Patentgesetz [1]

Patentgesetz [1]

Patentgesetz. Der Patentschutz gründet sich in Deutschland auf das Patentgesetz vom 7. April 1891, das am 1. Oktober 1891 in Kraft getreten ist; er bildet zusammen mit dem Schutz von Gebrauchsmustern (1. Juni 1891), dem Urheberrecht an Mustern und Modellen (11. Januar 1876) und dem Schütze der Warenbezeichnungen (12. Mai 1894) die Gesamtheit der eigentlichen gewerblichen Urheberrechte.

Die Grenze zwischen den einander am nächsten stehenden Patenten und Gebrauchsmustern ist nicht streng gezogen. Sie wird dadurch gebildet, daß der für sogenannte kleine Erfindungen bestimmte Gebrauchsmusterschutz bei gewissen Neuerungen ausgeschlossen ist, so für Errungenschaften der chemischen Technik und für Erfindungen, die als Verfahren zu kennzeichnen sind.

Gemäß § 1 Abs. 1 des Patentgesetzes werden Patente erteilt für neue Erfindungen, welche eine gewerbliche Verwertung gestatten. Ausgenommen von dem Patentschutz sind 1. Erfindungen, deren Verwertung den Gesetzen oder guten Sitten zuwiderlaufen würde; 2. Erfindungen von Nahrungs-, Genuß- und Arzneimitteln sowie von chemischen Stoffen; jedoch lassen sich bestimmte Verfahren zur Herstellung dieser Gegenstände oder Stoffe durch Patente schützen. Die Bedingung der gewerblichen Verwertbarkeit faßt das Patentamt dahin auf, daß die[49] Erfindung innerhalb einer auf die Gewinnung, Verarbeitung oder Bearbeitung von Rohstoffen gerichteten Tätigkeit benutzbar sein daß sie sich durch die Verwertung technischer, den Kräften der Natur entnommener Mittel darstellen lassen muß. Daher sind neue Schriftsysteme, Versicherungsarten u. dergl. nicht patentfähig. Die Anforderungen hinsichtlich der Neuheit einer Erfindung sind dann nicht erfüllt, wenn eine Vorwegnahme in öffentlichen Druckschriften der letzten 100 Jahre oder durch offenkundige Benutzung im Inlande nachweisbar ist, derart, daß danach die Benutzung durch andre Sachverständige möglich erscheint.

Für die Priorität ist im allgemeinen der Tag der Anmeldung beim Patentamte maßgebend. Es kommen jedoch hierbei auch Staatsverträge mit andern Ländern in Betracht. In den zusammen mit Deutschland der Internationalen Union zum Schutze des gewerblichen Eigentums angehörigen Staaten: Belgien, Brasilien, Cuba, Curaçao, Dänemark, Dominikanische Republik, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Neuseeland, Niederlande, Niederländisch-Indien, Norwegen, Portugal, Queensland, Schweden, Schweiz, Serbien, Spanien, Surinam, Tunis, Vereinigte Staaten von Nordamerika, läßt sich von Angehörigen dieser Staaten die Priorität der ersten Anmeldung in einem der zugehörigen Staaten in Anspruch nehmen, wenn innerhalb 12 Monaten die Anmeldung in Deutschland bewirkt wird. Bei Patenten, die zuerst in Oesterreich oder in Ungarn angemeldet wurden, genießen nach einem Uebereinkommen zwischen Deutschland und diesen Ländern Angehörige der Vertragsstaaten ein Prioritätsrecht, vorausgesetzt, daß binnen 3 Monaten nach Zustellung des österreichischen oder ungarischen Erteilungsbeschlusses die Anmeldung in Deutschland bewirkt wird. Bei widerrechtlicher Entnahme einer Erfindung kann der im Einspruch obliegende Verletzte seinerseits anmelden und als Prioritätsdatum den Tag vor Bekanntmachung der widerrechtlichen Anmeldung beanspruchen.

Anspruch auf ein Patent hat derjenige Anmelder (Person, Firma oder Gesellschaft), dem die früheste Priorität zukommt. Ein Zusatzpatent (s. unten) wird nur dem Inhaber des Hauptpatents erteilt.

Die Wirkung des Patents besteht in der ausschließlichen Befugnis des Patentinhabers, den Gegenstand der Erfindung gewerbsmäßig herzustellen, in Verkehr zu bringen, feilzuhalten oder zu gebrauchen. Die Wirkung des Patentes tritt gegenüber demjenigen nicht ein, welcher zur Zeit der Anmeldung die Erfindung im Inlande bereits in Benutzung genommen oder die zur Benutzung erforderlichen Veranstaltungen getroffen hatte. Dieses sogenannte Vorbenutzungsrecht erstreckt sich aber nur auf die Bedürfnisse des eignen Betriebes, wenn auch die Benutzung in fremden Werkstätten geschehen kann. Das Vorbenutzungsrecht ist nur mit dem Betriebe übertragbar.

