Mulezwirnmaschinen

Mulezwirnmaschinen

Mulezwirnmaschinen (Twiner) liefern einen aus mehr oder weniger (gesponnenen) Garnfäden gedrehten Zwirnfaden zur Verwendung für Nähfaden, Geschirrfaden, Stickgarn, Strumpfgarn u.s.w., indem sie nach Art der Mulespinnmaschinen (s. Baumwollspinnerei, Bd. 1, S. 612) die Arbeit des Zwirnens (bei gleichzeitiger Lieferung des Grundfadens) und des Aufwindens zeitlich trennen [1], Deshalb ist auch die Mulezwirnmaschine im Unterschied zur Flügel- oder Ringzwirnmaschine für jede dieser Funktionen mit besonderen Mechanismen zu versehen, deren Antrieb durch eine Steuerung eingeleitet wird. Die Betriebsorgane sind im wesentlichen dieselben wie am Selfaktor (Mulespinnmaschine); nur fällt hier das Streckwerk (die Lieferzylinder) weg, da der Grundfaden eines Zwirnes bereits Drehung hat.

Der Konstruktion nach sind zu unterscheiden: 1. Twiners mit fahrender Aufsteckung; 2. Twiners mit fahrenden Spindelwagen.

ad. 1. Die Maschinen mit fahrender Aufsteckung tragen in einem über der Gestellwand C aus und ein fahrenden Wagen w die Copsaufsteckung, während die Zwirnspindeln in einem festen Gestell W gelagert sind (Fig. 4). Die Aufsteckung des als Grundfaden dienenden Materials besteht hier aus Cops (Kötzern), die der Selfaktor (Bd. 1, S. 614) liefert. Diese Cops s (Fig. 1) werden im Wagen w so aufgedeckt (auf Stahlspindeln s), daß sie gemäß ihrer konischen Windung über die Spitze der ersteren abgewunden werden, weil diese nach einem Führungsauge a gerichtet ist, durch welches der Faden, dem Zug der Zwirnspindel S folgend, abgezogen wird. Ueber Glasstangen geht nun der Faden durch einen Wassertrog w k (wo die Komprimierung vorstehender Fasern stattfindet) und durch die Klappe k nach dem aufwindenden Organ, der Spindel S. Diese steht schräg in einem Holzgestell W, nach der Bauart der Selfaktorwagen, und wird 6–7000mal pro Minute umgedreht durch die Trommel T. Diese empfängt ihren Antrieb durch das Hanfseil i von der Seilscheibe b auf die Rolle d (mit der Streckrolle c). Der Wagen w mit der Aufsteckung bewegt sich auf Rollen über den Gestellrahmen C und wird für den Ein- und Auszug nach links und rechts bewegt durch die Seile n und f, welche, beiderseits am Wagen fest, sich an den schneckenförmigen Seilscheiben A1 auf- bezw. abwickeln.

Die Anordnung der Mechanismen zeigen Fig. 2 und 3. A Antriebachse mit Voll- und Leerrolle und Abwindfriktion c, Zwirnscheibe b zum Antrieb der Spindeln beim Auszug (also während des Zwirnens). Die Spindelbewegung beim Einzug aber besorgt für das Aufwinden des vorher gezwirnten Fadens der Quadrantarm e, dessen Drehpunkt hier im beweglichen Wagen w liegt, während sein Endpunkt mittels der Stange p am festen Gestell hängt. Durch[537] beschleunigtes Abwickeln der Kette q infolge des Bogenweges von o gegenüber dem geradlinigen von w wird eine Beschleunigung der Spindelbewegung beim Einzug des Wagens erreicht und damit ein gleichmäßiger Fadenzug bei abnehmendem Windungsdurchmesser erzielt. Die Bewegung von Aufwinder a und Gegenwinder g zum Zweck der Fadenführung auf die Spindel beim Aufwinden wird durch ein Kopingplatlineal l (Fig. 2), auf welches sich ein mit den Aufwind- und Leitstangen Q und P (Fig. 1) gekuppelter vertikaler Arm k stützt, erreicht. Die Steuerwelle, hohl, mit Exzentern versehen und angetrieben durch eine innere, beständig rotierende Achse, liegt senkrecht zur Hauptachse A im Gestell und dreht sich nach Ein- und Auszug je 1/2mal, wobei die entsprechenden Hebel zum Ein- und Ausrücken der Einzugfriktion c (Fig. 1), der Auszugfriktion, der Abwindfriktion c (Fig. 3) durch die Exzenterscheiben der Steuerwellen bewegt werden.

Bewegungsperioden: 1. Wagen w (Fig. 1) vor den Spindeln S. a und g in Ruhe; der Auszug beginnt, gleichförmig angetrieben, durch Hauptwelle A und Rolle γ; die Spindeln s drehen sich ebenfalls gleichförmig, durch Zwirnscheibe b getrieben (sie heißt Zwirnscheibe, weil durch ihre Aenderung die Spindelgeschwindigkeit und damit die Drehungen pro Längeneinheit des Auszuges geändert werden). – 2. Wagen w, am Ende rechts seiner Auszugbahn angelangt, steht still bei ausgerücktem Auszugantrieb γ. Die Spindeln drehen sich behufs Nachdrehens (Ausgleichen des Zwirnes) noch fort, bis nach einigen Sekunden auch diese Motion ausrückt. – 3. Einzugfriktion c2 c3 (Fig. 1) rückt ein, der Wagen fährt mit anfangs beschleunigter, am Ende verzögerter Geschwindigkeit nach links, angetrieben durch die konischen Räder c c1 und die schneckenförmige Seilscheibe A1 durch e e1 und f f1 von der Hauptachse A aus. Die Spindeln s drehen sich mit beschleunigter Bewegung, Aufwinder a und g gehen schnell in die Grundstellung am Fuß der konischen Windungsschicht, dann langsam nach aufwärts. Deshalb legen sich auf den Konus der Aufwindung nach abwärts Schraubenlinien mit großer Steigung, nach aufwärts solche mit geringer Steigung, wodurch die zum Halt des Kötzers nötige Fadenkreuzung entsteht. Zu Anfang der dritten Periode rotieren die Spindeln rückwärts behufs Anlegens des Fadens durch den Aufwindedraht. – 4. Die Kluppe k (Fig. 1) ist während des ganzen Einzuges zu, so daß der vorher gezwirnte Faden hier fest ist und nur dieses gezwirnte Stück aufgewunden wird. Beim Auszug war k offen, und es wurde die Fadenauszuglänge durch den fahrenden Wagen w von den Aufsteckspindeln s abgezogen. Die Kluppe wird gleichzeitig mit beendigter Auszugbewegung geöffnet und geschlossen.

