Kitonverfahren

Kitonverfahren

Kitonverfahren, s. Straßenbesprengung und Teermakadam.

Kläranlagen. In den letzten Jahren sind die mechanischen Klärverfahren, bei welchen das Wasser als Frischwasser der Sedimentierung und, getrennt davon, der Schlamm der Durchfaulung unterworfen wird, weiter ausgebildet und vervollkommnet worden, so daß bei neueren Kläranlagen fast stets auf eine sofortige Trennung von Flüssigkeit und sich absetzendem Schlamm Bedacht genommen wird. In der Praxis haben die Verfahren von Imhoff (Emscherbrunnen), vgl. Fig. 1, das Verfahren von Travis, Fig. 2, der Stiagbrunnen und das Verfahren von Kremer, Fig. 3 u. 4, größere Bedeutung erlangt.

Durch den Emscherbrunnen (vgl. Hauptartikel Kläranlage, Bd. 5, S. 496) wird ein Wasserzufluß nach dem Schlammfaulraum, im Gegensatz zu dem Travissystem, vermieden. Durch das Aufzeigen des Schlammes infolge der durch die Faulung erzeugten Gasblasen bildet sich in manchen Fällen eine mächtige Schwimmdecke, die bei allen Faulverfahren in mehr oder minder großem Umfang sich einstellt. Durch Entgasung des Schlammes mittels Aufrühren oder durch Abpumpen der Schlammdecke wird etwaigen Mißständen, falls nicht genügender Raum für die Schwimmdecke vorhanden sein sollte, abgeholfen. Die Schlammräume erhalten einen Fassungsraum für einen drei- bis siebenmonatigen Schlammanfall, je nach den Ansprüchen, die an die Geruchlosigkeit des Schlammes gestellt werden. Der ausgefaulte Schlamm ist leicht entwässerbar. – Die Emscherbrunnen sind in großer Anzahl, unter anderm für die Emschergenossenschaft in Essen, Recklinghausen, Bochum sowie auch in Erfurt, Hagen, Zerbst u.s.w. zur Ausführung gekommen.

[426] Beim System Travis (vgl. [3]) sind in die Absetzbecken Trennwände derart eingebaut, daß an der Unterkante der Trennwände je ein Schlitz zwischen den

Trennwänden und den Seitenwänden des Beckens entsteht, durch den die niedersinkenden Schlammteile von dem oberhalb liegenden Absetzraum in den darunterliegenden Schlammsammel- und Faulraum gelangen. Die aus dem Faulraum aufsteigenden Gasblasen und Schlammfladen können auch hier in den Absetzraum nicht mehr zurückkommen, sondern werden an der Unterseite der schrägen Eintauchwände in einen zwischen den Eintauchwänden gebildeten Raum hochgeleitet. Das Wasser tritt aus dem Absetzraum, den es in 11/2–2 Stunden durchfließt, in einem durch weitere Fäulnisvorgänge und von der Fäulnis des Schlammes unberührten Zustande aus. Der infolge der Gasentwicklung und aus andern Gründen vorhandenen Wasserbewegung im Faulraum wird eine in gewissem Sinne ausgleichend wirkende Strömungsrichtung dadurch gegeben, daß ein Teil des Abwassers, etwa 2–10% der Gesamtwassermenge, je nach Zusammensetzung des Wassers, den Faulraum durchfließt, wodurch auch die Verzehrung, die Verflüssigung und die teilweise Löslichkeit des Schlammes begünstigt werden sollen. Das aus dem Faulraum austretende Wasser hat hierbei eine verhältnismäßig lange Aufenthaltsdauer in dem Schlammraum hinter sich. Um auch die schwebenden gallert- und leimartigen Substanzen und eiweißhaltigen Körperchen, deren spezifisches Gewicht nahezu gleich demjenigen der sie umgebenden Flüssigkeit ist, auszufällen, hat Travis Gatter aus Hartholz, sogenannte Kolloidore, in die Frischwasser räume eingebaut. An den Flächen und Kanten dieser Holzgatter schlagen sich die schwebenden Stoffe in Gestalt von Klümpchen nieder. Wenn diese Klümpchen durch Hinzutreten weiterer Partikelchen einen gewissen Umfang erhalten haben und die Schwere ihre Kohäsion und Adhäsion überwindet, sollen sie sich von den Gattern ablösen und zu Boden sinken, um alsdann ebenfalls durch die Schlitzrinne in den Faulraum hinabzugleiten.[427] Der praktische Wert dieser Kolloidore ist indes noch Zweifelhaft. Das Travissche Verfahren ist unter anderm in Hampton und Norwich in England ausgeführt.

