Bauvollzug

Bauvollzug

Bauvollzug, die Erledigung aller jener Arbeiten, die nach Fertigstellung eines Bauprojekts oder Feststellung eines Bauvorhabens im allgemeinen bis zur Vollendung bezw. Uebernahme des Bauobjektes erfolgen müssen.

In der Hauptsache werden drei Wege zur Erreichung des Zieles eingeschlagen: Vollzug in Regie, in Generalentreprise oder in gemischtem System (Einzelakkorde und Regie).

Der Vollzug in Regie, d.h. in Selbstverwaltung ohne die Mittelsperson eines Unternehmers, eignet sich für Erdarbeiten, Maurer- und Steinhauerarbeiten, Straßenüberschotterung, Straßenreinigung, Bahnerhaltung, Reparaturen aller Art im Hochbau und Tiefbau u.s.w., überhaupt für alle durch Einzelleistungen von Taglöhnern und Handwerkern unter Aufsicht der Bauverwaltung und bei Zugabe des nötigen Baumateriales, der gewöhnlichen Werkzeuge und Gerätschaften erreichbaren Ausführungen. Er empfiehlt sich stets, wenn die Qualität der Arbeit während der Ausführung in einer vorher nicht festzustellenden Weise wechselt, d.h. je nach Befund der äußeren Bedingungen an einzelnen Stellen besser sein muß, an andern wieder geringer sein darf, um dem Zwecke des Baues vollständig zu entsprechen. Bauobjekte, deren Kosten sich im voraus nicht bestimmt berechnen lassen, weil Zufälligkeiten den Vollzug erschweren oder erleichtern können (z.B. Hochwasser bei Flußkorrektionen und Wasserbauten aller Art), ferner solche, die eine besonders solide und vorsichtige Ausführung und eine erst von Fall zu Fall bestimmbare Anordnung der Einzelheiten erfordern, wie schwierige Fundationen, Abtragung und Wiederersatz von Mauern u.s.w. bei Veränderungen an Gebäuden, Wasserfassungen u.s.w., sind ebenfalls vorzugsweise zur Ausführung in Regie vereigenschaftet. Je größer die nötige Anzahl von Arbeitern bezw. Handwerkern ist, desto höher wird auch im allgemeinen der Lohn gegriffen werden müssen, denn um so größer wird dann die Entfernung sein, aus der die Arbeiter beizuziehen sind. Besonders auf abgelegenen Baustellen – weniger in großen Städten – macht sich dies fühlbar. Jede Maßregel, welche die Verpflegung und den Unterstand der Arbeiter erleichtert (Menagen, Schlafstätten u.s.w.), wirkt auf Verminderung des Lohnes. Im übrigen ist klar, daß bei solchem Bauvollzug, bei dem die Bezahlung an jeden einzelnen Mitwirkenden nach Maßgabe der von demselben verwendeten Zeit zu erfolgen hat, zur Verhütung von Geldverschleuderung an träge oder untüchtige Kräfte eine tüchtige Bauaufsicht erforderlich ist, deren Mitglieder nicht bloß praktisch erfahren, sondern auch behutsam, rechtlich und unparteiisch sein und jeden Arbeiter an die richtige Stelle zu setzen, bezw. die zu Gebot stehenden Mittel für die Ausführung richtig zu benutzen wissen müssen. Auch die Bauleitung muß durch geschickte Dispositionen, Fürsorge für die rechtzeitige Anlieferung der Baumaterialien, pünktliche und regelmäßige Lohnzahlungen, Vermeidung aller unnötigen Disziplinarverordnungen, Ungerechtigkeiten u.s.w., besonders aber durch richtige Instruktion der Bauaufseher und Verhinderung jeder herabwürdigenden Behandlung sich die nötige Autorität sichern und das Zutrauen aller am Bauvollzuge Mitwirkenden erwerben. – Treffen diese Voraussetzungen zu, so wird auch bei Neubauten, die sich zur Vergebung in Akkord eignen würden, die Ausführung in Regie billiger als durch Unternehmer. Eine richtige Disposition wird jedoch zweifelhaft, wenn den leitenden Technikern oder Bauführern zwar eine gute sogenannte theoretische Ausbildung zur Seite steht, aber die nötige Erfahrung fehlt; in der Regel wird dann experimentiert, wodurch Autorität und Zutrauen verloren gehen und finanzielle Nachteile entstehen, die häufig den von einem Unternehmer erzielten Gewinn weit überwiegen. – Ein nicht zu unterschätzender Vorteil des Regiebaues ist die Schulung bezw. praktische Ausbildung der jungen Bauführer, welchem Zwecke deshalb da und dort gerne Opfer gebracht werden, sofern man – wie z.B. bei der Staatsverwaltung, im städtischen Bauwesen u.s.w. – annehmen darf, daß das geschulte Personal im Dienst verbleibt. – Unter den Begriff Regiebau fallen auch noch jene Dispositionen, bei welchen Arbeiterverbände unter Führung eines Vorarbeiters gegen Akkordsätze, die dem letzteren ausbezahlt werden, zur Verwendung gelangen, was besonders bei fremden Arbeitern (Italienern u.s.w) üblich ist. Vielfach zählt man sogar noch jene Ausführungsweise, bei der einzelne Teile des Bauobjektes an kleine Meister oder Gesellen nach Ausmaß oder Stückzahl zur Vergebung gelangen oder nach Preislisten bezahlt werden, zum Regiebau, sofern bei der Gesamtausführung die Bauleitung in dem Verhältnis des Arbeitgebers zu den dabei beschäftigten Arbeitern bleibt.

