Fettschweiß

Fettschweiß

Fettschweiß. Die vom lebenden Schaf durch die »Schur« entnommene Wolle, das Vlies, besteht nicht nur aus einer für Rasse, Alter und Erhaltungszustand des Tieres charakteristischen Menge Wollhaare (in maximo 83%), sondern auch aus Wasser und einer eigentümlichen fettigschmierigen, übelriechenden Substanz, dem Fettschweiß (Wollschweiß, Wollfett).

Die Menge desselben kann 4,5–69% betragen; in australischer Wolle sind die größten Mengen gefunden worden. Da der Fettschweiß für die Verarbeitung der Wolle hinderlich ist, so muß er durch den Waschprozeß, der früher vor der Schur an den Schafen selbst, jetzt aber nur an der Wolle allein in eignen Wollwäschereien erfolgt, entfernt werden. Der Praktiker unterschied einen »gutartigen«, d.h. durch das Waschen zum größten Teil entfernbaren, von dem bösartigen, angeblich »wachs« – oder »harzartigen« Fettschweiß, der sich ohne Beschädigung der Wolle nicht leicht beseitigen läßt.

Durch die Untersuchungen von Vauquelin, Fr. Hartmann, E. Schulze, Liebreich, Marchetti, Darmstädter und Lifschütz, Ulzer u.s.w. ist die Zusammensetzung dieses in vieler Beziehung merkwürdigen, den Wachsen anzureihenden Körpers teilweise wenigstens klargelegt worden. Der Fettschweiß besteht aus 1. in Schwefelkohlenstoff löslichen Substanzen, die unter dem Namen Wollschweißfett oder Oesypus (zum Teil) zusammengefaßt werden. 2. Wasserlöslichen Stoffen. Diese sind meist an Kali gebundene Fettsäuren (Olein-, Stearin-, Essigsäure), ferner Chlorkalium, Kaliumsulfat, Kaliumkarbonat, Na und H4N-Verbindungen (sehr wenig). Die Menge der wasserlöslichen Stoffe beträgt 3,6–62,4%. Der unter dem Namen Suinter bekannte Körper besteht zum größten Teil aus dem wasserlöslichen Anteil des Fettschweißes (mit etwas Lanolin und Schmutz); er wird auf Leuchtgas (Suintergas) verarbeitet, der Rückstand dient zur Bereitung von Pottasche. 3. In Wasser unlöslichen Substanzen, hauptsächlich mechanischen Verunreinigungen, wie Staub, Erde, Exkrementen u.s.w.