Der Wirkung des Patents begibt sich der Patentinhaber freiwillig gegenüber dem Lizenznehmer. Unter der Abgabe einer Lizenz versteht man die Einräumung von Nutzungsrechten nach Art des Pachtverhältnisses dergestalt, daß der Patentinhaber gegen Zahlung einer einmaligen Entschädigung oder gegen wiederholte Leistungen, etwa nach dem Umsatz der patentierten Gegenstände oder dergl., für ein bestimmtes Gebiet und für bestimmte Zeit oder ohne diese Beschränkungen auf sein Ausschließungsrecht gegenüber dem Lizenznehmer verzichtet. Der Lizenzgeber bleibt aber Patentberechtigter; er allein hat im allgemeinen das Klagerecht. Eine ausschließliche Lizenz besteht dann, wenn der Patentinhaber das Ausübungsrecht einem einzigen Dritten ausschließlich erteilt. Auch hier bleibt der Lizenzgeber Inhaber des Patents. Die ausschließliche Lizenz kann wie die gewöhnliche Lizenz zeitlich oder örtlich beschränkt sein. Der Inhaber einer ausschließlichen Lizenz mag seinerseits weiter Lizenzen vergeben, gegen Patentverletzung klagen, Strafantrag stellen u.s.w. Ein Recht zum Rückfordern der gezahlten Entschädigungen hat der Lizenznehmer im allgemeinen auch dann nicht, wenn das Patent während der Lizenzdauer für nichtig erklärt wird, da der Schutz für die Zeit vor der Nichtigkeitserklärung wirksam gewesen ist. In dem Falle, wo ein Betrag für die ganze Lizenzdauer erlegt worden ist, steht bei Nichtigkeitserklärung dem Lizenznehmer ein Anspruch auf Rückerstattung desjenigen Betrages zu, welcher als Entschädigung für die nach der Nichtigkeitserklärung liegende Zeit in Betracht kommt.

Als Zwangslizenz ist der Fall anzusehen, daß der Patentinhaber zur Vermeidung der Zurücknahme (s. unten) des Patents gehalten ist, gegen angemessene Vergütung die Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung zu erteilen, wenn dies im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Aehnlich liegt hier der Fall bei Erfindungen, die auf Bestimmung des Reichskanzlers für das Heer, die Flotte oder sonst im öffentlichen Interesse benutzt werden tollen.

Die bloße Anmeldung des Patents gewährt die Priorität, aber kein eigentliches Recht. Der Patentschutz tritt einstweilen erst mit dem Tage der Bekanntmachung der Anmeldung im Reichsanzeiger ein.

Die Dauer des Patents ist 15 Jahre, beginnend mit dem auf die Anmeldung folgenden Tage. Das Patent erlischt durch Verzicht, durch nichtrechtzeitige Zahlung der Jahresgebühren (s. unten), durch Nichtigkeit oder Zurücknahme (s. unten).

Zusatzpatente werden den Inhabern des Hauptpatents für Verbesserungen daran oder weitere Ausbildung der Erfindung erteilt. Ablauf der Gültigkeit erfolgt gleichzeitig mit dem des Hauptpatents, es sei denn, daß das Hauptpatent vernichtet wird.

Die Anmeldung einer Erfindung behufs Erteilung des Patents erfolgt schriftlich beim Kaiserl. Patentamt zu Berlin. Vertreterzwang besteht nur für solche Patentsucher, die im Inlande keinen Wohnsitz haben. Für jede Erfindung ist eine besondere Anmeldung nötig. Die Anmeldung muß den Antrag auf Erteilung eines Patents enthalten und in diesem Antrage den Gegenstand genau bezeichnen, der unter Patentschutz gestellt werden soll. In einer Anlage ist die Erfindung so genau zu beschreiben, daß danach deren Benutzung durch Sachverständige möglich erscheint. Am Schlusse der Beschreibung ist das anzugeben, was als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll (Patentanspruch). Erforderlichenfalls sind Zeichnungen, Modelle u.s.w. beizufügen. Gleichzeitig mit der Anmeldung sind 20 M. zu zahlen.

