- Modell
Modell (Musterbild), in kleinerem Maßstabe oder in natürlicher Größe ausgeführtes, frei erdachtes oder aus Natur und Leben (lebendes Modell) entnommenes Vorbild zu Werken der Kunst, des Kunstgewerbes, der Architektur, des Bauingenieurwesens, Maschinenbaues, Schiffbaues u.s.w.
Die Modelle dienen besonders für den Fall, in welchem Zeichnungen oder Beschreibungen dem Verständnisse der Wirkung beabsichtigter Herstellungen nicht zu genügen vermögen, noch wichtiger sind sie für die Massenfabrikation gleichartiger Erzeugnisse.
1. Modelle aus dem Gebiete der Kunst, des Kunstgewerbes und der Architektur werden meist aus Ton, Gips, Wachs, Holz, Kork u.s.w. angefertigt. Bildhauer und Maler sowie Architekten machen zum Zwecke ihrer Herstellung vielfach Studien an lebenden Individuen, wobei die letzteren ebenfalls Modelle genannt werden. Die Ausübung der Kunst des Modellierens wird in allen höheren Lehranstalten für Architektur und Kunstgewerbe, Bildhauerei u.s.w. gepflegt.
2. Modelle aus dem Gebiete des Bauingenieurwesens, Maschinenbaues (s. unten) und Schiffbaues werden meistens aus Holz, Metall, Stein, überhaupt aus denselben Baumaterialien, in welchen die Ausführung im großen erfolgen soll, in kleinerem Maßstabe hergestellt. Sie werden in der Regel sehr kostspielig und dienen zur Erläuterung schwieriger Konstruktionen, neuer Anordnungen u.s.w. sowie zur Prüfung bezüglich Widerstands und Gebrauchsfähigkeit; ganze Brücken, Schleusen, Schiffe, Maschinen aller Art sowie besonders bemerkenswerte Einzelheiten dieser Ausführungen, meistens in einem Zehntel natürl. Größe, bilden den Gegenstand der Darstellung für solche Zwecke. In den technischen Lehranstalten vereinfachen die Demonstrationen an derartigen guten Modellen den Unterricht; bei Ausstellungen bringen die Modelle dem Laien das Verständnis für den Zweck der Ausführungen nahe und fördern dadurch die Entschließung für letztere. Die Herstellung von Modellen für Unterrichtszwecke ist ein besonderer Industriezweig geworden.
Weinbrenner.
Modelle dienen im Maschinenbau zum Abformen für Eisen-, Stahl- und Metallguß.
Man fertigt sie in der Regel aus Kiefern-, Tannen- oder Fichtenholz, weil das Nadelholz weich, daher leicht zu bearbeiten und nicht teuer ist; für kleine Dreharbeit, wie Lagerschalen, wählt man das gleichmäßige glatte Erlenholz u. dergl. Man benutzt lufttrockenes, in Bretter geschnittenes, jahrelang im Holzschuppen gelagertes und vor der Verwendung noch besonders getrocknetes Holz und verleimt es möglichst mit Kreuzung der Fasern. Trotzdem verziehen sich die Modelle während der Lagerung auf dem Modellboden doch und müssen immer wieder »nachgesehen« werden, was nicht unerhebliche Unterhaltungskosten verursacht. Die Verwaltung der Modelle kommt deshalb dem Meister der Schreinerei zu, der auch die Ordnung des Lagers überwacht und die Liste mit Zeichen, Nummer, Benennung, Stückzahl, Zubehörteilen und Gestellnummer führt.
Die häufig benutzten Modelle für Massenwaren bildet man aus Metall: Bronze, Gußeisen, Zinkguß, Aluminium, und setzt sie auch mehrfach zusammen. Sie finden bei den Formmaschinen regelmäßig Anwendung und werden entweder mit den Formplatten, die sie tragen, aufbewahrt oder ausgewechselt. Für diesen Zweck gießt man auch Reliefplatten in Weißmetall oder in Gips, mit Stearin getränkt. Zu Verzierungen kommt noch Wachs in Anwendung, das beim Trocknen der Form verflüchtigt; zu Aufschriften besondere Metallplättchen mit Buchstaben und Ziffern, die im Holzmodell leicht einzusetzen sind.
[450] Die Oberfläche der Modelle muß glatt sein, um saubere Außenfläche am Gußstück wiederzugeben; dabei darf sie weder durch den scharfen Sand noch durch dessen Feuchtigkeit leiden. Daher überzieht man Holzmodelle mit einem Lack, einer Auflösung von gelbem oder rotem Schellack in Weingeist; die Kernmarken oder wenigstens deren Stirnflächen pflegt man durch schwarzen Lack kenntlich zu machen. Metallene Modelle glättet man, bis in alle Vertiefungen hinein, durch Feilen, Schaben, Schmirgeln. Während des Gebrauchs auf den Formmaschinen werden sie durch einen Windstrahl entstäubt oder abgepinselt oder mit Petroleum abgewischt und, wenn sie »schwitzen«, mit Bärlappsamen (Lycopodium) leicht bestäubt, um das Anhaften des feuchten Sandes zu verhüten.
