Schöpfwerke [1]

Schöpfwerke [1]

Schöpfwerke dienen mangels natürlicher Vorflut dazu, die Abwässer tiefgelegener Ländereien mit Maschinenkraft zu beseitigen. In Niederungen am Unterlauf eingedeichter Ströme wird die natürliche Abwässerung zeitweise durch die hohen Wasserstände, in der Nähe des Meeres durch die auflaufenden Fluten behindert.

Zahlreiche Beispiele der ersteren Art finden sich an den deutschen Strömen; im Königreich Preußen an der Weichsel, Oder, Elbe; ebenso sind am preußischen, hessischen und bayrischen Rhein Hunderte von Schöpfwerken zur Binnenentwässerung errichtet, die in Zeiten hoher Flußwasserstände in Tätigkeit treten. Von den Küstenländern ist Holland für die künstliche Entwässerung der gegen das Meer eingedeichten Niederungen (Polder) typisch; der größere Teil des Landes liegt mehrere Meter unter dem Mittelwasser der Nordsee und bildet eine Reihe von Poldern zwischen den hoch aufgedämmten Binnengewässern und den Seedeichen, in denen die Kultur des äußerst fruchtbaren Bodens nur durch künstliche Entwässerung ermöglicht werden kann. Aehnliche Verhältnisse finden sich in den norddeutschen Seemarschen.

Das Pumpwerk wird an der tiefsten, dem Vorflutgewässer nächstgelegenen Stelle der zu entwässernden Niederung angelegt. Die zu befördernden Wassermengen werden ihm durch offene Kanäle und Gräben zugeleitet. Die Anlage eines systematischen Netzes derartiger Wasserzüge, falls solche nicht schon vorher in genügender Zahl und Beschaffenheit vorhanden sind, ist als ein wesentlicher Teil des für ein Schöpfwerk aufzustellenden Entwurfs zu betrachten, der indessen zum Nachteil des Erfolges der Entwässerung häufig übersehen wird und alsdann zu unliebsamer nachträglicher Erhöhung der Anlagekosten und zur Erschütterung der finanziellen Grundlage des Entwässerungsunternehmens Veranlassung gibt. Die Festsetzung der Querschnitte der zum Pumpwerk führenden Gräben hat nach Maßgabe der abzuleitenden Wassermengen in sorgfältiger Weise zu geschehen. Die Vernachlässigung dieser Forderung hat zur Folge, daß das Schöpfwerk mangels genügenden Wasserzuflusses nicht regelmäßig arbeiten kann, während die Kulturflächen nicht gleichmäßig und vollständig vom Wasser befreit werden.

Beim Entwerfen von Schöpfwerken ist von größter Wichtigkeit die richtige Bestimmung der zu befördernden Wassermenge sowie der zu überwindenden Förderhöhe, um die Größe und Kraftleistung der Maschinen richtig zu bemessen und einerseits einer Unzulänglichkeit der maschinellen Leistung, anderseits einer Kostenvergeudung vorzubeugen. Grundsatz muß sein, sowohl die der Maschine zuzuweisende Wassermenge als auch die Förderhöhe tunlichst zu beschränken, um die Kosten der Anlage und des Betriebes nach Möglichkeit zu verringern. Zu dem Zweck müssen alle Abwässer, die vermöge ihrer Höhenlage natürliche Vorflut finden können, vom Eintritt in die Niederung abgehalten werden; diese werden durch Umfangs- oder Ringkanäle, deren Höhenlage sich nach dem Vorflutgewässer richtet, abgefangen und für sich abgeleitet. Zur Verminderung der Förderhöhe dienen bei den von Ebbe- und Flutwechsel beeinflußten Entwässerungsanlagen die Mahlbusen (s.d.). In diese Busen vollzieht sich in der Regel zugleich die natürliche Abwässerung der benachbarten höhergelegenen Ländereien. Sie müssen deshalb ein derartiges Fassungsvermögen besitzen, daß sie imstande sind, die ihnen während des Schlusses der Deichschleusen von oberhalb zufließenden, außerdem die durch die Pumpen gelieferten Wassermengen aufzunehmen, ohne den sogenannten Mahlpeil, d.h. den mit Rücksicht auf das angrenzende höhere Gelände noch zulässigen Höchstwasserstand, zu übersteigen.

