Zugsicherung

Zugsicherung

Zugsicherung, selbsttätige. – I. Allgemeines. Bei dem bisher in Deutschland allgemein üblichen Zugsicherungsverfahren werden die sich im Raumabstande folgenden Züge dadurch vor dem Auffahren auf den Vorzug gesichert, daß das die Einfahrt in einen Raumabschnitt verbietende oder erlaubende Signal unter Blockverschluß der vorwärtsliegenden Zugfolgestelle gehalten wird, solange[682] der betreffende Raumabschnitt durch einen Zug in Anspruch genommen ist. Die Aufhebung des Blockverschlusses erfolgt durch einen Wärter, der auch die Signale seiner Zugfolgestelle auf Fahrt und auf Halt stellen muß (s. Blockeinrichtungen). Irrtümliche Handhabung dieser Einrichtungen durch den Wärter ist möglich. Man hat sie daher mit Vorrichtungen ausgerüstet, die von dem Zuge selbst betätigt werden und in den wesentlichsten Punkten Irrtümer des Wärters ausschließen (halbselbsttätige Zugsicherung). Die selbsttätige Zugsicherung schaltet den Wärter überhaupt aus. Hinter dem in einen Raumabschnitt eingefahrenen Zug fällt das Signal von selbst auf Halt, und es geht wieder von selbst in die Fahrstellung, sobald der Zug mit allen Achsen den vorliegenden Raumabschnitt verlassen hat. Bleiben infolge Zugtrennung Achsen auf dem Raumabschnitt zurück, so bleibt das Signal in der Haltstellung.

Die Einrichtung ist meist so, daß der die Signalantriebe mittels Relais ein- und abschattende Strom (Gleisstrom) seinen Weg aus der Stromquelle zu diesem Relais durch die eine Fahrschiene des durch die Signale zu deckenden Raumabschnittes nimmt und durch die andere Fahrschiene zur Stromquelle zurückkehrt. Die Fahrschienen sind gegeneinander und gegen die Erde auf die ganze Bahnlänge isoliert. Befindet sich aber in dem betreffenden Raumabschnitt auch nur eine Achse eines Fahrzeuges, so sind die beiden Fahrschienen leitend verbunden, die Gleisströme nehmen daher ihren Weg über diese nur geringen Widerstand bietende Achse, das Schaltrelais wird stromlos, das deckende Signal geht auf Halt.

Während die selbsttätige Zugsicherung im Auslande, so namentlich in Amerika, schon lange in großem Umfange ausgeführt wird, hat sie ihren Weg nach Deutschland nur schwer gefunden. Die von der Schuckertgesellschaft Nürnberg für die Barmen-Elberfelder Schwebebahn ausgeführte Anlage blieb lange die einzige. Erst in neuerer Zeit sind weitere Anlagen gefolgt. Der Grund hierfür liegt darin, daß die selbsttätige Zugsicherung nur solange größere Sicherheit bietet als die halbselbsttätige wie sie einwandfrei arbeitet. Bei einem Versagen hört aber jede Sicherung auf. Die Züge müssen sich dann in langsamer Fahrt in bestimmten Zeitabständen folgen. Die halbselbsttätige bietet aber auch dann noch durch die Aufmerksamkeit des Wärters eine für kürzere Zeit ausreichende Sicherheit. Ein besonderer Vorteil der selbsttätigen Zugsicherung ist, daß die Signalbedienung erheblich formeller erfolgt als es bei Zwischenschaltung der Menschenhand möglich ist. Die Raumabschnitte können daher kürzer gewählt werden, und die Züge können sich in viel kürzeren Zeiträumen folgen. Für Stadtschnellbahnen ist die selbsttätige Zugsicherung daher das gegebene.

II. Die selbsttätige Zugsicherung bei der Berliner Hoch- und Untergrundbahn. Im folgenden wird an Hand der Fig. 1 die auf der Berliner Hoch- und Untergrundbahn eingeführte selbsttätige Zugsicherung kurz erläutert.

