- Kupplungen [2]
Kupplungen im Eisenbahnwesen dienen zur Verbindung der einzelnen Fahrbetriebsmittel namentlich zum Zwecke der Zugbildung; in diesem Sinne haben wir es hier nur mit den Kupplungen der Zugvorrichtungen zu tun, während die Kupplungen für die Leitungen der durchgehenden Bremsen, der Heizungen, der Interkommunikationssignale außer Betracht bleiben. Bei den Kupplungen der Zugvorrichtungen haben wir 1. jene der Wagen miteinander, mit dem Tender oder der Lokomotive oder auch der Lokomotiven miteinander und 2. jene der Lokomotiven mit dem Tender zu unterscheiden.
1. Zur Kupplung der Fahrzeuge miteinander (ausschließlich Lokomotive mit Tender) steht im Gebiete des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen und überhaupt in Europa bei Haupt- und Nebenbahnen die Schraubenkupplung in Anwendung, während in Nordamerika und bei Kleinbahnen in Europa die Zentralkupplung gebräuchlich ist.
Ursprünglich erfolgte die Kupplung der Fahrzeuge durch Ketten, deren Glieder entsprechend ineinander gehängt wurden; diese Kupplungsart, die ein straffes Verbinden der Wagen nicht zuläßt, ist nur noch vereinzelt bei Materialwagen, nicht aber im regelmäßigen Betrieb im Gebrauch; auch die früher nicht selten angewendete Stangenkupplung, bei der eine Stange zwischen den Gabeln der Zugstange mittels lotrecht eingesteckten Bolzens befestigt wird, findet sich nur noch bei der Steifkupplung der Wagen für Langholztransport. In den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts wurde bei englischen Bahnen die Schraubenkupplung eingeführt, die seit 1886 in der jetzigen Form im Vereinsgebiete ausschließlich verwendet wird. Bei dieser Kupplung greifen an dem Bolzen b (Fig. 1), welcher den Zughaken Z durchdringt, zwei parallel hängende Schereneisen e an, die mit ihrem andern Ende die beiden Zapfen des Schraubenmutterstückes M umfassen; durch dieses greift die Kuppelschraube S, welche Rechts- und Linksgewinde besitzt; zwischen diesen beiden Gewindeteilen ist ein mit beweglichem Handgriff versehener Bund aufgeschweißt. Der zweite Gewindeteil trägt ebenfalls ein Mutterstück, an dessen Zapfen ein Bügel B angebracht ist. Indem man diesen über den Zughaken des andern Fahrzeugs legt, kuppelt man beide Fahrzeuge. Um bei Schadhaftwerden der Schraubenkupplung eine Sicherung gegen Trennung der Fahrzeuge besitzen und überhaupt eine Verbindung derselben noch bewirken zu können, ist im Bereiche des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen eine Sicherheits- oder Notkupplung vorgeschrieben. Die ehemals viel verwendeten »Notketten«, die zu beiden Seiten der Hauptkupplung an den Kopfschwellen der Fahrzeuge befestigt sind und gegenseitig eingehängt werden, sind fast ganz außer Gebrauch, weil sie ungenügend wirksam sind. Bei der vom Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen angenommenen Sicherheitskupplung ist an dem Bolzen b des Zughakens Z (Fig. 1) ein zweiter Zughaken Z1 mittels zweier Scheren beweglich befestigt; letzterer trägt einen Bügel B1, in den der gegenüberliegende Zughaken Z2 eingehängt werden kann; es kann aber auch wie skizziert in den Zughaken Z1 die nichtgespannte Schraubenkupplung des anzukuppelnden Wagens eingehängt werden. Schraubenkupplungen werden aus Schmiedeeisen hergestellt; die Verwendung von Stahl ist zulässig, aber nicht üblich. Die nach den Technischen Vereinbarungen des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen ausgeführten Kupplungen dürfen höchstens mit 12000 kg beansprucht werden, eine Verstärkung ist schwer durchführbar und würde wohl nur bis zu 14000 kg[2] Beanspruchung möglich sein [1]. Die Kupplungen müssen herabhängend beim niedrigsten zulässigen Pufferstande (940 mm über Schienenoberkante) noch mindestens 75 mm von Schienenoberkante entfernt bleiben; bei Lokomotiven und Tendern gestatten die Technischen Vereinbarungen bis 60 mm über Schienenoberkante. Handgriffe für die Wagenkuppler sind vorgeschrieben. Zu beiden Seiten der Kupplung sind die Puffer angebracht (s. Puffer).
