- Gay-Lussacsches Gesetz
Gay-Lussacsches Gesetz. Dasselbe sagt aus: Bei konstantem Drucke sind die Volumenänderungen eines Gases (s.d.), bezogen auf die Einheit seines. Volumens bei 0° C, proportional seinen Temperaturänderungen; die Proportionskonstante hat für alle Gase und Drücke den gleichen Wert. Bezeichnen v, v0 die Volumina eines Gases bei den Temperaturen t und 0°, so soll also bei konstantem Drucke p in den Gleichungen
α konstant und für alle Gase und Drücke gleichgroß sein. Da nach 1. für eine beliebige andre Temperatur t1 das Volumen v1 = v0 (1 + α t), so ergeben sich durch Division als weitere Ausdrücke des Gay-Lussacschen Gesetzes unmittelbar und mit 1/α + t = T:
worin bei Zutreffen des Boyleschen Gesetzes (s.d.) T, T1 die den Celsiusschen Temperaturen t, t1 entsprechenden absoluten Temperaturen (s.d.) bedeuten.
Das Gay-Lussacsche Gesetz wurde 1802 durch Gay-Lussac veröffentlicht [1], [8], aber nach seiner Angabe schon 15 Jahre früher von Charles erkannt. Die Versuche über seine Gültigkeit hatten festzustellen, ob wirklich die bei beliebigen Körpern als (kubischer) Ausdehnungskoeffizient (s.d.) bezeichnete Größe
oder auch der mittlere Ausdehnungskoeffizient
für Gase immer den gleichen Wert hat. Dabei konnten jedoch nur solche Methoden direkt vergleichbare Werte liefern, welche nicht die Gültigkeit des Boyleschen (Mariotteschen) Gesetzes voraussetzen, da sonst auch durch Ungenauigkeiten des letzteren Abweichungen möglich würden. Eine solche Methode hat zuerst Regnault [3], [8] angewendet (seine V. Methode, Versuche bei konstantem Drucke), wobei sich als Mittelwerte von α' bei 0 bis 100° ergaben:
[313] Hiernach schienen die Ausdehnungskoeffizienten für die schwerst kondensierbaren Gase (zu welchen die vier ersten gehören) nahezu gleich zu sein, jedoch mit dem Drucke etwas zu wachsen, während die leichter kondensierbaren gasförmigen Körper entschieden höhere α' aufwiesen. Die Versuche wurden später von Regnault nach andrer Methode fortgesetzt [4] und in neuerer Zeit von Amagat bis zu Drücken von 3000 Atmosphären ausgedehnt [5], [6]. Bei manchen Versuchen wurde jedoch nicht der auf das Volumen v0 bei 0° bezogene Ausdehnungskoeffizient 3. oder der entsprechende mittlere Ausdehnungskoeffizient 4. von 0 bis t ermittelt, sondern der dem Ausdrucke
(v1 beliebiges Anfangsvolumen) entsprechende mittlere Koeffizient von t1 bis t:
So bezog Andrews (Phil. Mag. 1876, III, S. 63; [9], S. 145) die Koeffizienten der Kohlensäure für höhere Drücke auf das Volumen bei t1 = 64°, weil die Kohlensäure bei Drücken von über 36 Atmosphären bei 0° flüssig ist. Amagat bestimmte die folgenden α' von 0 bis 100° und die α'1 von 100 bis 200°, aus welchen wir die mittleren Ausdehnungskoeffizienten von 0 bis 200° zufolge 4. und 6. gleich
wie beigefügt berechneten:
Aus diesen Zahlen ist ersichtlich, daß die Ausdehnungskoeffizienten bei genügend hohen Drücken auch für die schwerst kondensierbaren Gase wesentlich voneinander abweichen können, während auf die schon von Regnault beobachtete Zunahme der Ausdehnungskoeffizienten mit wachsendem Drucke wieder eine Abnahme folgt, welche sich bei Amagats Versuchen mit obigen Gasen von 1000 bis 3000 Atmosphären fortsetzte [5], [6], S. 373. Auch die Temperatur ist nicht ohne Einfluß, obwohl sich dieser bis 200° gering ergab.
Nach vorstehenden und andern Versuchsresultaten kann von unbeschränkter Gültigkeit des Gay-Lussacschen Gesetzes bei keinem Gase die Rede sein. Anderseits zeigt aber die Gesamtheit der Versuche, daß das Gesetz innerhalb der bei technischen Untersuchungen gegenwärtig in Betracht kommenden Grenzen für atmosphärische Luft und die andern schwerst kondensierbaren Gase mit ähnlicher Annäherung als zutreffend angesehen werden kann wie das Boylesche Gesetz, womit das gleiche für das aus beiden resultierende Boyle-Gay-Lussacsche Gesetz (s.d.) gilt. Dies steht auch im Einklang mit der kinetischen Gastheorie (s. S. 277).
Literatur: [1] Gay-Lussac, Recherches sur la dilatation des gaz et des vapeurs, Annales de chimie et de physique 1802, XLIII, S. 137. [2] Magnus, Ueber die Ausdehnung der Gase durch die Wärme, Poggendorffs Annalen 1842, LV, S. 1. [3] Regnault, Untersuchungen über die Ausdehnung der Gase, ebend. 1842, LV, S. 391, und 1842, LVII, S. 115 (nach Annales de chimie et de physique 1842, IV, S. 5, und 1842, V, S. 52). [4] Regnault, Relations des expériences etc., Paris 1862 (zugleich Bd. XXVI der Mémoires de l'Acad. des sciences), S. 565. [5] Amagat, Sur les lois de la dilatation des gaz sous pression constante, Comptes rendus etc. 1892, CXV, S. 771. [6] Ders., Mémoire sur l'élasticité et la dilabilité des fluides jusqu'aux très hautes pressions, Annales de chimie et de physique 1893, XXIX, S. 68, 505. [7] Baly und Ramsay, Versuche über die Beziehung zwischen Druck, Volumen und Temperatur bei verdünnten Gasen, Philosophical Magazine 1894, XXXVII, S. 301. [8] Das Ausdehnungsgesetz der Gase, Abhandlungen von Gay-Lussac, Dalton, Dulong und Petit, Rudberg, Magnus, Regnault (18021842), Ostwalds Klassiker der exakten Wissenschaften, Nr. 44, Leipzig 1894. [9] Wüllner, Lehrbuch der Experimentalphysik, II, Die Lehre von der Wärme, Leipzig 1896, S. 108, 144. [10] Pfaundler, Müller-Pouillets Lehrbuch der Physik und Meteorologie, Bd. 2, 2. Abt.: Von der Wärme, Braunschweig 1898, S. 100, 112. [11] Weyrauch, Grundriß der Wärmetheorie, I, Stuttgart[314] 1905, S. 124, 127,235. [12] Winkelmann, Handbuch der Physik, Bd. 3, 1. Hälfte: Die Wärme, Leipzig 1906, S. 110.
Weyrauch.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.