Beim System Stiag gelangt der Schlamm nicht wie bei den beiden vorbeschriebenen Systemen durch eine, sondern durch mehrere Schlitzöffnungen in den Faulraum und kommt daher auf den Gesamtwasserquerschnitt mehr verteilt zum Absetzen.

Das besondere Kennzeichen des Kremerschen Verfahrens [1] besteht in dem Einbau einer Fettfangvorrichtung in dem Absetzraum. Das Wasser fließt unter Vermittlung einer Zuflußrinne von oben nach unten in den Absetzraum, worauf die Strömung durch eine Stoßfläche nach oben hin abgelenkt wird, obwohl dem Verlauf des vorgeschriebenen Weges entsprechend das Wasser schließlich wieder nach unten bis zum unteren Ende einer Ablaufkante zu strömen hat, auf welch letzterem Wege sich die Klärung durch Absetzen der Sinkstoffe vollzieht. Dadurch aber, daß zunächst die Wasserströmung nach oben abgelenkt wird, erhalten die leichten Fetteile eine Verstärkung ihres Auftriebes, so daß auch die kleinsten Teilchen ihren Weg nach oben fortsetzen, ohne wieder durch die Aenderung der Bewegungsrichtung des wieder nach unten sich wendenden Wassers mitgerissen zu werden. Es gelingt durch diese Einrichtung, einen gegenüber der Anordnung gewöhnlicher Eintauchflächen erhöhten Prozentsatz von Fett aus dem Abwasser zu beseitigen, was, wenn es sich um stark fett- und ölhaltige Abwässer handelt, von Wert sein kann.

In Verbindung mit dem Kremerschen Fetteinsatz wird ein Einbau angeordnet (s. Fig. 3), durch den ähnlich wie bei den genannten Systemen eine Trennung des Klärraumes vom Schlammraum bewirkt wird. Fig. 4 zeigt eine Ausführungsform mit Schlammtrichter und Faulraum nach System Kremer, wobei aber der Schlamm unter Vermittlung eines eingebauten Schlammzylinders einen Abfluß ständig oder in Intervallen als Frischschlamm behufs einer weiteren Behandlung, feiges durch Ausfaulung in gesonderten Räumen oder auf besonderem Wege, abgelassen werden kann (Konstruktion Kusch).

Es gibt noch eine Anzahl andrer auf dem Grundsatz der Trennung von Schlammraum und Klärraum beruhender Ausführungsarten, auf die hier nach Besprechung der Haupttypen nicht näher eingegangen werden soll. Es sei nur darauf hingewiesen, daß alle derartigen Ausführungen auf der mehr oder minder geschickten Art ihrer Durchbildung und Anpassungsmöglichkeit an die örtlichen Verhältnisse beruhen und daß hiernach im Zusammenhange mit der Kostenfrage ihr Wert zu beurteilen ist [19].

Weitere Fortschritte haben die Kleinanlagen für die Wasserklärung, wie sie namentlich als Hausklärungen in Frage kommen, gemacht. In dieser Hinsicht sei auf [9] und [16] hingewiesen.

Größere Bedeutung beansprucht neuerdings auch das namentlich von Hof er, München, ausgebaute System der Abwasserreinigung durch Fischteichanlagen [4], [5]. Nach einer gründlichen mechanischen Vorreinigung, die sich auf die Beseitigung von Sand, Fett und Schlamm zu erstrecken hat, wird das Abwasser, möglichst frisch und auf zahlreiche Einmündungsstellen verteilt, den Teichen zugeleitet. Es hat sich jedoch als Bedingung erwiesen, daß die Teiche neben dem Schmutzwasserzufluß auch noch einen ständigen Reinwasserzufluß erhalten müssen, der je nach der Konzentration der Abwässer das Zwei- bis Achtfache betragen sollte. Die Teiche werden zweckmäßig in Größen von 200 bis höchstens 1000 qm mit 0,5–1,5 m Tiefe angelegt. Die Sohle ist mit mäßigem Gefälle nach einer Entleerungs- und Ueberlaufvorrichtung anzuordnen. Meßvorrichtungen für die Zu- und Abflußmengen sowie ein Pegel sind vorzusehen.