Bei der Zentralkupplung sind Puffer, Zugvorrichtung und Kupplung zu einem einzigen in der Längsachse des Untergestells angebrachten, gemeinsam wirkenden Apparate vereinigt, weshalb dieselbe auch als Einpufferbauart bezeichnet wird. Sie besteht in ihrem Wesen aus der Zugstange S (Fig. 2) und aus der mit ihr festverbundenen Pufferscheibe oder gekrümmten Platte P, in deren Mitte innerhalb eines entsprechend geformten Schlitzes die Kupplungsvorrichtung eingelegt ist. In den meisten Fällen wird eine Stange in den Pufferkopf eingeschoben und durch einen senkrecht eingedeckten Stift festgehalten. Es gibt übrigens sehr verschiedene Ausführungen [2]. Die Kupplung zweier Fahrzeuge mit Hilfe der Schraubenkupplung verlangt, daß der Kuppler in den beengten Raum zwischen Kuppel und Puffer tritt und unter letzteren durchkriecht, sobald die Kupplung bewerkstelligt ist, woraus für seine Person große Gefahr erwächst. Um diesem Uebelstande abzuhelfen, ist man seit Jahrzehnten bestrebt, die Handhabung der Kupplungsvorrichtung von der Längsseite der Fahrzeuge aus zu ermöglichen. Von den vielen Konstruktionen solcher Seitenkupplungen, für welche in Deutschland, England und Rußland wiederholt Preise ausgeschrieben wurden [3], entsprach keine den zu Heilenden Forderungen in solcher Weise, daß deren Anwendung auch nur in kleinerem Umfange stattgefunden hätte.
Von Erfolg begleitet waren die Bemühungen, die Zentralkupplung selbsttätig zu gestalten. Die automatische Kupplung erhöht nicht nur die Sicherheit für die Person des Kupplers, sondern gestattet auch eine wesentliche Steigerung der Beanspruchung der Kupplung, also der Zugkraft, woraus beträchtliche wirtschaftliche Vorteile im Betriebe sich ergeben, weil auch sehr kräftig gebaute Lokomotiven für das Ziehen der Züge ausgenutzt werden können. Auch würde aus der Anwendung solcher Kupplungen eine Beschleunigung der Verschiebmanipulationen in großen Rangierbahnhöfen resultieren. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika wurde die selbsttätige Kupplung nach den Bestimmungen der Master Car Builders' Association die sogenannte »M.C.B.-Kuppel« eingeführt, sie ist aus den Systemen Miller und Janney hervorgegangen. Ihre allgemeine Anordnung Hellt Fig. 3 dar. Im Kuppelkopfe a befindet sich ein knieförmiges Gelenkstück b, das nach erfolgtem Zusammenstoß der beiden Köpfe durch den doppelarmigen Hebel e in jener Lage festgehalten wird, bei der die Gelenkstücke ineinander verhängt sind, wie das die Draufsicht auf die Kuppelköpfe (Fig. 3a) zeigt. Auf das kürzere Ende des Hebels e wirkt eine Spiralfeder, die ihn stets in seiner Stellung erhält. Der Kupplungskopf wird durch eine Feder in bestimmter mittlerer Stellung gehalten; bei jeder Veränderung dieser Stellung, also beim Andrücken wie beim Anziehen, werden die Puffer aneinander gepreßt, indem durch ein Hebel- und Federwerk jede Bewegung des Kuppelkopfes auf die Puffer übertragen und hierbei zugleich eine Vergrößerung der Spannung dieser letzteren herbeigeführt wird. Soll die Kupplung gelöst werden, so muß das Gelenkstück b ausgelöst und der Kuppelkopf geöffnet werden, d.h. der Hebel e muß so gedreht werden, daß er die freie Bewegung des Gelenkstückes gestattet. Diese Drehung erfolgt durch die entsprechende Bewegung eines außerhalb des Kuppelkopfes liegenden Hebels c, der von der Plattform oder von den Seiten des Wagens aus mit besonderen Ketten oder Hebeln bewegt werden kann. Auf den europäischen Bahnen beschäftigt man sich' seit mehreren Jahren sehr ernstlich mit der Frage der Einführung der selbsttätigen Kupplung; der Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen läßt stetig Versuche durchführen, die unter anderm auch auf die Ausbildung der für europäische Verhältnisse nicht ganz geeigneten amerikanischen Kupplungskonstruktion gerichtet sind, ebenso werden in Frankreich, England, Rußland, Oesterreich und Italien verschiedene Anordnungen erprobt. Eine besondere Schwierigkeit bildet der Uebergang von dem jetzigen Kupplungssystem zu dem künftigen selbsttätigen System. Auch hierfür bestehen zahlreiche Konstruktionen, die erprobt werden. Die amerikanische Kupplung ist für die europäischen Wagen mit geringem Ladungsgewichte verhältnismäßig zu schwer, würde also eine Verteuerung des Betriebes bedeuten. Vgl. hierüber die reichhaltige Literatur [4].
