- Seismometer
Seismometer, Erdbebenmesser, Vorrichtungen, welche das Auftreten, die Stärke und die Richtung der bei Erdbeben vorkommenden Bodenbewegungen anzeigen. Besitzen sie noch die Einrichtung, auch die Zeit der Erdstöße anzuzeigen, womöglich den ganzen Verlauf der Erdbeben selbsttätig zu registrieren, so nennt man sie wohl auch Seismographen.
Die verbreitetste Art dieser Vorrichtungen wurde bereits im Artikel Horizontalpendel beschrieben (vgl. a. die dort angegebene Literatur). Hier füllen noch einige nicht auf dem Prinzip des Horizontalpendels beruhende Seismometer neuerer Konstruktion erwähnt werden. Das astatische Pendel hoher Empfindlichkeit von E. Wiechert macht mit Erfolg dem Horizontalpendel, auch dem photographisch regulierenden, Konkurrenz. Mit dem Vorzug sehr geringen Reibungswiderstandes verbindet das letztere den Nachteil hoher Kosten des Betriebs, falls eine rasche Bewegung der Registrierwalze zum Zweck genauer Zeitbestimmung und guter Aufzeichnung des Vorgangs gewünscht wird. Der Apparat von Wiechert macht den Reibungswiderstand der billigen und durch Schärfe ausgezeichneten mechanischen Registrierung mittels Rußschrift möglichst unschädlich durch Verwendung sehr großer Massen, 1000 kg und mehr. Die träge Masse ist ganz über dem senkrecht unter dem Schwerpunkt liegenden Drehpunkt aufgestellt, also im labilen Gleichgewicht, der Drehpunkt ist, statt durch eine Spitze, durch ein als Cardansches Gelenk dienendes Federgehänge gebildet. Am oberen Ende der schweren Masse befindet sich ein durch eine Tischplatte geführter Zapfen, welcher gegen federnd bewegliche Hebel drückt, so daß die Masse dadurch stabilisiert wird und ihre Bewegungsausschläge relativ zum Tisch sich unter starker Vergrößerung auf zwei senkrecht gegeneinander horizontal bewegliche Schreibhebel übertragen. Mittels Luftdämpfung werden die Eigenbewegungen des Apparates beschränkt. Derselbe Apparat registriert beide Komponenten der horizontalen Bodenbewegung. Die Registrierwalzen haben eine Umfangsgeschwindigkeit von 1,5 cm in der Minute und verschieben sich parallel ihren Achsen um 4 mm bei jeder Umdrehung. Weiteres s. [1] und [2]. Das Bestreben, eine möglichst lange Periode der Eigenschwingungen des Apparates herzustellen, begegnet beim Vertikalseismometer größeren Schwierigkeiten als bei den für Registrierung der Horizontalkomponenten dienenden Apparaten, wegen der Verwendung von mittels Federn aufgehängten Massen. Unter Verwendung möglichst kräftiger Tragfedern gelingt es Wiechert [3], die Eigenschwingungszeit der möglichst großen Massen (1300 kg) bis auf 7 Sekunden zu erhöhen, während sein eingeteilte Horizontalpendel leicht 30 und mehr Sekunden erreichen. Je kürzer die Eigenperiode eines seismischen Apparates, um so mehr ist die Proportionalität zwischen Bodenbewegung und Registrierausschlag gestört. Zur Berechnung der ersteren aus dem[71] letzteren unter Berücksichtigung von Eigenperiode und Dämpfungsverhältnis gibt Wiechert Anleitung in [2] und [4]. Indessen, die mechanischen und zerstörenden Wirkungen der Erdbeben hängen nur zum Teil von derjenigen Größe der Bodenbewegungen ab, die man durch die Größe der Seismometerausschläge zu erkennen bestrebt ist, viel mehr noch von der Größe der Beschleunigung dieser Bewegungen, welche man aus den Ausschlägen unter Berücksichtigung des zeitlichen Verlaufs berechnen kann. Man gelangt zu einem zweiten Prinzip der Seismometrie, wenn man sich die Aufgabe stellt, Apparate herzustellen, welche ein direktes Maß der Beschleunigungen registrieren. Sobald die Eigenperiode eines empfindlichen Apparates wesentlich kleiner ist als die Periode der Bodenschwingungen, so sind die Apparatausschläge den Beschleunigungen der Bodenbewegung proportional. Hierauf beruht das Trifilargravimeter von A. Schmidt zur Beobachtung der vertikalen Bodenbeschleunigungen [5], der Zu- und Abnahme der Schwerebeschleunigung, welche die Vertikalbewegungen des Bodens veranlassen. Der photographisch registrierende Apparat ist nach dem Prinzip des Bifilarmagnetometers von Gauß gebaut. Eine an zwei, besser an drei Fäden aufgehängte Masse ist durch die Wirkung einer Feder bis zu genügender Schiefstellung der Aufhängefäden verdreht, wobei bei Zu- oder Abnahme der Kraft der Schwere der Torsionswinkel ab- oder zunimmt. Ueber die Leistungen des ein sehr empfindliches Seismometer darstellenden Apparates vgl. [6].
Literatur: [1] Wiechert, E., Ein astat. Pendel hoher Empfindlichkeit, Beitr. z. Geophysik, VI, 3, S. 435 ff., 1903. [2] Ders., Theorie der automatischen Seismographen, Abh. d. Ges.d. Wissensch. zu Göttingen, Neue Folge, Bd. 2, 1903. [3] Preisliste über E. Wiecherts Seismographen von Spindler u. Hoyer, Göttingen. [4] Wiechert, E., Prinzipien für die Beurteilung von Seismographen, Beitr. z. Geophysik, Ergänz.-Bd. 1, S. 264 ff., 1902. [5] Schmidt, A., Das Trifilargravimeter, ebend. IV, 3, S. 109 ff., 1899, und V, 2, S. 239 ff. und S. 313, 1901. [6] Erdbebenberichte aus der Erdbebenwarte Hohenheim, Anhang des Kgl. württ. metereol. Jahrbuchs seit 1906.
A. Schmidt.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.