Bei der Formgebung sind die Rücksichten auf den Gebrauchszweck des Gußstückes nicht ausschließlich bestimmend. Es soll vielmehr auch den Anforderungen an die handwerksgemäße Arbeit beim Einformen und Ausheben der Modelle genügt werden, damit die Herstellung nicht unnötig verteuert wird; ebenso ist dabei das Verhalten des Eisens beim Ausfüllen der Form und beim Erstarren zu beachten. Für Bau- und Kunstguß hält die Gießerei die Modelle meist vorrätig; für Maschinenteile werden sie besonders hergestellt. Zur besseren Ausnutzung des Modellvorrats trachtet man danach, ein Stück mehrfach verwendbar zu machen. Wenn z.B. Zylinder für Dampfmaschinen in symmetrischer Anordnung bald rechts bald links angebaut werden, so dürfen die umzusetzenden Stutzen, Füße u.s.w. am Modell nur angeschraubt sein. Das ist schon beim Entwurf zu bedenken. Riemscheiben und Räder für verschieden starke Wellen bekommen jedesmal die passenden Kernmarken auf die reichlich zu bemessenden Naben (s.d.) gesteckt. Von großen Ringen führt man, wenn nicht Schablonenarbeit beim Formen vorteilhafter ist, nur ein kurzes Stück, z.B. ein Sechstel oder ein Achtel, als Modell aus und fertigt die Form danach. Sollen Rohre, Wangen u. dergl. kürzer als ein vorhandenes Modell ausgeführt werden, so setzt man am Modell nur einen neuen Flansch passend auf und überläßt es dem Former, das überstehende Ende durch nachträgliche Sandeinstampfung zu schließen (die Form »abzudämmen«). In der Umarbeitung der Modelle darf man nicht gar zu eifrig vorgehen.
Abweichungen von der Konstruktionszeichnung sind bei den Modellen in mehrfacher Hinsicht nötig. Mit Rücksicht auf die Schwindung des Eisens beim Erstarren um 1% der Länge werden alle Abmessungen nach dem Schwindmaßstab ausgeführt, der 1010 mm statt 1 m lang ist. Darum müssen in den Werkstattzeichnungen alle Maße, die der Schreiner braucht, aber auch nicht mehr Maße, mit Zahlen in Millimetern groß und deutlich eingeschrieben sein; z.B. an Hohlzylindern die Außen- und Innenweite, wogegen die berechnete Wandstärke wegbleibt, ferner die ganze Länge, die Flanschenstärke u.s.w. Jede Maßzahl ist in der Regel nur einmal einzusetzen, um Aenderungen zu vereinfachen, aber stets da, wo die Abmessung in der Zeichnung ausdrücklich vorgeführt ist und wo der Handwerker das Maß sucht. Die Seitenflächen werden um 1/50-1/200 schräg gelegt (konisch gemacht), so daß sich das Modell leichter aus der Form herausheben läßt. Wangen mit dickem Rande werden an der Wulstkante durch eingeleimte Keile zu lang gemacht, damit sie bei der Abkühlung gerade werden. Soll das Modell in der Ebene des größten Umfanges geteilt werden, damit es sich auf dem ebenen Lehrbrett einformen und aus jeder Formhälfte für sich ausheben läßt, so wird da ein Blatt Papier eingeleimt und nach der Vollendung des Modells durch Eintreiben eines Stechbeitels das Papier in ganzer Fläche gespalten. Zwei oder drei Holzdübel oder eingeschraubte Metalldübel mit Gegenhülse sichern die gegenseitige Lage der Teile aneinander.
An den zu bearbeitenden Stellen, die in der Zeichnung zu diesem Zwecke durch rote Striche gekennzeichnet werden, werden am Modell 510 mm zur Bearbeitung zugegeben, zuweilen auch noch mehr. Wo Kerne aus dem Innern vorstehen, sind die Kernmarken am Modell aufzusetzen; ebenso wird es mit dem »verlorenen Kopfe« und den niedrigeren Angüssen versehen. Unterschnittene Teile, wie schräge Leisten, seitliche Augen und Randleisten, werden lose am Modell angesetzt und durch von der Teilfläche zugängliche Nägel oder Holzschrauben angeheftet. Für seitliche Einkehlungen werden »Kernstücke« oder »falsche Kerne« mit Kernmarken am Modell vorgesehen.
Vgl. a. Dampfzylinder, Bd. 2, S. 664, Eisengießerei, Bd. 3, S. 354, Gießerei, Bd. 4, S. 528, Gipsgüsse, Röhrenfabrikation, Tischlerarbeiten.
Lindner.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.