1. Der Stromlauf in den Gleisabschnitten. Die ganze Bahnstrecke ist in verschiedene Gleisabschnitte Ga, Gb, Gc, Gd u.s.w. geteilt, deren Schienen gegeneinander isoliert sind. Ebenso sind die Fahrschienen I und II gegeneinander und gegen Erde isoliert. In bestimmten Abständen (Schutzstrecke) vor den Anfängen der zugehörigen Gleisabschnitte stehen die sie deckenden Signale B, C, D u.s.w. Befindet sich in keinem der Gleisabschnitte ein Zug, so fließt in jedem ein Strom aus der Stromquelle S1 über Leitung 1, Fahrschiene I, Leitung 2, Wicklung der Elektromagnete Eb, Ec oder Ed, Leitung 3, Fahrschiene II, Leitung 4 zurück zur Stromquelle S1 Die Elektromagnete halten ihre Anker angezogen und dadurch die Stromschließer kb, ke, kd u.s.w. geschlossen. Aus den Stromquellen S2 können die Signalströme fließen, die die Signale in die Fahrstellung gebracht haben und sie in dieser erhalten. Fährt nun aus dem Gleisabschnitt Ga ein Zug in den Gleisabschnitt Gb ein, so stellt schon die erste Achse zwischen den Fahrschienen eine leitende Verbindung von geringem Widerstande her, welche den durch den Elektromagneten Eb führenden Stromkreis kurz schließt. Eb wird also stromlos, der Anker fällt ab, Stromschließer kb wird geöffnet. Dadurch wird der Signalstrom unterbrochen. Signal B geht auf Halt. In dieser Stellung bleibt das Signal so lange, wie noch eine Achse des Zuges sich in dem Gleisabschnitt Gb befindet. Hat auch die letzte Achse den Gleisabschnitt verlassen, so erhält der Elektromagnet wieder Strom und zieht seinen Anker an. Der Stromschließer kb wird geschlossen und Signal B geht auf Fahrt. Inzwischen ist der Zug in den Gleisabschnitt Gc gelangt und hat dadurch Signal C in die Halttage gebracht, in der es bleibt, bis der Zug den Abschnitt Gc vollständig geräumt hat. Auf der durchgehenden Strecke ist die Grundstellung der Signale die Fahrstellung. Dagegen dort, wo Weichen liegen, die mit dem betreffenden Signal in Abhängigkeit stehen, ist die Grundstellung Halt. Die Züge bewirken die Rückkehr der Signale in die Haltstellung dann selbsttätig, zur Stellung auf Fahrt ist indes die Mitwirkung des Stellwerkwärters erforderlich.

[683] 2. Die Verbindung der Gleisabschnitte für die Rückleitung des Betriebsstromes (Impedanzverbinder). Der Betriebsstrom, das ist der Strom, der die Motore der Triebwagen oder Lokomotiven antreibt, wird meist durch die Fahrschienen zurückgeleitet. Zu diesem Zwecke müssen die Gleisabschnitte natürlich leitend miteinander verbunden sein. Diese Verbindungen müssen den Gleisströmen der Zugsicherung einen praktisch unüberwindlichen Widerstand entgegensetzen. Hierzu werden die Impedanzverbinder benutzt. Die Enden der beiden Fahrschienen jedes Gleisabschnittes sind untereinander durch um kräftige Eisenkerne gewickelte Spulen S1 und S2 verbunden, deren Mitten wieder durch einen kräftigen Kupferstreifen miteinander in Verbindung stehen (vgl. Fig. 2). Diese Spulen setzen Gleichströmen nur den Ohmischen Widerstand der Wicklungen entgegen. Wechselströme dagegen erzeugen in den Spulen eine hohe Selbstinduktion, die ihnen einen hohen induktiven Widerstand (Impedanz) entgegensetzt. Dieser Widerstand ist um so größer, je höher die Periodenzahl des Wechselstromes ist. Ist der Betriebsstrom also Gleichstrom, so wird er aus den Fahrschienen des einen Gleisabschnittes über die Spulen und den Kupferstreifen ungehindert in die Fahrschienen des anderen Gleisabschnittes übertreten. Für die Gleisströme der Zugsicherung wählt man Wechselstrom von so hoher Periodenzahl, daß der induktive Widerstand der Spulen ihnen ein praktisch unüberwindliches Hindernis entgegensetzt. Ist auch der Betriebsstrom Wechselstrom, so muß man für den Gleisstrom einen Wechselstrom wählen, dessen Periodenzahl erheblich von der des Betriebsstromes abweicht, und den Impedanzverbinder entsprechend abstimmen.

