meinungen – praktisch überall bewährt haben, wo gute Qualitäten zur Verwendung gelangt sind. Die Anlagekosten ausgeführter Wasserversorgungen schwanken je nach der mehr oder weniger schwierigen baulichen Herstellung zwischen 15 und 30 ℳ. pro Kopf der versorgten Bevölkerung; nur ausnahmsweise erreichen sie größere Höhen, die nicht immer durch die Verhältnisse gerechtfertigt sind. Der Verkaufspreis des Wassers schwankt dementsprechend, ist aber an vielen Orten deswegen ein hoher, weil Ueberschüsse aus dem Wasserverkaufe erzielt werden wollen.


Literatur: [1] Bechmann, M., De la distribution dans les villes de deux eaux de qualité différente par des canalisations distinctes, Transactions of the 7. International Congress of Hygiene, Bd. 7, Sektion 7, London 1891. – [2] Lueger, Wasserversorgung der Städte, Darmstadt 1895. – [3] Bothas, L., Massendestillation von Wasser, Berlin 1908.



http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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