- Rohrleitung
Rohrleitung (Röhrenfahrt, Röhrentour), eine Reihe von durch Muffen, Flanschen, Verschraubung, Vernietung oder sonstige Aneinanderfügung (s. Rohrverbindungen) dicht verbundener Röhren für die Beförderung von Gasen oder Flüssigkeiten, teilweise auch von Getreide u.s.w. (s. Transportelemente). Ueber die Bewegung und den Ausfluß von Gasen und Dämpfen in solchen Leitungen s. Gase, Bewegung derselben, c. Bd. 4, S. 282, Gasrohrleitungen, Bd. 4, S. 304, Kraftübertragung, pneumatische, Bd. 5, S. 659, und Bd. 2, S. 209. Unter den durch Rohrleitungen strömenden Flüssigkeiten nimmt das Wasser die erste Stelle ein und gelten die für dessen Bewegung (Bd. 5, S. 153) begehenden allgemeinen Gesetze und Leitungskonstruktionen auch für die andern Flüssigkeiten, wenn deren spezifisches Gewicht, Kohäsion und Adhäsion berücksichtigt werden. Allgemein ist zu beachten, daß jede Flüssigkeit begleitet ist von Gasen der gleichen chemischen Konstitution (z.B. Wasser von Wasserdampf gleicher Temperatur); je nach Umständen befinden sich auch fremde Gase in der Flüssigkeit (z.B. Luft, Kohlensäure u.s.w. bei Wasser). Im folgenden sollen nur Rohrleitungen für Wasser in Betracht gezogen werden und zwar zunächst die Bewegungsverhältnisse in denselben, sodann die allgemeine Anordnung derselben und schließlich die Herstellungsregeln.
1. Bewegungsverhältnisse in den Rohrleitungen. Hierfür gilt zunächst die allgemeine Gleichung 15 Bd. 5, S. 152. Führt man unter Beibehaltung aller Bezeichnungen in derselben den Wert von c aus Gleichung 13 Bd. 5, S. 152, mit m = 0,25 (welcher Koeffizient gebrauchten Leitungen entspricht) ein, so folgt in, Voraussetzung kreisförmigen voll laufenden Rohres mit F = π D2 : 4, p = π und konstanter Durchflußmenge Q:
wobei sich für λ der Wert: λ = 0,00259 · (0,25 + 0,5 √D)2 : D berechnet. Das Integral ist lösbar, sobald die im allgemeinen beliebigen Querschnittsänderungen des Rohres als Funktion des Weges s bekannt sind.
Hat die Rohrleitung, wie gewöhnlich, auf der ganzen Länge den gleichen (konstanten) Durchmesser D, so entflieht Gleichung 20 Bd. 5, S. 153, und die Werte von λ sind für die handelsüblichen Durchmesser (Lichtweiten) folgende:
Hierauf basierte Tabellen über Druckverluste in Rohrleitungen s. S. 482/483. Bei ihrem Gebrauche erhält man für gegebene Wassermenge Q und Gefäll α für D < 200 mm etwas zu große Werte[481] von D; doch ist das gerade bei kleineren Lichtweiten eine erwünschte Sicherheit, da hier die Widerstände mit zunehmendem Alter rasch wachsen. Das in der Tabelle berechnete Wasserquantum liefern im übrigen die Rohrleitungen nach langjährigem Gebrauche noch mit Sicherheit, sofern sie nicht durch Knollenbildung oder Inkrustation zugewachsen sind, was die Rechnung natürlich nicht berücksichtigen kann. Ueberall dort, wo die Geschwindigkeiten u kleiner werden als 0,75 m, sind Querlinien gezogen zum Zwecke der Benutzung der Tabellen bei Kanalisationsentwürfen. Die Tabellen liefern ohne Weiteres für α = 0,1 bis α = 0,00050:
1. Die Lichtweite D bei gegebener Wassermenge Q und gegebenem spezifischem Gefälle α; [α = (y y0) : (s s0)].
2. Die Wassermenge Q bei gegebenem D und α.
3. Den spezifischen Druckverlust α bei gegebenem D und Q.
4. Die Geschwindigkeit u bei gegebenem Q, D und α.
Zur Erhaltung der Bewegung auf der Strecke OP der Rohrleitung (Fig. 1) wird nach Gleichung 1. ein Gefälle y y0 nötig. Ist O' P' eine in vertikaler Distanz h0 über O gezogene Horizontale und die Pressung p0 im Scheitel O der Rohrleitung: p0 = γ · h0, so beträgt im Scheitel bei P die Pressung: p = γ (h y + y0). Hieraus ergibt sich sodann: y y0 = h h0 + (p0 p) : γ, welche Beziehung, in Gleichung 1. verwendet, die Lösung aller hierher gehörigen Probleme gestattet. Speziell bei konstantem Durchmesser D der Leitung also auch konstanter Geschwindigkeit (u = u0) findet man:
B ist der Druckverlust und äquivalent der wirksamen Druckhöhe (s.d.). Die Formeln sind aufgeteilt unter Annahme einer mittleren Geschwindigkeit im Rohre und sehen ab von besonderen Widerständen beim Eintritt des Wassers (s. Bd. 3, S. 259) in Krümmungen u.s.w. Letztere Widerstände (ausgenommen natürlich die durch Schieber, Ventile u.s.w. veranlaßten, beliebig steigerbaren) spielen gegenüber der unvermeidlichen Ungenauigkeit, welche dem empirischen Werte von l anhaftet, keine Rolle (vgl. [1], S. 15). Auch die Annahme einer mittleren Geschwindigkeit im Rohre ist nur ausnahmsweise unstatthaft, z.B. bei sehr weiten Röhren und geringer Druckhöhe; dann dient für die genaue Rechnung Formel 3, Bd. 5, S. 149. 2.