[50] Die Anmeldung unterliegt der Vorprüfung durch ein Mitglied der Anmeldeabteilung. Stellen sich hierbei Mängel heraus, so wird der Anmelder zu ihrer Abstellung aufgefordert. Nach abgeschlossener Vorprüfung geht bei rechtzeitiger Erledigung etwaiger Vorbescheide die Anmeldung zur Prüfung an die Anmeldeabteilung, die auf Grund der Akten weitere Ermittlungen anstellt, die Anmeldung zurückweist oder sie zur Bekanntmachung annimmt. Die Bekanntmachung erfolgt im Reichsanzeiger, und gleichzeitig damit werden die Unterlagen im Patentamt auf die Dauer von 2 Monaten zur Einsicht für jedermann ausgelegt. Die Bekanntmachung und Auslegung kann auf Antrag des Anmelders auf längstens 6 Monate ausgesetzt werden. Während der Dauer der Auslegung kann wegen mangelnder Patentfähigkeit von jedermann, wegen widerrechtlicher Entnahme von dem Verletzten Einspruch eingelegt werden. Der Einspruch muß schriftlich beim Patentamt eingebracht und innerhalb der Einspruchsfrist begründet werden. Der Einspruch unterliegt der Prüfung der Anmeldeabteilung, die darüber Beschluß faßt. Gegen diesen Beschluß steht beiden Teilen, Patentsucher und Einsprechenden, Beschwerde an die Beschwerdeabteilung des Patentamts zu; dasselbe gilt von dem Beschluß der Anmeldeabteilung auf Zurückweisung der Anmeldung vor der Bekanntmachung für den Patentsucher. Die Beschwerde ist kostenpflichtig (20 ℳ.) und muß innerhalb eines Monats nach Zuteilung des Beschlusses der Anmeldeabteilung schriftlich beim Patentamt eingebracht werden. Die Beschwerdeabteilung kann bei der Prüfung der Beschwerde alle ihr notwendig erscheinenden Schritte zur Aufklärung des Sachverhalts unternehmen und fällt dann die Entscheidung, die endgültig ist. Auf Antrag muß eine mündliche Verhandlung anberaumt werden, falls die Ladung des Antragstellers nicht bereits in der ersten Instanz erfolgt war.

Die endgültige Erteilung des Patents wird im Reichsanzeiger bekanntgemacht; dann folgt die Drucklegung der Patentschrift und die Ausfertigung der mit der Patentschrift versehenen Urkunde an den Patentinhaber. Die Patentrolle weist die erteilten Patente, deren Inhaber, Ablauf, Erlöschen u. dergl. aus.

Mit der Bekanntmachung der Patentanmeldung tritt die Fälligkeit der ersten Jahresgebühr ein, die der weiteren am Jahrestage des auf den Tag der Anmeldung folgenden Tages, aber erst nach rechtskräftiger Erteilung des Patents. Die Gebühr für das zweite Jahr beträgt 50 ℳ., die für jedes folgende 50 ℳ. mehr als im Vorjahre. Für Zusatzpatente ist während des Bestehens des Hauptpatents nur die erste Jahresgebühr von 30 ℳ. zu zahlen. Besteht das Zusatzpatent bei Vernichtung des Hauptpatents weiter, so gelten die für das letztere bezeichneten Jahresgebühren für das Zusatzpatent. Die erste Jahres- oder Erteilungsgebühr ist bis zum letzten Tage der 2 Monate während der Bekanntmachungszeit zu entrichten; sonst gilt die Anmeldung als zurückgenommen. Alle weiteren Gebühren können binnen 6 Wochen nach der Fälligkeit entrichtet werden, und dann gilt eine weitere Frist von 6 Wochen für Zahlung der Gebühr mit Zuschlag von 10 ℳ. Der Kasse des Patentamts sind die Postanstalten im Gebiet des Deutschen Reichs gleichgestellt. Werden die Gebühren nicht rechtzeitig oder nicht in voller Höhe (zuzüglich Bestellgebühr bei Postanweisungen) gezahlt, so erlischt das Patent zusammen mit etwa vorhandenen Zusatzpatenten.

Für den Patentinhaber besteht eine Pflicht zur Ausübung der Erfindung insoweit, als er sie im Inlande im angemessenen Umfange auszuführen oder doch alles zu tun hat, um diese Ausführung zu sichern. Unterläßt er dies, so kann das Patent nach Ablauf dreier Jahre, von dem Tage der über die Erteilung erfolgten Bekanntmachung an gerechnet, zurückgenommen werden. Die Ausführung der Erfindung besteht bei Verfahrenpatenten in dem Benutzen des Verfahrens, bei Maschinen-, Einrichtungs- oder Gerätpatenten ebenso wie bei Erzeugnispatenten in der Herstellung, nicht etwa in der Benutzung der Maschine, Einrichtung, des Geräts und Erzeugnisses.

Die Zurücknahme kann auch erfolgen, wenn sich der Patentinhaber weigert, die Erlaubnis (Lizenz) zur Benutzung der Erfindung an Dritte gegen angemessene Vergütung zu erteilen, obgleich dies im öffentlichen Interesse liegt. Auch die Zurücknahmen werden im Reichsanzeiger veröffentlicht.