Die von den Pumpen zu bewältigende Wassermenge setzt sich zusammen aus den atmosphärischen Niederschlägen, dem durch die Deiche gelieferten Sickerwasser und dem gewöhnlichen Grund- und Quellwasser der Niederung, das bei hohen Außenwasserständen noch durch das Dräng- (oder Druck-, Kuver-, Qualm-)wasser vermehrt wird. Diese Wassermengen sind von wechselnder Größe, je nach der klimatischen Lage und den Bodenverhältnissen des Entwässerungsgebiets, nach der Höhe der Außenwasserstände und der Zeitdauer des Einflusses derselben auf die Binnenentwässerung. Bei kleineren Entwässerungsflächen sind größere Wassermengen auf die Flächeneinheit zugrunde zu legen als bei weiten Niederungsgebieten. Den[772] größten Anteil an der Wassermenge haben die atmosphärischen Niederschläge; wird angenommen, daß der Niederschlag eines regenreichen Monats (200 mm Regenhöhe) nach Abzug von ein Drittel für Verdunstung an 25 Arbeitstagen durch die Pumpen gefördert werden müsse, so ergibt sich als Fördermenge pro 1 ha/sec = 0,6 l. Eine Vorausberechnung der Grund-, Quell- und Druckwassermengen ist im allgemeinen kaum möglich. Die Praxis zeigt bei einer großen Zahl ausgeführter Schöpfwerke tatsächliche Fördermengen pro 1 ha/sec zwischen 0,23 l (Rampitz-Auriether Niederung an der Oder) und 1,6 l (Rheinniederung bei Oppenheim am hessischen Rhein). In Holland hat sich die praktische Regel ausgebildet, daß für je 1000 ha Polderfläche und 1 m Förderhöhe 12 PSe an der Dampfmaschine erforderlich sind; dies entspricht (bei einem Gesamtwirkungsgrad des Schöpfwerkes von 0,7) einer Fördermenge von 0,63 l pro 1 ha/sec. Bei 132 in Preußen ausgeführten Anlagen kommen im Durchschnitt auf 1000 ha Fläche und 1 m Förderhöhe 13,6 PSe, was pro 1 ha/sec 0,71 l entspricht.

Eine besondere Berechnungsweise hat einzutreten, wenn es sich darum handelt, Flußniederungen, die den Winter über unter Wasser gesetzt waren (Polder), bei Beginn des Frühjahrs auszupumpen, sei es, daß die Niederung bloß mit Sommerdeichen versehen ist, die vom Winterhochwasser überfliegen wurden, sei es, daß Winterdeiche vorhanden sind, durch die das Flußwasser künstlich in die Niederung eingelaufen wurde. In solchen Fällen ist der Berechnung der Maschinenstärke die hinter den Deichen angesammelte Wassermenge, vermehrt um das während der Zeit des Auspumpens sich ergebende Regenwasser sowie um das Quell- und Drängwasser, zugrunde zu legen. Um die sekundliche Leistung der Pumpenanlage feststellen zu können, muß noch die Zeitdauer des Auspumpens bekannt sein. Diese richtet sich nach dem Zeitpunkt und der Dauer der Schneeschmelze und nach der Entwicklung der Vegetation. Sie ist ungleich in den einzelnen Jahren und wechselt mit der klimatischen Lage der zu entwässernden Oertlichkeit. Sie wird im allgemeinen 20–30 Tage betragen, kann jedoch in ungünstigen Jahren (späte Schneeschmelze) auf 15–10 Tage herabgehen. Hierüber sind im Einzelfalle Erhebungen zu machen.