Allgemeine Anordnung der Rohrleitungen bei konstanter Lichtweite D und konstantem Durchflußquantum Q. In der Regel gehen solche Leitungen von einem Behälter I aus und endigen in einem Behälter II (Fig. 2). Herrscht über dem Spiegel der beiden Behälter der gleiche atmosphärische Druck p0 = γ · h0, so entspricht die Linie A A' (die Drucklinie) der Pressung p = 0, der Wert von B in Gleichung 2 dem gleichmäßig auf die ganze Länge verteilt gedachten Druckverluste y y0 im Rohrstränge. Bezieht man die Tieflage der Rohrachse auf eine durch O gezogene Horizontale, d.h. auf den Spiegel von Behälter I, so ist (Fig. 2) : a = h h0 = B + (p p0) : γ, wobei das zweite Glied rechts die disponible Druckhöhe (Bd. 3, S. 123) genannt wird, und p0 = 10,33 · γ ist. Ist keine Luft im Wasser, so kann der Scheitel der Leitung bis M1 gehoben werden; unter p' die Pressung des das flüssige Wasser stets begleitenden Wasserdampfes (s. Heber, Bd. 5, S. 3) gleicher Temperatur verstanden, ist dann a1 = B + (p' p0) : γ und die Anordnung heißt Heberleitung. Enthält das Wasser atmosphärische Luft, die sich in M1 ansammeln würde, so erfolgt nur dann ein Durchfluß der Wassermenge Q, wenn a' = B + (p0 p0) : γ = B wird, d.h. der Rohrscheitel in M' liegt. Rückt der Scheitel nach M2 zwischen O O' und die durch O gelegte Horizontale, so verringert sich das Durchflußquantum Q unter sonst gleichen Umständen entsprechend einer Drucklinie O M2. Vgl. a. [1], S. 96.
Ohne weiteres ist klar, daß, wenn die Pressung p an der Stelle M künstlich (durch Pumpwerk u.s.w.) hervorgebracht würde, die Bewegung des Wassers von M nach Behälter II ganz dieselbe wäre wie bei dem Zuflusse aus einem über M in der Höhe (p p0) : γ angebrachten Behälter I. Leitungen dieser Art heißt man Druckleitungen. Näheres darüber in [1], S. 613 ff., wo sich auch die Berechnung des unter besonderen Umständen dem Kostenminimum entsprechenden Durchmessers solcher Leitungen vorfindet. Annähernd entspricht dem Kostenminimum bei Dampfpumpwerken eine Geschwindigkeit in der Druckleitung von 0,50,6 m/sec. Aus dem seither Gesagten ergibt sich, daß Heberleitungen nur dann praktisch durchführbar sind, wenn durch besondere Einrichtungen im Scheitel (M1, M2, Fig. 2) die im Wasser stets enthaltene atmosphärische Luft kontinuierlich abgesaugt wird. Nimmt die Leitung einen Verlauf wie bei M' (Fig. 2), d.h. zeigt sie einen höchsten Punkt, so kann sich daselbst eine Luftblase festsetzen und die Bewegung hindern; in diesem Falle muß eine selbsttätige Entlüftung angebracht werden (s. Bd. 6, S. 262), wenn die Wassermenge Q ungehindert durch die Rohrleitung fließen soll. Solche höchste Punkte sind nicht immer zu vermeiden; wenn möglich sollte man aber einen Verlauf anstreben, wie ihn die stark ausgezogene Linie zeigt, wobei im Punkte M eine Ablaßvorrichtung (s. Bd. 1, S. 19) anzubringen ist. Soll das Wasser in der Leitung nur unter atmosphärischem Drucke fließen, so muß der Rohrscheitel mit der Linie zusammenfallen. Derartige Leitungen werden billig, wenn es möglich ist, sie auf ihrer ganzen Länge ohne erhebliche größere Erdarbeiten, als bei gewöhnlichen Rohrleitungen in den gewachsenen Boden zu[484] legen, weil sie dann mit Zementröhren, Tonröhren u.s.w. durchgeführt werden können gegenüber den bei unter Druck stehenden Leitungen nötigen Metallröhren. Dabei vorkommende Unterfahrungen von offenen Wasserläufen heißen Düker; ihre Konstruktion s. Bd. 5, S. 349, Fig. 48, und [1], S. 719, woselbst Literaturangaben. Bei unebenem, tief eingeschnittenem Gelände sind Rohrleitungen ohne inneren Druck meist teurer als solche mit innerer Pressung, weil sie Aquädukte (s.d.) nötig machen. Zu beachten ist, daß bei Zementrohrleitungen die Wassergeschwindigkeit nicht größer als 1 m/sec werden darf, wenn Angriffe auf die Rohrwand nicht erfolgen sollen.
