Fermente [1]

Fermente [1]

Fermente sind zu scheiden in geformte oder organisierte und ungeformte Fermente oder Enzyme. Die ersteren sind einzellige Organismen; zu ihnen gehören die Spaltpilze (Schizomyceten, Bakterien), die Hefepilze u.s.w. Die ungeformten Fermente sind in Wasser lösliche Verbindungen pflanzlichen oder tierischen Ursprungs, die den Eiweißkörpern nahezustehen scheinen; zu ihnen sind die Diastase, das Invertin, das Pepsin u.s.w. zu rechnen.

Beiden Arten ist die Fähigkeit gemeinsam, organische Verbindungen zu verändern: zu spalten, zu oxydieren, zu reduzieren, ohne selbst durch die Reaktion eine tiefer gehende Umwandlung zu erfahren. Es ist daher für die Wirkungsweise der Fermente, die im übrigen durchaus noch der Aufklärung bedarf, charakteristisch, daß geringe Mengen von ihnen unverhältnismäßig große Substanzmengen umzuwandeln vermögen. Die Wirkungsart der Fermente ist von ihrer spezifischen Natur abhängig und an gewisse Bedingungen geknüpft. Die durch die Fermente hervorgerufenen Prozesse sind die der Gärung, Fäulnis und Verdauung. Je nach der Natur der durch die Fermente zerfallenden organischen Körper unterscheidet man zwischen einer Gärung im engeren Sinne und einer Gärung im weiteren Sinne. Unter ersterer versteht man das Zerfallen von Zucker und zuckerartigen organischen Verbindungen unter der Einwirkung von Fermenten, unter letzterer das Zerfallen organischer Körper unter der Fermentwirkung überhaupt. Zu ersterer gehören die alkoholische Gärung, die Milchsäuregärung, die Buttersäuregärung, die schleimige Gärung, zu letzterer die Fäulnisprozesse, die Verwesung, die Spaltung der Glykoside, die Umwandlung von Stärke durch Diastase u.a.m. Die organisierten Fermente bezw. deren Keime sind in der Luft oder in den schon in Gärung befindlichen Substanzen enthalten. Die pflanzlichen Enzyme kommen entweder in den Pflanzen als solche vor, wie z.B. das Emulsin in den bitteren Mandeln, oder sie bilden sich erst beim Keimen wie die Diastase durch Keimung der Gerste. Die Enzyme des Tierkörpers finden sich in den Verdauungssäften, so das im Speichel enthaltene Ptyalin, das Pepsin im Magensafte u.s.w.

Technisch von hervorragender Bedeutung ist die Verzuckerung der Stärke durch die Diastase, die durch die Hefefermente hervorgerufene Vergärung der Zuckerarten, Reaktionen, auf welchen die Herstellung von Alkohol, wie von alkoholischen Getränken, des Bieres, des Weins, der Branntweine u.s.w., beruht, ferner die durch Mycoderma aceti bewirkte Essiggärung alkoholhaltiger Flüssigkeiten. Durch die im faulenden Käse vorhandenen Spaltpilze werden die[702] Hexosen sowie Rohr- und Milchzucker und die Gummiarten in Michsäure gespalten; andre Mikroorganismen verursachen die Entstehung von Buttersäure, wieder andre die schleimige Gärung dieser Substanzen. Die Fäulnisfermente zersetzen namentlich die Eiweißstoffe, wobei hauptsächlich basische Produkte entstehen.

Die Wirkung der Fermente ist an gewisse Bedingungen geknüpft, so an das Vorhandensein genügender Mengen von Wasser und von unorganischen Nährsalzen, namentlich salpeter- und phosphorsaurer Salze und besonders an eine bestimmte Temperatur. Für die einzelnen Fermente schwankt dieselbe zwischen 4 und 60°; jedoch sind Temperaturen von 30–40° die günstigsten. Höhere Temperaturen sowie eine Reihe von Stoffen zerstören die Fermente und heben ihre Wirkungen auf, wie die Halogene, Quecksilberverbindungen, Phenol, Salizylsäure u.s.w. Die Hefe geht schon in schwach alkalischen Lösungen zugrunde, während die Fäulnisbakterien nur in einer solchen existieren können. Das Pepsin bedarf bei der Umwandlung von Eiweiß in Peptone der Gegenwart von freier Säure, während z.B. das Papain dadurch wirkungslos wird. Durch längeres Erhitzen auf höhere Temperaturen, 60–100°, werden alle Fermente ohne Ausnahme vernichtet. Vorher in Gärung befindliche Flüssigkeiten haben hierdurch die Gärfähigkeit verloren; sie sind pasteurisiert bezw. sterilisiert. – Die Uebertragung der Fermente auf die gärungsfähigen Substanzen geschieht entweder durch die Luft oder durch künstliche Einsaat kleiner Mengen von schon im Gärungsvorgänge begriffener Substanz in die zu vergärende Lösung (durch Impfen). Durch Versetzen von vorher sterilisierten Flüssigkeiten mit besonders gezüchteten Fermentarten, mit sogenannten Reinkulturen, ist es nun gelungen, in der Flüssigkeit nur die eine gewünschte Art der Gärung hervorzurufen und nebenher verlaufende Hörende Gärungsreaktionen auszuschließen. So sei namentlich auf den Fortschritt hingewiesen, den die Gewinnung und Verwertung reiner Hefe dem Gärungsgewerbe (s. Gärung) gebracht hat. Auf die Forschungen Buchners, München, der aus Hefe eine Zymase hergestellt hat, die ohne Mitwirkung von Hefezellen Gärungen hervorruft, sei hingewiesen.

Bujard.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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