III. Vorsignale und dreistellige Signale. Um die Zugfolge zu beschleunigen und unnötiges Bremsen zu verhindern, sind auch auf den Stadtschnellbahnen Einrichtungen erforderlich, die dem Führer des Zuges rechtzeitig von der Stellung des Signals Kenntnis geben. Zu diesem Zwecke verwendet man Vorsignale wie bei den Hauptbahnen (s. Bahnzustandssignale).

Diese werden entweder so eingerichtet, daß ihre Antriebe nur vom Hauptsignal gesteuert werden. Ein vom Signalflügel betätigter Stromschließer schaltet den Strom für das Vorsignal aus und ein, so daß es mit dem Hauptsignal auf Halt und auf Fahrt geht. (So die Einrichtung bei der Berliner Hoch- und Untergrundbahn.) Oder aber die Schaltung des Vorsignals ist so eingerichtet, daß es schon auf Halt geht, wenn der Zug an ihm teilweise vorübergefahren ist, also früher als das Hauptsignal. Auf Fahrt kann es aber erst wieder kommen, nachdem das zugehörige Hauptsignal in die Fahrstellung gelangt ist.

Wird die Zugfolge immer schneller, so müssen die Blockstrecken, d.h. die isolierten Gleisabschnitte immer kürzer werden. Die Vorsignale kommen schließlich in die Nähe des nächsten zurückliegenden Hauptsignals. Man kann sie dann zweckmäßig mit dem nächsten Hauptsignal vereinigen und gelangt so zu dem Begriff der dreiteiligen Signale.

Fig. 3 zeigt ein dreiteiliges Signal, wie es in Amerika viel verwandt worden ist. Es besitzt zwei Flügel und bei Dunkelheit zwei Laternen. Die einzelnen Signalbegriffe sind aus Fig. 3 zu ersehen. Fig. 4 zeigt seine Anwendung. Die Schaltung ist so eingerichtet, daß z.B. der obere Flügel des Signales C auf Fahrt geht, wenn der erste Zug mit allen Achten den Gleisabschnitt III verlassen hat, der untere Flügel aber erst, wenn der Zug auch den Gleisabschnitt IV geräumt hat und der oberste Flügel des Signals D in die Fahrstellung gelangt ist.

IV. Fahrsperren. Bei dem bisher geschilderten Verfahren hängt die Sicherung der Zugfolge aber noch davon ab, daß der Führer des Zuges die für ihn geltenden Signale genau beobachtet und bei Annäherung an ein Halt zeigendes Signal den Zug vor diesem zum Halten bringt. Um auch hier einen durch ein Versehen des Führers unter Umständen eintretenden Unfall auszuschließen, werden die Signale mit Einrichtungen (Fahrsperren) versehen, die bei Halttage der Signale den Betriebsstrom eines etwa über das Signal hinausfahrenden Zuges selbsttätig unterbrechen und seine Bremsen in Tätigkeit setzen.

[684] Bei der Berliner Hoch- und Untergrundbahn besteht diese Einrichtung am Signal aus einem eisernen Hebel, der bei Haltstellung wagrecht steht, bei Fahrstellung aber schräg nach oben zeigt. Auf dem Dach des vordersten Wagens jedes Zuges ist ein mit einer Sender in Verbindung stehender Hebel angebracht, der in Grundstellung durch eine Spreize abgestützt ist. Ueberfährt ein Zug ein auf Halt stehendes Signal, so schlägt der dann wagrecht stehende eiserne Hebel des Signals gegen die Spreize. Diese wird dadurch herausgeschlagen. Der Hebel wird durch die Sender gedreht und betätigt dadurch eine Stromschlußwalze, die den Betriebsstrom unterbricht und durch Oeffnen eines Bremsventils die Luftdruckbremse des Zuges in Tätigkeit setzt. Der Zug kommt selbsttätig zum Halten. Steht das Signal dagegen auf Fahrt, so steht der eiserne Hebel am Signal schräg nach oben und die Spreize kann unberührt unter ihm hindurchgehen.


Literatur: Elektrotechn. Zeitschr., 35. Jahrg., Heft 6–13.

Gerstenberg.

Fig. 1.
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Fig. 2.
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Fig. 3.
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Fig. 4.
Fig. 4.

http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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