Die zu überwindende Förderhöhe ergibt sich rechnungsmäßig als die Differenz zwischen Binnen- und Außenwasserstand und ist demnach bei wechselnden Wasserständen veränderlich. Ein gut konstruiertes Schöpfwerk soll derart beschaffen sein, daß eine größere Förderhöhe als die augenblicklich vorhandene Differenz der beiden genannten Wasserstände (abgesehen von den Widerständen in der Pumpe u.s.w.) in keinem Fall zu überwinden ist (mit andern Worten, daß keine »verlorene Förderhöhe« entsteht). Deshalb sollen bei Pumpen mit Saugwirkung (z.B. Zentrifugalpumpen), die über dem Niveau des Außenwasserstandes aufgestellt werden, die Druckröhren unter dem tiefsten Außenwasserstand ausmünden, um Heberwirkung zu erzeugen. Der in Rechnung zu ziehende Binnenwasserstand ergibt sich aus der Höhenlage der Niederung und dem normalen Wasserspiegel der zum Pumpenwerk führenden Grabenzüge. Zu einer ausreichenden Trockenhaltung des Ackerfeldes wird in der Regel verlangt, daß der Wasserstand des Grabennetzes durch das Schöpfwerk 0,75–1 m unter Terrain gehalten werde, bei Wiesen nur 0,4–0,6 m. Für die Berechnung der Maschinenstärke ist ferner der Außenwasserstand maßgebend; dabei wird man jedoch von den außerordentlichen, nur seiten vorkommenden Hochwasserständen eingedeichter Flüsse und Ströme absehen und nur den gewöhnlich wiederkehrenden Hochwasserstand der jährlichen Vegetationsperiode der Berechnung zugrunde legen, da sonst die Mehrkosten der Maschinenanlage nicht mehr im Verhältnis stehen würden zu dem bei außerordentlichen Hochfluten durch vorübergehend behinderte Geländeentwässerung entstehenden Schaden.

Bezüglich der für die Geländeentwässerung zu verwendenden Schöpfmaschinen wird auf den Art. Pumpen, S. 275, verwiesen. Von den dort angeführten Maschinen werden bei neueren Anlagen auf Grund gemachter Erfahrungen die früher öfter zur Anwendung gekommenen Wasserschnecken und Kolbenpumpen nicht mehr berücksichtigt. Bei ersteren ergibt sich immer verlorene Förderhöhe; außerdem ist die Kraftübertragung von der Dampfmaschine unvorteilhaft und die weiträumige Aufstellung verursacht hohe Anlagekosten. Sang- und Druckpumpen haben neben geringer Nutzwirkung noch sonstige Mißstände gezeigt, die z.B. im Bremer Blockland [1] dazu geführt haben, das im Jahr 1864 erbaute Schöpfwerk 1882 umzubauen und die Fijnjesche Kastenpumpe durch die Kreiselpumpe System Neukirch (S. 286, Fig. 29) zu ersetzen. Im wesentlichen finden neuerdings nur noch Wurfräder und Kreiselpumpen Verwendung zur Geländeentwässerung. Wurfräder zeigen sich vorteilhaft bei sehr großer Wassermenge und geringer, aber möglichst gleichbleibender Förderhöhe (nicht über 3 m); sie haben den Vorzug langsamen Ganges und guter Zugänglichkeit aller Teile, gestatten eine ziemlich weitgehende Veränderlichkeit der Fördermenge ohne wesentliche Beeinträchtigung des Wirkungsgrades, welch letzterer im ganzen ein guter ist; dagegen erfordern sie große Mauerwerkskörper und umfangreiche, höchst sorgfältige Fundierungen für das Radgerinne, was die Anlagekosten erhöht. Von den S. 276 dargestellten Wurfrädern hat sich das in Fig. 5 verzeichnete Pumprad von Overmars für die Geländeentwässerung wegen unzureichender Nutzwirkung nicht gut bewährt. – Kreiselpumpen mit wagerechter oder lotrechter Welle (S. 286 ff.) sind insbesondere zweckmäßig bei größerer Förderhöhe und stark wechselndem Außenwasserstand. Bei wagerechter Anordnung der Welle (gemeinhin Zentrifugalpumpe) liegt die Pumpe gewöhnlich hoch und das Wasser wird durch Saugwirkung gehoben; dies hat den Vorteil guter Zugänglichkeit des Kreisels; die Druckrohre soll aus dem früher genannten Grunde unter dem tiefsten Außenwasserstand münden. Finanziell vorteilhaft erscheinen insbesondere Pumpen mit wagerechter Welle, weil sie nur kleinen Raum beanspruchen und die wenigst umfangreichen und sorgfältigen Fundationsarbeiten erfordern.

