Luftspiegelung

Luftspiegelung

Luftspiegelung (Kimmung, Seegesicht, Fata morgana), Erscheinungen außerordentlicher Strahlenbrechung in der Atmosphäre, welche sich in der Nähe des Horizonts innerhalb 11/2 Grad Höhe zeigen. Höher auftretende Phänomene dieser Art [1] scheinen weder sicher bezeugt zu sein, noch könnten sie derselben Ursache zugeschrieben werden.

Schon beim gewöhnlichen Zustande nimmt die Dichte der Luft von unten nach oben wegen des abnehmenden Druckes ab, eine Abnahme, die durch die gleichgerichtete Abnahme der Temperatur eine Verzögerung zu erfahren pflegt; die Luft bildet ein nichthomogenes optisches Mittel, innerhalb dessen bei normalen atmosphärischen Verhältnissen die Lichtgeschwindigkeit von unten nach oben um 6 in pro 1 m Erhebung zunimmt, so daß nach dem im Art. Licht gegebenen Brechungsgesetz I die Lichtstrahlen als Kreise betrachtet werden können, deren Mittelpunkte in einer Tiefe von 50000 km unter der Erdoberfläche (6. Teil der Lichtgeschwindigkeit) in einer zur Lotlinie senkrechten Ebene liegen, so daß horizontale Strahlen nach unten konkav sind mit einer Krümmung, die annähernd den 8. Teil der Krümmung der Erdoberfläche beträgt. Außerordentlicherweise aber treten in den tieferen Luftschichten erhebliche Abweichungen vom normalen Zustande auf, wenn entweder über kalter Erdoberfläche, etwa dem Meere, die Temperatur nach oben zunimmt und die Krümmung der Strahlen sich verstärkt, oder wenn über heißem Boden, etwa der Wüste, sich eine dünne Luftschicht ausbildet, für welche die Temperatur nach oben rasch abnimmt und die Strahlkrümmung nach unten konvex wird. Dabei entstehen, falls das Auge des Beobachters in der anormalen Schicht sich befindet, außerordentliche Erhöhungen bezw. Erniedrigungen des Horizonts und der Bilder ferner Gegenstände unter Erweiterung oder Verkürzung der Fernsicht und unter Vergrößerung oder Verkleinerung der Bilder in der Höhe. Befindet sich aber das Auge über oder unter der anormalen Schicht, so tritt die Möglichkeit mehrfacher, teils aufrechter, teils umgekehrter Bilder desselben Gegenstandes auf. Die aufrechten Bilder, deren unteres sich hinter dem Horizont verbergen kann, bezeichnet man als Kimmung (Suspension), an der italienischen Küste als Fata morgana, die verkehrten als Spiegelung (Mirage). – Eine allgemeinere mathematische Behandlung der Erscheinung hat zuerst Biot [2] gegeben; im Anschluß dazu vgl. [3], auf Grund geometrisch optischer Untersuchungen über die Eigenschaften der »kaustischen Linie«, welche das von einem Punkte ausgehende Strahlenbüschel umhüllt. Der typische Fall dreier Bilder läßt sich nach [4] in folgender schematischer Weise unter Vernachlässigung der Krümmung der Erdoberfläche erklären: Das Auge A des Beobachters (s. die Figur) befinde sich in homogener Luft mit geradliniger[261] Strahlrichtung; über dem Auge, in der Höhe h beginnend, sei eine Luftschicht mit nach oben rasch steigender Temperatur horizontal gelagert, derart, daß die Strahlen in dieser Schicht Kreise bilden, deren Krümmungsmittelpunkte in einer in der Tiefe a unter dieser Schicht befindlichen Horizontalebene liegen. Ein Gegenstand P in der horizontalen Entfernung 2 e vom Auge kann nun von A aus mehrfach gesehen werden, direkt in geradlinigem horizontalen Strahl und indirekt vermittelst Strahlen, die sich von P schief erheben, in der anormalen Schicht einen Kreisbogen beschreiben und dann schief abwärts unter dem Höhenwinkel das Auge erreichen. Die Figur gestattet unmittelbar die Gleichung abzulesen: α tg α + h cotg α = e, deren Auflösung für n die Bedingungen der Möglichkeit einer Luftspiegelung und zutreffendenfalls zwei verschiedene Werte von α ergibt, für deren größeren ∂α/∂h negativ und ∂α/∂e positiv, für deren kleineren ∂α/∂h positiv und ∂α/∂e negativ wird, deren ersterer einem aufrechten, deren letzterer einem verkehrten Bilde entspricht. Zu den Bedingungen tritt noch diejenige genügender Dicke der anormalen Schicht, in welcher eine Veränderung der Lichtgeschwindigkeit um mehr als 0,029% physikalisch unmöglich ist. – Für künstliche Nachbildung der Erscheinungen bedient man sich nach Wollaston [5] entweder der Luft über einem erhitzten Bleche oder geschichteter Flüssigkeiten in Glaströgen, wie Wasser und Zuckerlösung, Wasser und Schwefelsäure; nach [3] und [ö] eignen sich sehr gut Schwefelkohlenstoff und Alkohol, wobei durch Beimischung einer kleinen Menge Fluoreszein der gekrümmte Strahlgang innerhalb der Diffusionsschicht sichtbar wird. Eine eingehende Behandlung des Gegenstandes s. bei [7].


Literatur: [1] Schütte, Das Reich der Luft, frei nach Flammarion, Leipzig 1875. – [2] Biot, Sur les réfractions extraordinaires qui s'observent très près de l'horizon, Mémoires de sciences math. et phys. de l'Institut de France, 1809. – [3] Macé de Lipinai und Perrot, A., Contribution à l'étude de mirage, Annales de chimie et de physique, VI, 27, 1892, S. 94. – [4] Schmidt, A., Die cyklische Refraktion, Programmabhandlung des Stuttgarter Realgymnasiums 1878, S. 8. – [5] Wollaston, On double images etc., Philos. transactions 90, 1800, S. 239, oder Gilbert, Annalen der Physik, 11, 1802, S. 1. – [6] Wiener, O., Darstellung gekrümmter Lichtstrahlen u.s.w., Wiedemanns Annalen, 49, 1893, S. 105. – [7] Pernter, Meteorologische Optik, II, Kap. 3 und 4, Leipzig und Wien 1902.

Aug. Schmidt.

Luftspiegelung

http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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