- Bauaufsicht
Bauaufsicht begreift in sich die Ueberwachung des richtigen Vollzuges der allgemeinen und besonderen Bedingungen, die für die Ausführung eines Baues vorher festgestellt werden; ebenso der Einhaltung aller in Plänen und Voranschlägen angegebenen Maße und Arbeitsqualitäten.
Während die Bauleitung eventuell von einem außerhalb der Baustelle gelegenen Orte her die allgemeinen und speziellen Dispositionen für die Bauausführungen trifft (die sogenannte Bauvorschrift gibt), hat das Aufsichtspersonal (die Bauführung) an der Baustelle selbst die Befolgung dicker Anordnungen zu sichern. Insbesondere gehört zu den Pflichten der Bauführer (des Aufsichtspersonals) die Vornahme der Absteckungen und Kontrolle der Einzelmaße verschiedener Bauteile, die Prüfung, Zulassung oder Zurückweisung der Baumaterialien, die Anordnung für vorschriftsmäßige Einfügung aller im Bau verbleibenden Teile, die Sorge für die Sicherheit aller Baugerüste und die Beischaffung und richtige Unterhaltung aller Baugeräte, die Führung der Arbeiterlisten, des Bautagebuches (Geschäftsjournals), die Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit auf der Baustelle u.s.w. Werden die Bauarbeiten in Regie betrieben, so haben die Bauführer auch die Tätigkeit der Arbeiter zu überwachen und den je nach den Leistungen verschiedenen Lohn für dieselben bei der Bauleitung zu beantragen, soweit ihnen hier nicht selbständige Befugnisse eingeräumt sind. Die Zahl der bei der Bauaufsicht verwendeten Personen hängt in erster Linie von der Größe und Ausdehnung des Bauobjektes, sodann aber von der Art des Baubetriebs: ob in Generalentreprise, in Einzelakkorden, in Regie (im Taglohn) u.s.w. ab. Erfolgt der Baubetrieb durch einen sogenannten Generalunternehmer (in Generalentreprise), so hat derselbe nur innerhalb gewisser, im Vertrage vorgesehener Schranken den Anordnungen der von der Bauleitung zur Beaufsichtigung vertragsmäßiger Ausführung der Arbeit bedeuten Bauführer Folge zu leisten. Bei Meinungsverschiedenheiten bleibt ihm die Berufung auf die Bauleitung stets vorbehalten. In diesem Falle übernimmt die Bauleitung in der Regel durch die Aufstellung von Aufsichtspersonal keinerlei Verantwortung für die vorschriftsmäßige Herstellung der Arbeiten; es kann dann der Generalunternehmer eine schlechte oder von der Bauvorschrift abweichende Arbeit auch nicht damit entschuldigen, daß sie unter Aufsicht der Bauführer ausgeführt worden sei. Gegen die Anordnungen der Bauführer, die nach Meinung des Unternehmers eine Abweichung von der Bauvorschrift der Bauleitung zur Folge haben, muß derselbe sofort reklamieren unter gleichzeitiger Angabe etwa erhöhter Preisforderungen für den Fall, daß die Bauleitung nachträglich eine die Arbeiten verteuernde Anordnung ihrer Bauführer gutheißen sollte.
Während sich bei Ausführung in Generalentreprise die Zahl der Aufseher auf ein Minimum reduzieren läßt, muß bei Vergebung eines Bauwerkes an verschiedene Akkordanten diese Zahl wesentlich erhöht werden. Neben der Ueberwachung der Arbeitsqualität liegt hier der Bauaufsicht auch die Sorge für das zeitlich richtige Ineinandergreifen der Leistungen der Einzelakkordanten ob. Erfolgt die Bauausführung in Regiebetrieb, so erreicht die Zahl der Bauaufseher ihr Maximum. In diesem und dem vorhergehenden Falle übernimmt die Bauleitung durch die Aufstellung der Bauaufsicht auch die volle Verantwortung für die vorschriftsmäßige Herstellung der Bauarbeiten, und es ist deshalb das Personal nur aus gründlich erfahrenen, bei ähnlichen Ausführungen bewährten, mit den verschiedenen Bauhandwerken vertrauten Technikern zu wählen. Vielfach wird den Bauführern bezw. dem Aufsichtspersonale auch die Anfertigung der Werkzeichnungen, Schablonen u.s.w. übertragen. Allgemein läßt sich über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit dieser Disposition nichts sagen; es muß der Bauleitung im speziellen Falle die Bestimmung der Obliegenheit jedes Bauführers überlassen bleiben. Die große Mehrzahl aller Differenzen mit den Bauunternehmern wickelt sich erst nach Vollendung des Bauvollzuges ab, weil dieselben während des Bauvollzuges ihre Beschwerden gegen das Aufsichtspersonal nicht gerne der Bauleitung kundgeben, um sich. gegen Repressalien zu sichern. Da es sich bei Lösung der Differenzen meist um Entschädigungsforderungen für erhöhten Aufwand infolge verlangter, die Vertragsvorschrift überschreitender Arbeitsqualität oder abnormaler Arbeitsschwierigkeiten handelt, ist die richtige Führung des Bautagebuchs und die Eintragung aller besonderen Vorkommnisse als Anhaltspunkt für die richterliche Entscheidung oder den gütlichen Vergleich von eminenter Bedeutung. Daß bei Regiebauten die Bauaufsicht von erheblichem Einflüsse auf den Gesamtaufwand ist, brauchen wir kaum besonders hervorzuheben. In neuerer Zeit wird auch vielfach die Bezeichnung Bauleitung für Bauaufsicht, und Bauoberleitung für das, was man seither unter Bauleitung verstanden hat, gewählt.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.