Fördert eine Rohrleitung von konstanter Lichtweite D auf einer bestimmten Strecke s ein Wasserquantum q an das Ende und gibt sie außerdem noch ein Quantum m pro Längeneinheit gleichmäßig ab, so ist Q = m s + q innerhalb der Länge s variabel, und man erhält nach Bd. 5, S. 152, Gleichung 15, entsprechend der Fig. 3:
Vernachlässigt man das zweite Glied auf der rechten Seite gegenüber dem ersten, wie dies in der Praxis meistens zulässig ist, so folgt mit M = m s:
welche Gleichung annähernd auch geschrieben werden kann:
woraus sich der Druckverlust B meist einfacher berechnen läßt. Für q = 0 folgt aus 3:
3. Herstellung der Rohrleitungen. Die Verbindung der einzelnen Röhren zu einer Röhrentour (bei Metallröhren in der Regel Muffen- oder Flanschenverbindung) s. Rohre und Rohrverbindungen; ebendaselbst sind auch die für verschiedene Zwecke erforderlichen Fassonstücke und Anleitungen für die richtige Wahl der einen oder andern Verbindung bei verschiedenen Pressungen angegeben. In der Regel werden die Röhren direkt in die Erde eingebettet; nur ausnahmsweise liegen sie in gemauerten, zugänglichen Kanälen. Ist das Klima derart, daß zeitweise die Erde bis auf gewisse Tiefen gefriert, so müssen die Scheitel der Röhren unter die Frostgrenze gelegt werden, die z.B. in Süddeutschland etwa zwischen 1,2 und 2 m unter Bodenoberfläche liegt (Näheres darüber in [1], § 48, S. 725). Vor dem Einlegen müssen die Gräben in der dem Kaliber der Röhren entsprechenden Lichtweite ausgehoben und mit Muffenlöchern oder geeigneten Ausweitungen zum Anziehen der Flanschen u.s.w. versehen werden. Für die Art der Ausschachtung, für die Notwendigkeit des Absprießens oder der vollständigen Auszimmerung der Gräben sind maßgebend im allgemeinen die gesetzlichen Unfallverhütungsvorschriften, im einzelnen die mehr oder weniger große Standfestigkeit der möglichst senkrecht abzuflachenden Grabenwände, die Gefahr des Ablösens und Einstürzens einzelner Teile der letzteren und insbesondere auch die Rücksicht auf den in der Nähe des Grabens sich bewegenden Verkehr auf einer Straße oder Bahn sowie auf die Nähe von Gebäuden. Bei der Verdingung der Herstellung von Rohrgräben sind außer Bestimmungen über die vorgenannten Punkte noch besondere Anordnungen darüber zu treffen, wie vor Beginn der eigentlichen Grabenausschachtung der Rasen, der Humus, der Schotter, das Pflaster u.s.w. abgehoben und beiseitegesetzt, sodann wie nach geschehenem Ausheben des Grabens das Ausfüllen der Räume um die Röhren herum, das Ueberfüllen des wieder ganz eingedeckten Grabens und das Wiedereinsetzen des Rasens, Pflasters u.s.w. erfolgen sollen. Bei größeren Flußunterfahrungen bringt man die fertig hergestellten (in der Regel schmiedeeisernen) Röhrenleitungen auf ein Gerüst (Prahm), baggert im Flußbette eine Baugrube (Rille) aus und läßt die Röhren von dem Gerüste aus in verschiedenster Weise ab. Näheres darüber in [2] und [3]; weitere Literatur in [1], S. 719. Bei kleinen Flüssen und Bächen ist es häufig möglich, die Baugrube durch Pumpen wasserfrei zu halten; dann werden die Röhren mit an Pfählen befestigten Querhölzern unterstützt und durch Spuntwände bezw. Sohlenversicherungen gegen Unterspülen verwahrt. Wasserrohrleitungen in den Häusern werden fast ausschließlich in Metallröhren kleinen Kalibers und in ähnlicher Weise wie die Gasrohrleitungen verlegt. Ausführliches darüber in [4]; vgl. a. Wasserleitung.
Literatur: [1] Lueger, O., Wasserversorgung der Städte, Darmstadt 1895; 2. Abteil., Leipzig 1908. [2] Engineer. News, 1891, Bd. 2, S. 127. [3] Journ. für Gasbel. und Wasserversorg. 1891, Bd. 34, S. 191. [4] Aßmann, G., Die Bewässerung und Entwässerung von Grundstücken, München 1893.
Lueger.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.