Geschütze [2]

Geschütze [2]

Geschütze zur Abwehr von Luftzielen (»L-Kanonen«). Wesentliche Erfordernisse sind großes Seiten- und Höhenrichtfeld und schnell arbeitende Richteinrichtungen.

Am besten läßt sich das erreichen, wenn Geschützrohr und Wiege mit zurückverlegten Schildzapfen auf einer Mittelpivotlafette angebracht sind. Das geschieht bei fester Aufstellung an den zu schützenden Baulichkeiten (Luftschiffhallen, Bahnkunstbauten, Schleusen u. dergl.) bezw. auf Kriegsschiffen, und wird auch angewendet, wenn das Geschütz auf Kraftwagen fortgeschafft wird. Das Seitenrichtfeld ist unbegrenzt. Eine 7,5 cm-L-Kanone auf Kraftwagen gestattet bis 75° Erhöhung und kann hierbei Ziele in 1500 m Höhe noch fassen, wenn sie schon bis auf 500 m an das Geschütz herangekommen sind. Bei L-Kanonen in Räderlafetten (wie beim Feldgeschütz) gewinnt man ein größeres Seitenrichtfeld durch Abschwenken der Achsschenkel mit den Rädern. Zur Beschleunigung des Richtens dienen besondere Zieleinrichtungen. Sollen die einzelnen Geschütze selbständig auftreten (auf Kraftwagen oder in fester Aufstellung), so wird das Visier- mit einem Beobachtungsfernrohr vereinigt. Der Geschützführer verschiebt je nach seiner Beobachtung die Zielmarke des Fernrohrs, der Richtwart folgt, indem er mit Höhen- und Seitenrichtmaschine die Richtung der Rohrwiege derart verändert, daß die Zielmarke das Ziel wieder faßt. Das Ziel kann demnach dauernd verfolgt werden, ohne daß eine zeitraubende Verständigung zwischen Geschützführer und Richtwart notwendig ist. Die Zieleinrichtung wird seitlich angebracht, weil die Schwingungen der Rohrwiege beim Schießen dann weniger empfunden werden. Bei L-Kanonen in Räderlafetten wird die unabhängige Ziellinie angewendet. Der Richtwart auf der einen Seite des Geschützes gibt die Geländewinkel (Lagewinkel-)erhöhung, der Ladekanonier auf der andern Seite den Erhöhungswinkel für die Schußweite. Die großen in Betracht kommenden Lagewinkel machen eine besondere Einrichtung der Richtinstrumente notwendig, denn der Visierwinkel für eine bestimmte Entfernung ändert sich mit der Größe des Lagewinkels (Geländewinkel). Zum Beispiel kann für 4000 m Entfernung bei 0° Geländewinkel ein Visierwinkel von 81/2°, bei 40° Geländewinkel ein solcher von 7° notwendig sein. Einem Geländewinkel von 90° entspricht stets ein Visierwinkel von 0°. Bei den Zieleinrichtungen der L-Kanonen sind deshalb entweder Trommelaufsätze, die mit mehreren Entfernungsteilungen für die verschiedenen Geländewinkelgruppen versehen sind, im Gebrauch oder die Aufsatzstellung wird durch Einstellung des Zielfernrohrs auf eine Trommel oder Scheibe gewonnen, die mit Kurvenflächen versehen ist, welche den verschiedenen Entfernungen und Lagewinkeln entsprechen. Fehlen derartige Vorkehrungen an der Zieleinrichtung, so sind die Batterieentfernungsmesser mit Kurven zum Ablesen der dem Lagewinkel entsprechenden Erhöhung versehen.

Als Geschosse gegen Flugzeuge kommen in erster Linie Schrapnells Bz. in Betracht. Freilich verlangsamt die Beobachtung und das Stellen der Brennzünder die Feuergeschwindigkeit, und die Zünderstreuung ist infolge der großen Flughöhen erheblich. Man wendet deshalb bei kleinkalibrigen Geschützen, bei denen – innerhalb der zulässigen Gewichtsgrenzen – große[317] Anfangsgeschwindigkeiten und infolgedessen große bestrichene Räume zu erreichen sind, mit Vorteil Granaten Az. an. – Gegen Luftschiffe genügt die Wirkung einzelner Sprengteile nicht, und da sie viel Trefffläche bieten, so bekämpft man sie besser mit Granaten Az. Der Aufschlagzünder muß aber auch beim Auftreffen auf die wenig widerstandsfähige Ballonhülle wirksam werden und deshalb besonders empfindlich, anderseits gegen vorzeitiges Losgehen gesichert, vor allem rohrsicher sein. Die Rheinische Metallwaren- und Maschinenfabrik und Fried. Krupp A.-G. stellen besondere L-Geschosse mit Rauchsatz her. Der Satz wird durch einen besonderen Zünder in Brand gesetzt und soll die Geschoßbahn als Rauchstreifen sichtbar machen, um frühzeitig ein Urteil über etwa notwendig werdende Aenderungen der Richtung für den nächsten Schuß zu ermöglichen. – Ueber praktische Versuche mit L-Kanonen ist noch wenig bekannt geworden; eine der Wirklichkeit nahekommende Zieldarstellung ist sehr schwierig.


Literatur: [1] Vierteljahrshefte für Truppenführung und Heereskunde 1913, S. 67. – [2] Fried. Krupp A.-G., »Artillerie« (nicht im Buchhandel). – [3] Artilleristische Monatshefte 1910 S. 82 u. 188. – [4] The Engineer 1910, S. 294. – [5] Schweiz. Zeitschr. f. Art. und Genie 1909, Nr. 11, u. 1910, S. 68. – [6] Zeitschr. f. d. ges. Schieß- u. Sprengstoffwesen 1910, S. 137. – [7] La Belgique militaire 1910, S. 447. – [8] Kriegstechn. Zeitschr. 1911, Heft 9.

Wille.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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