Als Kraftmaschinen zum Antrieb der Pumpen u.s.w. kommen neuerdings nur noch Dampfmaschinen in Betracht. Die in Küstenländern früher ausschließlich verwendeten [773] Windmühlen entsprechen bei der Unsicherheit des von den atmosphärischen Verhältnissen abhängigen Betriebs den heutigen Anforderungen nicht mehr. Wo nach Ausdehnung und Form des Entwässerungsgebiets die Aufstellung mehrerer Pumpwerke an verschiedenen Stellen angezeigt ist, empfiehlt sich der elektrische Antrieb von einer Kraftzentrale aus. Die Kosten der Schöpfwerke hängen ab von den Verhältnissen des Entwässerungsgebiets (insbesondere hinsichtlich Fundationsschwierigkeiten) und von den zu verwendenden Maschinensystemen. Die Anlagekosten können nach einer größeren Anzahl ausgeführter Schöpfwerke zu 1000–3500 ℳ. für die Nutzpferdestärke (gleich 75 kg/m in gehobenem Wasser) angenommen werden. Soll unter verschiedenen zur Ausführung vorgeschlagenen Entwürfen die Wahl getroffen werden, so sind außer den Anlagekosten auch die regelmäßigen Betriebskonten in Rechnung zu ziehen.


Literatur: Vgl. Pumpen, S. 275, außerdem: [1] Hagen, L., Die Trockenlegung des Haarlemer Meeres, Sonderabdruck aus der Zeitschr. für Bauwesen, Berlin 1860. – [2] Berg, Die Entwässerung des Bremer Blocklandes, Hannover 1864. – [3] Storm-Buysing, Handleiding tot de Kennis der Waterbouwkunde, Breda 1864. – [4] Treuding, Ueber Ent- und Bewässerung von Ländereien, Hannover 1866. – [5] Hollenberg, A., Die neueren Windräder, die sogenannten amerikanischen Windmühlen, speziell die Halladay-Windräder, Leipzig 1885. – [6] Fragstein von Niemsdorff, F., Die Entwässerung der Linkuhnen-Seckenburger Niederung in der Provinz Ostpreußen, Sonderabdruck aus der Zeitschr. für Bauwesen, Berlin 1889. – [7] Gerhardt, P., Die Entwässerung des Mittel- und Niederoderbruches, Berlin 1891. – [8] Post, Ueber die verschiedenen Arten von Dampfschöpfwerken zur Entwässerung von Niederungen, Zeitschr. für Bauwesen 1894, S. 267. – [9] Danckwerts, Matz und Hagens, Die Eindeichung und Entwässerung des Memeldeltas, ebend. 1902, S. 35. – [10] Perels, Handbuch des landw. Wasserbaues, 2. Aufl., Berlin 1884. – [11] Handbuch der Ingen.-Wiss., 3. Teil, 4. Aufl., Leipzig 1907, Bd. 7: Landw. Wasserbau. – Abhandlungen über Schöpfwerke finden sich ferner in folgenden Zeitschriften: [12] Zeitschr. des Arch.- und Ing.-Vereins zu Hannover 1865, S. 258; 1879, S. 365; 1882, S. 191; 1884, S. 257, 1885, S. 207; 1887, S. 349; 1894, S. 250. – [13] Zeitschr. für Bauwesen 1872, S. 251; 1881, S. 229; 1884, S. 279; 1887, S. 85, 577, 609; 1888, S. 423; 1889, S. 85. – [14] Deutsche Bauztg. 1875, S. 132; 1895, S. 469. – [15] Zentralblatt der Bauverwaltung 1883, S. 213; 1893, S. 454; 1894, S. 200. – Fortlaufende Nachweisungen über neue Schöpfwerkanlagen in Preußen bringt das Zentralblatt der Bauverwaltung.

Drach.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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