Generalentreprise eignet sich hauptsächlich dann für eine Bauausführung, wenn zu deren Herstellung ganz besondere, nur wenigen Personen eigentümliche Kenntnisse und Erfahrungen oder kostspielige Einrichtungen, große Werkstätten u.s.w. gehören oder wenn geeignete Sachverständige für die Bauleitung bezw. die Bauführung im speziellen Falle nicht oder nicht in genügender Zahl zur Verfügung stehen. Große Maschinenanlagen, Dampfschiffe und Seeschiffe, Eisenkonstruktionen aller Art im Hochbau und Tiefbau, Elektrizitätswerke, Luftdruckgründungen, Hebewerke u.s.w. gehören in erster Linie hierher. Es werden aber auch öffentliche und private Gebäude (wie man zu sagen pflegt: den Schlüssel in die Hand), große Eisenbahnanlagen mit aller Betriebsausrüstung, ganze Brücken-, Hafen- und Kanalanlagen, Wasserversorgungen, Entwässerungen, Meliorationen, Straßen u.s.w. in Generalentreprise gebaut. Man kauft so gewissermaßen die Bauausführungen wie einen auf Bestellung gefertigten Rock; es ist Sache des Unternehmers,[637] dafür zu sorgen, daß er bei der Uebergabe paßt. In diesem Sinne ist dann zur Ueberwachung des Bauvollzuges wenig Personal erforderlich. So einfach dies System in der Theorie erscheint, so gefahrvoll ist es bei seiner Anwendung für den Auftraggeber. Es ist geradezu unmöglich, einen großen Bauauftrag so zu erteilen, daß alle Zweifel über Umfang und Qualität der abzuliefernden Arbeiten und über die Tragweite der übernommenen Verpflichtungen ausgeschlossen sind. Jeder diesbezügliche Vertrag läßt Auslegungen zu, die besondere Rechnungen des Unternehmers für allerlei Unvorhergesehenes begünstigen. Nachforderungen gegenüber dem beim Vertragsabschlusse vereinbarten Gesamtpreis sind deshalb die Regel und meist schwer zu bekämpfen. Das Schlimmste aber ist, daß im Falle unbefriedigender Arbeit es in praxi die Umstände nur ganz ausnahmsweise gestatten, das fertige Bauobjekt ohne weiteres abzulehnen. Meistens braucht man dasselbe sehr notwendig und drückt dann auch bei weniger befriedigender Arbeit lieber ein Auge zu, als daß man sich unsicheren Prozessen und unabsehbaren Verschleppungen durch dessen Zurückweisung aussetzt. Die am wenigsten gewissenhaften Unternehmer haben deshalb bei der Generalentreprise die größten Chancen; im übrigen muß man sich auch bei sonst vertrauenswürdigen Unternehmern zum minderten auf die vorhin erwähnten Nachforderungen gefaßt machen. Außer in den eingangs genannten und ähnlichen Fällen, in welchen keine andre Wahl bleibt, empfiehlt sich also Generalentreprise nur mit vielfach bewährten, solventen und als durchaus gewissenhaft und vertragstreu bekannten Unternehmern.