2. Bei der Anordnung der Kupplung zwischen Lokomotive und Tender ist eine tunliche Vernichtung der Schlingerbewegung, der Ausgleich der eintretenden seitlichen Verschiebungen der gegenüberliegenden Endflächen der beiden Fahrzeuge und die möglichst geringe Beeinträchtigung der mit dem Federspiel zusammenhängenden lotrechten Lageveränderungen beider[3] anzustreben [5]. Die einfachste Lösung bietet die Anwendung des einerseits unveränderlich beteiligten, anderseits durch einen Vertikalbolzen festgehaltenen Zugeisens. Es können auch an beiden Seiten Bolzen verwendet werden. Zweckmäßiger ist die Dreieckskupplung, bei welcher sich das Zugeisen auf der Lokomotivseite um einen Harken Bolzen dreht, während es sich auf der Tenderseite gabelt und jeder Arm durch einen wagerechten Bolzen gehalten wird, so daß sich die Fahrzeuge in lotrechtem Sinne unabhängig bewegen können und nur die wagerechten Bewegungen gemeinsam gemacht werden müssen. Statt der wagerechten Bolzen können auch lotrechte angewendet werden Dreibolzenkupplung. Am häufigsten findet sich die Kupplung mit der Kuppelstange, einem Flach- oder Rundeisen, das an jedem Ende mit Oefen versehen ist und durch Vertikalbolzen festgehalten wird; für den Fall des Zerreißens ist eine zweite Kupplung eingeschaltet, die entweder als einfache Kettenkupplung konstruiert ist oder aus zwei zu beiden Seiten der Hauptkupplung angebrachten schwächeren Zugeisen mit Vertikalbolzen besteht. Alle Bolzen müssen sich leicht lösen lassen. Um die seitlichen Verschiebungen zu schwächen oder beide Fahrzeuge gemeinsam daran teilnehmen zu lassen, sind zu beiden Seiten der Hauptkupplung, je 350400 mm entfernt, Stoßpuffer in der Tenderrahmenplatte elastisch eingelagert, die sich mit ihren Köpfen gegen ebene oder etwas gerundete, auf dem hinteren Rahmenstück der Lokomotive neben dem Zuglasten angebrachte Stoßplatten stützen. Der Kupplungspunkt liegt am geeignetsten in der Mitte zwischen der letzten Lokomotiv- und der ersten Tenderachse. Verschiedene Anordnungen von Kupplungen sind; erdacht worden, um zu bewirken, daß Lokomotive und Tender auch in den schärfsten üblichen Krümmungen sowohl bei der Vorwärts- als auch bei der Rückwärtsbewegung ihre gegenseitige Lage möglichst unverändert beibehalten oder die notwendige Lagenveränderung doch nur allmählich eintritt und aufhört. Hierzu gehören neben den bei einzelnen Bahnen gebräuchlichen besonderen Anordnungen die Systeme Tilp, Stradal, Wolf, v. Borries, Polonceau, Hartmann u.s.w., von denen manche (z.B. Tilp) nur noch geschichtliche Bedeutung besitzen.
Literatur: [1] Noltein, Bericht für den Internationalen Eisenbahnkongreß, Bulletin de la commission internation. du Congrès des chemins de ser 1904, S. 1313. [2] Das Eisenbahnmaschinenwesen der Gegenwart, 1. Abschnitt, 2. Teil, Wiesbaden. [3] Wochenschr. d. Oesterr. Arch.- u. Ing.-Ver. 1887, Nr. 6; Organ f. d. Fortschr. d. Eisenbahnw. 1877. [4] Glasers Annalen, Bd. 51, S. 242, Bd. 53, S. 151 u. 165; Bulletin de la commission internat. du Congrès des chemins de ser 1900, S. 4978; 1902, S. 556; 1904, S. 993 u. 1313; 1905, S. 625; 1906, S. 743; Zeitschr. d. Ver. deutsch. Eisenbahnverw. 1902, 28. Februar; Organ f. d. Fortschr. d. Eisenbahnw. 1894, S. 154; 1895, S. 60; 1896, S. 228; 1897, S. 159 u. 198; 1898, S. 53; 1899, S. 98; 1900, S. 138, 265 u. 267; 1902, S. 249; 1903, S. 208; 1905, S. 25, 104 u. 135. [5] Hartmann, Theorie der Lokomotivtenderkupplungen, Berlin 1884; Die Lokomotiven der Gegenwart, Wiesbaden 1903.
A. Birk.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.