Möbel

Möbel

Möbel, der gesamte bewegliche Hausrat [1], wozu bei den alten Völkern neben Holz sehr häufig auch Erz und Marmor verwendet wurden [2], während das Mittelalter seine Möbelfall ausschließlich aus Holz anzufertigen pflegte [3]. In der neueren Zeit wird der Hausrat nicht nur vom Tischler, sondern in vielen Fällen auch zugleich vom Tapezierer hergestellt [4]. Die Form wird wesentlich beeinflußt durch den Zweck, dem das Möbel zu dienen hat, durch das Material, aus dem es hergestellt worden, durch die sich stets ändernden Sitten und Gebräuche der verschiedenen Völker, bei denen es in Anwendung kam, und schließlich durch den Stil, welcher zur Zeit der Anfertigung die Kunstformen beherrschte. Wir unterscheiden Sitzmöbel, Tische, Schränke und verschiedene Möbel [5].

1. Sitzmöbel. Die einfachste Form dieser Gattung ist jene, die keine Lehne hat (Schemel, Taburett); eine Bereicherung tritt ein durch Hinzufügung einer Rückenlehne und einer Armlehne (Stuhl, Sessel, Armsessel). Die Ausstattung kann eine sehr verschiedene sein; am reichsten in Form und Material gebildet ist der Thronsessel, der meist keine Armlehne besitzt. Abarten von geringerer Bedeutung sind die Dreh-, Klapp- und Schaukelstühle. Für mehrere Personen bestimmt sind die Bank, das Chorgestühl und das Ruhebett oder Sofa, letzteres auch zum Liegen eingerichtet. Gebogene und nach hinten abfallende Sitzflächen sowie Arm- und Rückenlehnen von geschweifter Form sind ungleich bequemer als vollkommen horizontale Sitzflächen und gerade Lehnen. Bei allen Sitzmöbeln sollen die Füße der Sitzenden noch den Boden erreichen, was eine Höhe der Sitzfläche von 45–50 cm vom Boden erfordert. Zur Anfertigung dieses Hausrates dienen Holz, Stein, Rohr und Metall. Da aber das Sitzen auf einer harten Unterlage für längere Zeit unbequem ist, erhielten die Sitzmöbel an den Sitzflächen Tierfelle, Gurtspannungen, Rohrgeflecht, Kissenbeläge und Polsterungen.

2. Tische. Die Hauptbestandteile derselben sind das Untergestell und die horizontale Platte. Das Untergestell besteht zumeist aus einem, zwei, drei oder mehreren Füßen in den mannigfaltigsten Formen; auch die Platte wird in den verschiedenartigsten Gestalten hergestellt. Besondere Abarten sind: der Zargentisch, bei dem das Untergestell aus zwei Seitenwänden besteht, und der Sägebocktisch, bei welchem statt der Seitenwände gekreuzte Streben angewendet werden. Schiebt man im Zargentisch mehrere Platten ein, so entsteht der Etagentisch. Der Konsolentisch steht an der Wand, wobei die Platte durch Konsolen unterstützt wird. Als Speisetisch wird sehr häufig ein Auszugtisch verwendet, der ausgezogen und durch Einlegen von Platten bedeutend vergrößert werden kann. Als Spieltisch wird zuweilen der Klapptisch gebraucht, welcher umklappbare Seitenteile hat. Blumentisch und Nipptisch dienen zur Aufnahme von Blumen oder von kleinen Kunstgegenständen. Besondere Bedeutung hat der Schreibtisch, der nicht nur zum Schreiben, sondern auch zur Aufbewahrung von Briefen, Akten, Urkunden u. dergl. dient; zu diesem Ende erhält er Kästen, Schiebladen, Fächer und Schäfte beigefügt. Abarten sind: das sogenannte Zylinderbureau, bei welchem der Tisch nach dem Gebrauche durch Herablassen einer Art Rolladens in Form eines Viertelzylinders geschlossen werden kann; der Sekretär, bei welchem die Schreibfläche umgeklappt und ebenfalls verschließbar gemacht ist; die doppelseitigen Damenschreibtische u.a.m. – Als Material wird zu Tischen hauptsächlich Holz, seltener Stein und Metall verwendet. Die Verzierung bezieht sich namentlich auf das Untergestell, das vielfach durch Schnitzerei und Drechslerarbeit dekoriert wird, während die Tischplatte unverziert oder nur mit Flachornamenten, namentlich durch Intarsia, Mosaik und Bemalung, versehen ist. Die Höhe der meisten Tische schwankt zwischen 75–80 cm.