Das Abwasser darf erst eingelassen werden, wenn die Fischteiche mit nicht verunreinigtem Bach- oder Flußwasser in Betrieb gesetzt worden sind.

Die organische Substanz in den Teichen wird durch die Tätigkeit zahlreicher Lebewesen abgebaut, wobei die nieder organisierten den höher organisierten zur Nahrung dienen. Deshalb werden die Teiche zunächst mit niederen Tieren aus benachbarten Gräben und Tümpeln u. dergl. besetzt, während das Abwasser nach und nach zugegeben wird. Innerhalb eines Jahres ist ein derartiger Teich eingearbeitet, so daß er mit sogenannten zweisommerigen Karpfen besetzt werden kann. Auf 1 ha Teichfläche werden bis 400 Karpfen, auch wohl Karauschen, und 145 Stück Schleien als Zusatzfische gerechnet. Jeden Herbst kann abgefischt werden. Nach Hofer, nach dessen Angaben in Bayern mehrere Fischteichanlagen sowie eine Versuchsanlage in Straßburg i. E. ausgeführt worden sind, reinigt 1 ha Wasserfläche die Abwässer von etwa 1500 Personen. Derartige Abwasserteiche werden, wie die Bewirtschaftung der Rieselfelder von Berlin gezeigt hat, zweckmäßig auch zur Nachreinigung des durch Rieselung gereinigten Abwassers und der aus künstlichen biologischen Körpern kommenden Abflüsse unter entsprechendem Frischwasserzusatz verwendet, wobei die ein- bis zweimalige Menge, bei guten Rieselfeldabflüssen auch schon die vorherige Belüftung des Drainwassers durch lange, offene Abflußgräben oder Vorteiche, ausreichend ist.

Die Abwasserreinigung durch Fischteichanlagen ist namentlich in solchen Fällen angebracht, in denen das mechanisch gereinigte Abwasser gestauten und wasserarmen Wasserläufen zuzuführen ist, wobei diesen das zur Beimischung und zum Durchfluß durch die Teichanlagen benötigte Frischwasser meist ohne Schwierigkeiten entnommen werden kann. Auch dort, wo infolge der Bodenverhältnisse Rieselfelder und intermittierende Bodenfilterung (s.d.) nicht in Frage kommen und künstliche biologische Anlagen als zu teuer befunden werden, dürften bei ausreichenden Frischwasserzusätzen Fischteichanlagen zweckmäßig sein, sofern es gelingt, durch ihre natürliche Lage geeignete Flächen für die Anlage der Teiche ausfindig zu machen, wodurch sich die Herstellungskosten niedrig halten lassen. –

Bezüglich der Schlammbehandlung sei hier allgemein noch auf folgendes hingewiesen:

Die Absiebrückstände sind wegen ihrer geringen Menge und des mäßigen Wassergehaltes (75–80%) nicht schwierig unterzubringen. Sie können unmittelbar abgefahren und von den[428] Landwirten verwertet werden, lassen sich aber auch zunächst ebensowohl mit Erde, Kehricht oder Torfstreu zu einem brauchbaren Kompostdünger verarbeiten. Auch das vorherige Ausfetten dieser Rückstände erscheint nicht aussichtslos.

Bewährt hat sich bei den anfallenden größeren Schlammengen aus den Absetzanlagen das Fortpumpen des Schlammes auf entfernter gelegene Ackerflächen, wo er verteilt wird, auch in Vertiefungen und Flachbecken untergebracht werden kann, oder wo man ihn in Furchen pumpt und diese zupflügt (Mühlhausen i. Th. nach Angaben des Verfassers; Mannheim, Birmingham).

Die Wasserentziehung des frischen Schlammes und die dadurch bedingte Fäulnisfähigkeit läßt sich auch durch Ausschleudern erreichen, angewandt in Frankfurt a.M., Hannover, Harburg. Das Verfahren ist hygienisch hochwertig, vermeidet jede Handarbeit, stellt sich zurzeit aber noch teuer.

