Cyan

Cyan

Cyan, aus einem Kohlenstoffatom und einem Stickstoffatom begehende einwertige GruppeCN oder CN–, ein organisches Radikal (s. Radikaltheorie), das sich in vielen Beziehungen den Halogenatomen analog verhält und öfters auch durch das Symbol Cy bezeichnet wird.

In freiem Zustande ist das Cyanradikal nicht existenzfähig; vielmehr besteht das Molekül des freien Cyans aus zwei Cyangruppen: NC–CN. Das freie Cyan C2N2, ein farbloses, eigentümlich und stechend riechendes Gas, das leicht zu einer farblosen Flüssigkeit kondensiert werden kann, ist technisch von keiner Bedeutung. Vom Cyan leitet sich die große Anzahl von Cyanverbindungen ab, von welchen jedoch nur die Salze der Blausäure und der Rhodanwasserstoffsäure, als Cyan- bezw. Rhodanmetalle bezeichnet, eine größere industrielle Verwertung gefunden haben. Ausführliches über alle Cyanverbindungen in [1]. Den Ausgangspunkt für die Darstellung der technischen Cyanpräparate bildet das gelbe Blutlaugensalz [2], gewonnen aus den Gasreinigungsmassen. Eine weitere wichtige Quelle sind die Rhodansalze, die sich in dem Gaswasser und ebenfalls in den Gasreinigungsmassen finden (s. weiter unten bei Rhodanammonium). Ueber das Vorkommen von Cyanmetallen in den Hochofengasen bezw. dem Staube vgl. [3].

1. Cyanmetalle. – a) Cyankalium KCN, ein farbloses, zerfließliches Salz von außerordentlicher Giftigkeit (s. Kaliumcyanid). – b) Cyansilber AgCN entsteht als ein weißer, käsiger, dem Chlorsilber ähnlicher Niederschlag, unlöslich in Wasser und in verdünnten Säuren; leicht löslich in Ammoniak und in Cyankalium, mit letzterem das leicht lösliche Doppelcyanid KAg(CN)2 bildend, das zur Versilberung auf galvanoplastischem Wege verwendet wird. – c) Ferrocyankalium, gelbes Blutlaugensalz K4FeCy6 + 3H2O. Ueber seine Eigenschaften, Darstellung und Verwendung s. Blutlaugensalze. – d) Ferricyankalium, rotes Blutlaugensalz K4FeCy6, s. Blutlaugensalze. Ueber die Konstitution dieser Salze vgl. [4]. – e) Berliner Blau, Eisencyanurcyanid Fe7Cy18, ein prächtig blauer, sehr voluminöser Niederschlag, der entsteht, wenn man eine Lösung von gelbem Blutlaugensalz mit einer Lösung eines Eisenoxydsalzes, z.B. Eisenchloridlösung, vermischt. Getrocknet besitzt es einen kupferähnlichen Glanz und Strich; es ist unlöslich in Wasser und verdünnten Säuren und wird durch Alkalien, konzentrierte Säuren sowie durch Erhitzen zersetzt. Behandelt man es jedoch mehrere Tage mit verdünnter Schwefelsäure, so wird es in Oxalsäurelösung löslich: lösliches Berlinerblau. Zur Erzeugung von Berlinerblau (Pariserblau, Miloriblau, Erlangerblau, Hamburgerblau) wird die größte Menge des produzierten Ferrocyankaliums verbraucht. Zur Erzielung verschiedener Nuancen und je für den besonderen Zweck, dem der erzeugte Farbstoff dienen soll, sind verschiedene Verfahren in Anwendung und werden wesentlich drei Sorten unterschieden: Berlinerblau mit Ultramarinton (Stahlblau), Blau mit tiefem Indigoton und dunkelrotstichiges Blau. Wenn man eine Ferrocyankaliumlösung direkt mit einer Eisenoxydsalzlösung fällt, so entsteht sofort Berlinerblau: 3K4FeCy6 + 2FeCl6 = 12KCl + Fe7Cy18. Gewöhnlich aber fällt man in der Technik die Lösung des gelben Blutlaugensalzes mit einer Eisenoxydulsalzlösung, z.B. Eisenchlorür oder Eisenvitriol, und oxydiert den entstandenen weißen Niederschlag darauf mit Luft, Salpetersäure, Chlor oder andern Mitteln. – Näheres darüber s. unter [5]. – Das Berlinerblau dient hauptsächlich als Malerfarbe, zum Tapetendruck, für[485] Lithographiedruck, Lederfärberei, weniger in der Färberei für Wolle und Baumwolle und in der Zeugdruckerei. Das nach einem besonderen Verfahren auf Seide erzeugte Blau heißt Bleu Raymond oder Bleu de France. Den helleren und deshalb geringeren Sorten (Mineralblau) sind häufig Schwerspat, Kaolin, Zinkweiß und Magnesia zugesetzt. Wenn eine Lösung von rotem Blutlaugensalz mit einer Eisenvitriollösung gefällt wird, so entsteht ebenfalls ein blauer Niederschlag, Turnbulls Blau, das die Zusammensetzung Fe3Fe2Cy12 besitzen, nach der Untersuchung [6] aber lediglich Berlinerblau sein soll. Vgl. a. Cyaneisenfarben.

