Meereswärme [1]

Meereswärme [1]

Meereswärme, die Temperatur des Wassers im Meer in verschiedenen Tiefen.

Die Bestimmung der Meerestemperaturen hat nach der technischen Seite hin in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht [1]. Fast allgemein bedient man sich jetzt der sogenannten Kippthermometer nach dem Prinzipe von Negretti und Zambra [2]; ein solches wird in normaler Lage, die Kugel also nach unten gerichtet, in das Wasser hinabgelassen, und sobald die gewünschte Tiefe erreicht ist, bewirkt ein Zug die Drehung des ganzen Instruments um 180°, so daß sich jetzt die Kugel oben befindet. An einer Engstelle der U-förmig gekrümmten Thermometerröhre reißt dann die Quecksilbersäule ab, und die Länge des abgerissenen Fadens ergibt sofort die an der betreffenden Stelle herrschende Temperatur. Der Mechanismus, welcher das Umkippen bewirkt, besteht jetzt gewöhnlich in einer kleinen Flügelschraube, die sich, solange das Hinablassen dauert, fest anlegt, beim Aufholen aber in Drehung versetzt wird und nunmehr die Aufhängung löst. Ganz läßt sich die Gefahr, daß die Schraube unter dem Einflusse der Schiffsbewegungen ihre Pflicht vorzeitig erfülle, freilich kaum vermeiden. Dann, wenn die Temperaturdifferenzen der durchsunkenen Schichten voraussichtlich sehr große sind, etwa 20° übersteigen, behalten die nach dem bekannten Systeme der Maximum- und Minimumthermometer eingerichteten Indexthermometer von Miller-Casella ihren hohen Wert; es muß nur darauf geachtet werden, daß man das Instrument ziemlich lange an Ort und Stelle beläßt, um eine sichere Anpassung an den obwaltenden Wärmestand zu erzielen. Die Skandinavier – Ekman, Pettersson, Nansen – ziehen Wasserschöpfapparate vor, welche durch Einschließung in stark isolierende Massen so unempfindlich gegen Temperaturveränderungen gemacht sind, daß während des Aufziehens die ursprüngliche Temperatur, die man dann oben bequem ablesen kann, nahezu die gleiche bleibt. Natürlich gibt es aber auch da Fehlerquellen, die Nansen und E. v. Drygalski untersucht haben. Die thermoelektrischen Messungen unterliegen gleichfalls noch manchen Bedenken, sowie dies auch von G. v. Neumayers geistvollem Vorschlage gilt, eine photographische Registrierung des Thermometerstandes mittels des elektrischen Funkens zu ermöglichen.

Die Beobachtung bestätigt die theoretisch sich von selbst darbietende Vermutung, daß die Temperaturschwankungen an der Oberfläche der Meere und in geringer Tiefe sich ganz denjenigen der Atmosphäre anpassen, die aber gar nicht weit eindringen. Im allgemeinen nimmt die Meereswärme mit der Tiefe ab, allein homotherm ist die Wassermasse durchaus nicht immer, sondern es tritt sehr häufig ein, was man poikilotherme Wärmeschichtung nennt, d.h. es[354] werden vom Tiefseethermometer Lagen von bald höherer, bald niedrigerer Temperatur durchmessen. Zumal in der Nähe der großen Meeresströmungen sind solche Anomalien nicht selten. Auch da, wo die Temperaturverminderung regelmäßig vor sich geht, ist sie übrigens gewöhnlich keine gleichmäßige, sondern in einer Tiefe, die zwischen 30 m und 180 m zu variieren pflegt, tritt eine raschere Abnahme ein, wie man sie von der Sprungschicht der Binnenseen her kennt. Später wird die Abnahme wieder langsamer, und von 800 m Tiefe ab nimmt die Tendenz zur Erhaltung eines gleichmäßigen Wärmeregimes stetig zu. Völlig isotherm ist allerdings das tiefere Meer nur in Neben- und Randmeeren, welche durch eine Schwelle vom freien Ozean und von dessen regelmäßigen Bewegungen abgesondert sind. Die früher gehegte Mutmaßung, der Grund der Polarmeere müsse wegen der dort angeblich vorhandenen Kälte mit einer Eisschicht überzogen sein, hat sich als ganz irrtümlich herausgestellt. Zwischen der Bodentemperatur sehr tiefer polarer und tropischer Meeresgebiete besteht kein erheblicher Unterschied.


Literatur: [1] Krümmel, Handbuch der Ozeanographie, Bd. 1, 2. Aufl., Stuttgart 1907; v. Neumayer, G., Anleitung zur wissenschaftlichen Beobachtung auf Reisen, Bd. 2, 3. Aufl., Hannover 1906, S. 568 ff. (Beitrag von Krümmel). – [2] Grützmacher, Zeitschr. für Instrumentenkunde 1904, Heft 9.

Günther.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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