[453] 3. Schränke (Schrein, Kasten). Die älteste Form ist die Truhe, ein tragbarer Schrein, der schon in Griechenland und Rom zur Verwendung kam; auch das Mittelalter benutzte Truhen für kirchliche und profane Zwecke. Sie sind meist prismatisch gestaltet und fußlos und am häufigsten mit Eisenbeschlag verziert. Auch die Renaissancezeit verwendete ähnliche Formen von Truhen; diese haben in der Regel Füße, einen pyramidenförmig gestalteten Deckel und sind überdies mit Intarsia oder Schnitzwerk mehr oder weniger reich verziert. Aus der alten Truhe ist der heute übliche Brandkasten entstanden, ein aus drei gleichhohen, tragbaren Teilen gebildeter Schrank, der zum Aufbewahren des Weißzeugs dient und bei Feuersgefahr in seinen einzelnen Teilen leicht abgehoben und ohne weiteres fortgetragen werden kann. Aufrechtstehende Schränke kommen im Altertum gar nicht und im Mittelalter erst in den späteren Zeiten vor; sie sind dann meist schwer gefertigt und mit starker Schmiedearbeit verziert. In der Renaissancezeit aber wurden unglaubliche Mengen, Arten und Abarten von Schränken gebildet, die den verschiedenartigsten Zwecken zu dienen hatten, insbesondere aber zur Aufbewahrung von Wäsche, Kleidern, Büchern, Kostbarkeiten u.s.w. Die Verzierung wurde entweder durch Verwendung von verschiedenen Holzarten mit ihren eigenartigen Masern oder durch Anwendung von Intarsia und Mosaik oder durch Einlegen von Metallornamenten und Schildkrot (sogenannte Boulearbeit) erzielt. Auch ein plastischer Stil kam häufig zur Verwendung, wobei die Schränke durch Säulen oder Pilaster gegliedert, durch Füllungen, Kartuschen und figuralen Schmuck reich verziert und überdies durch Anordnung von Türen, Schiebkasten und offen bleibenden Räumen äußerlich mannigfaltig gestaltet wurden. Eine Unterabteilung dieser Möbel bilden die Büfette und Kredenzschränke, die schon im Mittelalter, wenn auch nur in einfacher Form, gebräuchlich waren, zur Aufbewahrung von Eß- und Tischgerät, aber auch gleichzeitig zur Aufstellung von Prunkgefäßen dienend. In der Renaissance und in der Neuzeit wurden Büfette oft in der reichsten Weise ausgestattet; der unterste Teil bildet häufig einen Hohlraum, während der Mittelteil den eigentlichen Aufbewahrungsraum enthält und durch Säulchen gestützt erscheint; der oberste Teil erhält einen reichen Abschluß in mehreren Schäften mit Deckengalerien und reichem Kartuschenwerk. Eine weitere Art bilden die Wandkästchen von kleineren Dimensionen. Da sie aufgehängt werden, erhalten sie keine Füße, dafür aber konsolenartige Endungen nach unten, sie dienen zur Aufbewahrung von Büchern, Schlüsseln u.s.w.

4. Zu den verschiedenen Möbeln, die sich unter keinem gemeinschaftlichen Namen zusammenfassen lassen, gehören insbesondere: das Bett, die Wiege, Pult, Staffelei, Uhrgehäuse u.s.w. Letztere wurden in reicherer Form namentlich in der Renaissancezeit angewendet und dann entweder für Steh- oder Standuhren angefertigt. Auch die Wasch- oder Toiletteschränkchen wurden erst in der Renaissanceperiode in reicher Ausstattung hergestellt und pflegten sehr verschiedene Formen anzunehmen [6]–[13].

Wegen des Näheren bezüglich Stil, Ausstattung, Material u.s.w. der Möbel sowie ihrer Fabrikation wird auf die Literatur verwiesen. Vgl. a. den Art. Kunstgewerbe, Bd. 5, S. 751 ff.


Literatur: [1] Semper, Der Stil, Frankfurt 1860. – [2] Ménard und Sauvageot, La vie privée des anciens, Paris. – [3] Viollet-le-Duc, Dictionnaire raisonné du mobilier français, Paris. – [4] Hirth, Georg, Das deutsche Zimmer, München und Leipzig 1886. – [5] Meyer, Fr. Sales, Handb. d. Ornamentik, Leipzig 1888. – [6] Caspar, Deutsche Kunst- und Prachtmöbel neuester Zeit, Erfurt 1885. – [7] Jacquemart, Histoire du mobilier, Paris 1877. – [8] Champeaux, Le meuble, Paris 1885. – [9] Kick und Seubert, Mustersammlungen für Möbeltischler, Ravensburg 1886–87. – [10] Gurlitt, Möbel deutscher Fürstensitze, Berlin 1886/88. – [11] Dohme, R., Möbel aus den Königl. Schlössern zu Berlin und Potsdam, Berlin 1886/91. – [12] Schwenke, Ausgeführte Möbel- und Zimmereinrichtungen, Berlin 1880. – [13] Villeneuve, Kunstmöbel verschiedener Stile, Berlin 1891. – [14] Havard, Dictionnaire de l'ameublement, Paris 1887/90. – [15] Rémon, Moderne Möbel, Berlin 1894/95. – Möbel und Zimmereinrichtungen der Gegenwart, Berlin 1900.

Weinbrenner.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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