2. Rhodanmetalle. – Von diesen werden industriell mehrere verwertet, zu deren Gewinnung, wie bereits erwähnt, das Gaswasser und die Extraktionslaugen der Gasreinigungsmasse dienen [7]. Rhodankalium CSNK und Rhodanammonium CSN(NH4) sind farblose, sehr leicht lösliche Salze, bei deren Auflösung in Wasser sehr starke Temperaturerniedrigung eintritt. Beim Erhitzen geht das Rhodanammonium je nach den Bedingungen in Thioharnstoff oder in Guanidin über. – Kupferrhodanid Cu(SCN)2 ist ein schwarzer, Kupferrhodanür Cu(SCN)2 ein weißer unlöslicher Niederschlag, Rhodanquecksilber Hg(SCN)2 ein weißes, schwer lösliches Salz, das sich beim Erhitzen unter mächtigem Aufblähen zersetzt, eine Erscheinung, die zu der bekannten Spielerei der Pharaoschlangen benutzt wird. Die Rhodanmetalle entstehen aus den Cyanmetallen durch direkte Aufnahme von Schwefel, so z.B. Rhodankalium durch Zusammenschmelzen von Cyankalium oder von gelbem Blutlaugensalz und Pottasche mit Schwefel, zur technischen Gewinnung des Rhodanammoniums fällt man die schon mehrfach genannten Laugen mit Kupfervitriol und zerlegt das unlösliche Rhodankupfer durch Aetzbaryt, oder Schwefelbaryum. Man gewinnt so eine Lösung von Rhodanbaryum. Diese wie die Lösung von Rhodanaluminium – durch Wechselwirkung zwischen Rhodanbaryum und Aluminiumsulfat erhalten – werden in der Zeugdruckerei als Beize für Dampffarben verwendet. Aus der Lösung des Rhodanbaryums gewinnt man durch Umsetzung mit Ammoniumsulfat eine Lösung von Rhodanammonium, aus der man das Salz durch Kristallisation abscheidet.


Literatur: [1] Meyer, Viktor und Jacobson, Paul, Lehrbuch der org. Chemie, Leipzig 1893, Bd. 1, S. 696 ff.; Beilstein, Handbuch der org. Chemie, 3. Aufl., Hamburg und Leipzig 1893, Bd. 1, S. 1408–1483 und 1263–1290. – [2] Vgl. den Art. Blutlaugensalze; ferner Graham-Otto, Ausführliches Lehrbuch der anorg. Chemie, Braunschweig 1889, Bd. 4, S. 654 ff.; Leybold, Jahresbericht der chem. Technologie, 1890, S. 117; Fischer, Handbuch der ehem. Technologie-Leipzig 1893, S. 113 ff. und 600 ff.; Kunheim und Zimmermann, Jahresbericht der ehem. Technologie, 1884, S. 470. – [3] Fischer, Handbuch u.s.w., S. 201, Anm. 2. – [4] Meyer und Jacobson, Lehrbuch u.s.w., S. 1004. – [5] Fischer, Handbuch u.s.w., S. 603. – [6] Gintl, Jahresbericht der chem. Technologie, 1880, S. 390. – [7] Esop, Chemische Industrie, 1892, S. 6. – [8] Bößner, Die Verwertung der ausgebrauchten Gasreinigungsmassen auf Blutlaugensalz, Ammoniak und Rhodanverbindungen, Leipzig und Wien 1902.

Bujard.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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