Das gemischte System (Einzelakkord und Regie) des Bauvollzuges besteht darin, daß die Arbeiten für das zu erstellende Bauwesen teilweise in Regie betrieben, dagegen alle für kleinere Akkorde geeigneten Teile an verschiedene Gewerbetreibende (und zwar meistens Lieferung und Arbeit zusammen) übertragen werden. So wird z.B. im Hochbau die Fundamentarbeit in der Regel in Regie hergestellt, Maurer- und Steinhauerarbeit, Zimmermannsarbeit, Schreinerarbeit, Glaserarbeit, Schlosserarbeit, Blechnerarbeit, Malerarbeit, Dachdeckerarbeit u.s.w. dagegen einzeln an die betreffenden Handwerker verakkordiert. Vielfach besteht jedoch auch der Gebrauch, Materialien und Arbeit getrennt zu vergeben, z.B. bei Eisenbahnbauten die Lieferung der Schienen, der Schwellen, des Zementes und andrer Baumaterialien, während das Verlegen derselben bezw. Einbau und Verwendung durch besondere Unternehmer erfolgt; manchmal geht die Trennung noch weiter, z.B. bei Rohrleitungen, wo Lieferung der Röhren, Grabarbeit, Verlegen und Dichten in verschiedene Hände gelegt werden. Endlich besteht die Uebung, bei allen größeren Ausführungen die Arbeiten in Lose zu trennen, in denen dann jeweils alle ebengenannten Unterabteilungen eintreten. Bei dem gemischten System bedarf die Bauleitung keines so umfassenden Aufsichtspersonals wie beim Regiebetrieb, und die Erfahrung lehrt, daß mit demselben in Rücksicht auf die derzeit mit den üblichen Bezahlungen erreichbaren Aufsichtspersonen und auf die dem gemischten System angepaßten Einrichtungen der Gewerbetreibenden und den Ausbildungszustand der letzteren in allen Kulturstaaten der Gesamtaufwand bei sonst gleicher Tüchtigkeit der Ausführung das Minimum erreicht.

Von größter Bedeutung für einen richtigen Bauvollzug, ganz einerlei, welches System dabei angewendet wird, ist die Sachkenntnis der Bauleitung; nur dann, wenn von dieser die Spezialprojekte rechtzeitig und brauchbar gefertigt, jeder Vollendungstermin korrekt bestimmt und für das richtige Ineinandergreifen der Einzellieferungen und Arbeiten gesorgt wird, wird der Zweck: eine gute Ausführung mit dem Minimum an Kosten, erreicht werden. Leider wird dies noch nicht überall von den Verwaltungsbehörden erkannt. Gar nicht selten führen Bauingenieure Schulbauten, Wohnhäuser, Architekten Maschinenanlagen und Elektrizitätswerke, Maschineningenieure Fluß- und Strombauten u. dergl. aus; daß in solchen Fällen »der Generalunternehmer die meisten Chancen hat«, ist leicht zu begreifen.

Lueger.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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