Es kommt weiter noch in Frage die Verbrennung des Schlammes, lediglich nach vorangegangener Entwässerung, wozu sich der Schlamm der Kohlebreiklärung besonders eignet, sowie gemeinsam mit dem Kehricht (neuerdings anscheinend mit Erfolg in Frankfurt a.M. zur Durchführung gelangt) und endlich die Gewinnung von Kraft- und Leuchtgas (vgl. Hauptartikel Bd. 5, S. 496) sowie von Fett aus Klärschlamm, an welch letztere Verfahren aber nur mit großer Vorsicht herangegangen werden sollte. Besondere finanzielle Erfolge sind vom letzten Verfahren nicht zu erwarten, wie verschiedene Beispiele gezeigt haben.

Der ausgefaulte Klärschlamm, der wegen seines geringen Wassergehaltes bei gleicher Trockenmasse nur etwa ein Viertel bis ein Drittel des Raumes des Frischschlammes einnimmt und sich besser entwässern läßt, bietet weniger technische Schwierigkeiten bei seiner Beseitigung [8]. Die Größe der Schlammplätze kann ein Drittel bis ein Achtel geringer sein als diejenige für Frischschlamm. Dem stehen aber die Mehraufwendungen für den größeren Schlammraum, 15–30 l auf 1 cbm tägliches Abwasser, namentlich auch bei kleinen Anlagen mit seltener Entleerung, sowie der Umstand gegenüber, daß der ausgefaulte Schlamm noch geringeren Dungwert hat als der Frischschlamm. Für Auffüllungen ist er geeignet.


Literatur: [1] Zahn u. Reichle, Untersuchung über die Wirkungsweise des Kremerschen Apparates, Mitt. a. d. Kgl. Prüfungsanstalt für Wasserversorgung, Berlin 1908. – [2] Salomon, Die städt. Abwasserbeseitigung in Deutschland, Jena 1906, 1907, 1911. – [3] Travis, Die Hampton-Doktrine in Beziehung zur Abwasserreinigung, Gesundheits-Ing. 1909. – [4] Hofer, Fischteiche im Dienste der Reinhaltung unsrer Gewässer, Gesundheits-Ing. 1909. – [5] Schück, Die Reinigung städt. Abwässer durch Fischteiche, Techn. Gemeindebl. 1909. – [6] Kolkwitz, Zur Biologie der Wilmersdorffer Kläranlage bei Stahnsdorf, Mitt. a. d. Kgl. Prüfungsanstalt für Wasserversorgung, Berlin 1910. – [7] Frühling, Handbuch d. Ingenieurwissenschaften, Leipzig 1910. – [8] Imhoff, Die Schlammbehandlung in Emscherbrunnen, Techn. Gemeindebl. 1910. – [9] Wolff, Hausklärungsanlagen, Gesundheit, Leipzig 1910. – [10] Kolkwitz, Reichle, Schmidtmann, Spitta u. Thumm, Wasser und Abwässer, Die Hygiene der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung, Leipzig 1911. – [11] Thumm, K., Sonderkatalog für die Gruppe Städtereinigung, Hygieneausstellung Dresden 1911. – [12] Fuller, Sewage Disposal, New York 1912. – [13] Locher, Die Behandlung des Abwassers aus Schlachthöfen und deren Nebenbetrieben, Stuttgart 1912. – [14] Dunbar, Leitfaden s.d. Abwasserreinigungsfrage, 2. Aufl., München-Berlin 1912. – [15] Tillmanns, Wasserreinigung und Abwasserbeseitigung, Halle a. S. 1912. – [16] Thumm, Abwasserbeseitigung bei Einzel- und Gruppensiedlungen, Deutsche Vierteljahrsschr. s. öffentl. Gesundheitspflege, Bd. 46, Heft 1, 1914. – [17] Abel, Handbuch der Hygiene, Abschnitt Beseitigung der Abfallstoffe, Jena 1913. – [18] Kossowicz, Mykologie der Gebrauchs- und Abwässer, Berlin 1913. – [19] Thumm u. Reichle, Feststellungen und Erfahrungen bei Emscherbrunnen und verwandten Abwasserbeseitigungsverfahren, Mitt. a. d. Kgl. Landesanstalt für Wasserhygiene, Heft 18, Berlin 1914 (fortlaufende Mitteilungen). – [20] Fortschritte und Leistungen auf dem Gebiete der Hygiene, Abschn. Abwasserbeseitigung und Flußverunreinigung, Braunschweig (fortlaufende Jahrgänge).

J. Brix.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 3.
Fig. 4.
Fig. 4.

http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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