Während die Erteilung von Lizenzen vom Patentamt nicht vermerkt wird, werden in beweisender Form zur Kenntnis des Patentamts gebrachte Aenderungen in der Person des Patentinhabers, und zwar sowohl völlige als auch teilweise Uebertragungen, in der Patentrolle aufgeführt und im Reichsanzeiger veröffentlicht. Dasselbe gilt von Aenderungen der Vertreter ausländischer Patentinhaber. Für die beweisende Form verlangt das Patentamt die notarielle oder gerichtliche Beglaubigung der Unterschrift des berechtigten Antragstellers, unter Bestätigung des deutschen Konsulats bei Ausländern.

Von allen erteilten Patenten werden gedruckte Patentschriften ausgegeben, nur nicht von den im Namen der Reichsverwaltung für Zwecke des Heeres oder der Flotte nachgesuchten sogenannten Geheimpatenten. Die übliche Abkürzung für Deutsches Reichs-Patent ist D.R.P. Der unbefugte Gebrauch dieser oder einer ähnlichen Bezeichnung, auch »D.R.P. a.« oder »D.R.P.A.« bei angemeldeten oder noch nicht erteilten Patenten, ist als Patentanmaßung strafbar. Es kann auf Geldstrafe bis zu 1000 M. erkannt werden.

Bei wissentlicher Patentverletzung kann der Patentinhaber bezw. der Lizenzträger innerhalb dreier Monate vom Tage der erlangten Kenntnis an Strafantrag stellen. Verjährung tritt in 5 Jahren ein. Zuständig sind die ordentlichen Gerichte. Es kann auf Geldstrafe bis zu 5000 ℳ. oder auf Gefängnisstrafe bis zu einem Jahr erkannt werden. Ferner kann auf Antrag des Verletzten eine an diesen zu zahlende Buße bis zu 10000 ℳ. festgesetzt werden. Unabhängig von dem Strafverfahren läßt sich, falls nicht auf eine an den Verletzten zu zahlende Buße erkannt worden war, was nur auf Antrag geschieht, bei wissentlicher oder grobfahrlässiger Patentverletzung ein zivilrechtliches Verfahren bei den ordentlichen Gerichten auf Ersatz des nachweislichen Schadens einleiten. Solche Verletzungsklagen verjähren[51] hinsichtlich jeder sie begründenden Handlung in 3 Jahren. Außerdem sind Anerkennungs- und Feststellungsklagen aus dem Patentrecht gegeben.

Ein bestehendes Patent kann erlöschen durch Patentablauf (15 Jahre nach der Anmeldung), durch Nichtzahlung der fälligen Jahrestaxen, durch Zurücknahme (s. oben) oder durch Erklärung der Nichtigkeit. Auf gänzliche oder teilweise Nichtigkeit eines Patents kann jedermann wegen mangelnder Patentfähigkeit binnen 5 Jahren nach der Bekanntmachung über die Erteilung des Patents klagen; bei einer Nichtigkeitsklage wegen widerrechtlicher Entnahme ist nur der Verletzte zur Klageerhebung berechtigt. Für die Nichtigkeitsklage ist das Patentamt in erster, das Reichsgericht in zweiter Instanz zuständig. Die vom Kläger zu entrichtende Gebühr beträgt für beide Instanzen 50 ℳ. Von der Klageerhebung wird dem Beklagten Mitteilung gemacht, worauf er sich innerhalb eines Monats zu erklären hat. Widerspricht er dem Klageantrag, so trifft die Nichtigkeitsabteilung des Patentamts die zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlichen Maßnahmen, gegebenenfalls durch Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen. Die Entscheidung erfolgt nach Ladung und Anhörung der Parteien. Gegen diese Entscheidung steht beiden Parteien innerhalb 6 Wochen nach Zustellung des Urteils die beim Patentamt einzulegende Berufung an das Reichsgericht zu. Das Reichsgericht fällt die endgültige Entscheidung nach Ladung und Anhörung der Parteien. Die Verhandlungen im Nichtigkeitsverfahren sind nicht öffentlich.

Die berufsmäßige Vertretung vor dem Patentamt üben die Patentanwälte, Gesetz vom 21. Mai 1900, aus.


Literatur: Damme, Das deutsche Patentrecht, Berlin 1906; Kohler, Handbuch des Patentrechts, Mannheim 1900; Kommentare von Seligsohn, 2. Aufl., Berlin 1906; Robolski, 2. Aufl., Berlin 1901; Allfeld, 1904; Isay, 1903; Ephraim, 1907.

Hans Heimann.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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