ad. 2. Die Maschinen mit fahrendem Spindelwagen haben eine Getriebkonstruktion, welche vollständig derjenigen des Selfaktors zum Spinnen entspricht (Bd. 1, S. 614 ff.); abweichend ist Aufsteckung und Fadenkluppe.

Die Aufsteckung a (Fig. 47) enthält hier Scheibenspulen 1, 2, 3, 4, welche auf einer Spulmaschine gewunden wurden. Die Grundfäden werden durch den fahrenden Wagen W von ihnen abgezogen und gehen durch die Kluppe h (Fig. 8), in welcher sie beim Auszug frei[538] passieren, so daß die Fäden abgezogen und gedreht werden können. Beim Einzug von W ist die Kluppe auf die Fäden festgelegt, und hält ihr freiliegendes Ende behufs Zwirnens derselben fest. Die Fadenkluppe hat in Wirklichkeit die Konstruktion von Fig. 8 und ist in Fig. 47 nur schematisch angedeutet. Um den Faden beim Festhalten während des Zwirnens und Aufwindens zu schonen, wird er zwischen den Doppelstiften h (Fig. 8) der festen Schiene k und den einfachen Stiften h1 der beweglichen Schiene h0 hindurchgeführt. Wird h0 so verschoben, daß h und h1 und h in der Fadenlinie hintereinander stehen, so ist der Faden S-förmig um die drei Stifte gelegt und wird durch vermehrte Reibung festgehalten, ohne gepreßt zu werden. x, y, l1 l2 dienen zur Fadenführung beim Abwinden und zum Eintauchen in den Wasserkenel w1; w Abtropfkenel.

Die Erstellung des Zwirnfadens geht in vier Arbeitsperioden nach Fig. 47 vor sich wie folgt: Erste Periode. Kluppe e e1 (Fig. 4) ist geöffnet. Der Spindelwagen W bewegt sich mit gleichförmiger Geschwindigkeit nach außen. Die Spindeln S drehen sich mit gleichförmiger Geschwindigkeit, geben dem Faden durch die Reibung, welche er über ihnen erhält, die eigne Drehung bis zur Klemmstelle e. Die Aufwinddrähte A und G sind in Ruhe. – Zweite Periode. Der Spindelwagen W (Fig. 5) steht fest am äußeren Ende seiner Bahn. Die Spindeln geben dem Zwirnfaden den ausgleichenden Nachdraht. – Dritte Periode. Bei noch stillstehendem Wagen W (Fig. 6) drehen sich die Spindeln S einige Sekunden nach rückwärts. Der Aufwinddraht A geht abwärts, der Gegenwinder G aufwärts zur Streckung der durch das Abwinden gelockerten Fadenkette und zur Führung des Fadens an die Stelle der Aufwindung. – Vierte Periode. Bei immer noch geschlossener Kluppe e e1 (Fig. 7) bewegt sich W nach der Aufsteckung zu mit ungleichförmiger Geschwindigkeit; die Spindeln drehen sich mit einer Beschleunigung, welche dem abnehmenden Durchmesser der konischen Aufwindung entspricht. Das in der ersten Periode gezwirnte Material wird in konischen Windungsschichten spiralförmig auf die Spindel gewunden, wobei die Führung des Fadens durch den schnell ab- und langsam aufsteigenden Aufwinddraht A besorgt wird, während der Draht G, der Gegenwinder, die Zwirnfäden anstreckt.

Produktion. Macht die Maschine für Zwirn Nr. 30 zweifach 4 Auszüge pro Minute à 68'' engl. = 1700 mm, so hat man pro Minute eine Längenlieferung = 4 · 68 = 272'' engl. und in 10 Arbeitsstunden (effektive Produktionszeit pro Tag) eine Lieferung = 600 · 272 = 163200'' engl. oder 5,4 Hanks (Schneller).

Verwendung. Das erstbesprochene Twinersystem wird in England und auf dem Kontinent verwendet zur Herstellung von Zettelzwirn für grobe Baumwollstoffe, wie Fustian und Corderoa, aus Cops Nr. 6–12. Zur Herstellung feinerer Zwirne ist aber die zweite Gattung Twiners mit Spulenaufsteckung besser am Platz; denn es ist hier ein fehlerfreies Abwinden sicherer als bei Copsaufsteckung, und zudem können zur Erstellung der Windung auf Scheibenvorsteckspulen fehlerhaft gewundene, aber gut gesponnene Selfaktorcops verwendet werden.


Literatur: [1] Boßhard, O., Baumwollzwirnerei, Weimar 1891.

Boßhard.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 4., Fig. 5.
Fig. 4., Fig. 5.
Fig. 6., Fig. 7.
Fig. 6., Fig. 7.
Fig. 8.
Fig. 8.

http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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