Der technisch wichtigste Körper ist das Wollfett (Wollschweißfett), das aus den Wollwaschwässern bezw. aus der Schafwolle durch Waschen derselben mittels Seisenlösungen gewonnen wird. Es ist als »rohes Wollfett« eine schmierige, übelriechende, gelbe oder braune Masse, deren genaue Zusammensetzung noch immer nicht vollständig geklärt ist. Man kann einen unverseifbaren und einen verseifbaren Anteil unterscheiden; die Hauptmenge des ersteren bilden Cholesterin, Isocholesterin und Cerylalkohol; außerdem fand Marchetti [1] noch den Lanolinalkohol (C12H24O in 10%) Darmstädter und Lifschütz den Carnaubylalkohol (C24H50O). Die genannten Alkohole sind unter andern die Bestandteile des weicheren Anteiles des Wollfettes, nämlich des »Weichfettes«. Die Fettsäuren, die in Form von Estern im Wollstoff enthalten sind, sind vornehmlich Palmitin- und Cerotinsäure nebst geringen Mengen von Capron-, Oel-, Buttersäure u.s.w. Da das Glyzerin fehlt, so ist das Wollfett von den übrigen Fetten grundverschieden und wird den tierischen Wachsen zugefeilt. Wegen der ungemein schwierigen Verseifung haben Ulzer und Seidel [2] die Bestimmung der Gesamtsäurezahl vorgeschlagen; darunter »versteht man diejenige Menge von Kalihydrat in Zehntelprozenten, die jene Mischung aus Fettsäuren und Fettalkoholen zur Neutralisation bedarf, die man erhält, wenn das Wollfett verseift und die Seife durch Kochen mit verdünnter Salzsäure zerlegt wird«. Zur Bestimmung der Gesamtsäurezahl werden 20 g KHO in 20 ccm Wasser gelöst, zum Sieden erhitzt dazu 20 g geschmolzenen Wollfettes eingerührt, eine Minute gekocht, auf dem Wasserbade weiter erhitzt bis zur Bildung eines Seisenbreies; nach zweistündigem Trocknen wird die Seife in 250 ccm Wasser gekocht und mit 40 ccm verdünnter HCl angesäuert; die obenauf schwimmende Fettschicht wird nun klar, hierauf erstarren gelassen, abgehoben, durch Auskochen von jeder Spur der Säure befreit, getrocknet und von derselben die Säurezahl bestimmt. – Die besondere Natur des Wollfettes äußert sich auch in der sogenannten Liebermannschen Cholestolreaktion [3]. Läßt man auf eine Lösung von 0,1 g Wollfett in 3–4 ccm Essigsäureanhydrid tropfenweise konzentrierte Schwefelsäure fließen, so entsteht eine rosenrote, bald in Grün oder meist in Blau übergehende Färbung, eine Reaktion, die keines der mit Glyzerin zusammengesetzten Fette zeigt. – In der Norddeutschen Wollkämmerei und Kammgarnspinnerei in Bremen wird die Reinigung des Wollfettes folgendermaßen vorgenommen [4]: »Das von den Waschmaschinen ablaufende Waschwasser wird von Ton, Sand, Wollfasern u.s.w. befreit und mit saurer Chlorcalciumlösung gefällt. Der sich ausscheidende[758] ›Suinter‹ (s. oben) wird geschlemmt; die spezifisch leichteren Anteile, die zugleich die niedriger schmelzenden sind, werden zuerst vom Wasser weggeführt, während die Erdalkaliseifen und ein Teil des Wollwachses zurückbleiben.« Nach Ekenberg und Monten [4] wird das Wollfett in drei Bestandteile mit verschiedenem Schmelzpunkte zerlegt, der erste bei 25–29° schmelzende findet als Schmiermittel, der zweite (bei 37–38° schmelzend) in der Kerzen- und Seifenfabrikation, der dritte als Wachssurrogat (49–55°) Verwendung; in ausgedehntem Maße erzeugt man aus Wollfett verschiedene Lederseite.

Das gereinigte Wollfett bildet mit einem Wassergehalt von 20–25% das Lanolin; wasserlos heißt es auch Lanolinum anhydricum Liebreich, adeps lanae. Die Methoden der Darstellung des gereinigten Wollfettes laufen auf die Bildung einer Emulsion mit wässerigen ätzenden oder kohlensauren Alkalien aus (auch die Wollwaschwässer sind schon solche Emulsionen des Rohlanolins). Nach einem neuen amerikanischen Patent verwendet man Alkalimanganat oder Alkalipermanganat zur Emulgierung; fügt man dieser Mischung eine Säure hinzu, so steigt eine dickliche Masse (die Emulsion) in die Höhe; aus dieser wird das Lanolin durch Entfernung der überschüssigen Feuchtigkeit und Behandlung mit einem flüchtigen Lösungsmittel gewonnen. Der in dem Fettschweiß enthaltene, dem tierischen Wachs zunächststehende Körper von grünlichbrauner Farbe und dem Gerüche nach Fettschweiß ist nicht in Alkohol, leicht aber in Chloroform löslich und hat den Schmelzpunkt 72; spez. Gew. 0,967. Die physikalischen und chemischen Konstanten des gereinigten Wollfettes zeigt folgende Tabelle nach Ulzer[4].


Fettschweiß

Das Lanolin ist weiß oder schwach gelblich, salbenartig, fast ohne Geruch und ausgezeichnet durch die hohe (bis 105%) Aufnahmsfähigkeit für Wasser. Es bildet eine ausgezeichnete Salbengrundlage, die nicht ranzig wird und besser als alle andern Fette von der Haut aufgenommen wird. Das wasserfreie Lanolin wird zu Lanolinpomade, Lanolincreme und Lanolinmilch (Emulsion aus Lanolin, Borax und Rosenwasser) verarbeitet.


Literatur: [1] Bericht der Deutschen ehem. Gesellsch., 1896, 19. – [2] Benedikt-Ulzer, Analyse der Fette, Berlin 1903, S. 899. – [3] Berliner Berichte, 18, S. 1804. – [4] Benedikt-Ulzer, Analyse, S. 895, 896, 897.

T.F. Hanausek.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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