Reaktionen [2]

Reaktionen [2]

Reaktionen, chemische, bei tiefer Temperatur.

Um die Moleküle und Atome der Körper in Schwingungen zu versetzen und die Atome verschiedener mechanisch zusammengebrachter Substanzen miteinander in chemische Reaktion treten zu lassen, ist die Zufuhr von äußerer Energie notwendig, die im allgemeinen in Gestalt der Erwärmung geschieht. Bei vielen Körpern genügt hierzu schon die normale Temperatur, bei andern ist künstliche Wärmezufuhr notwendig. Es folgt aus diesen Tatsachen, daß, je mehr man die Temperatur der Körper dem absoluten Nullpunkt nähert, bei welchem die Bewegungsform der Moleküle, die wir Wärme nennen, vollständig aufhört, um so geringer die Reaktionsfähigkeit werden muß, und[368] daß die eine Reaktion schon bei einer geringen, die andre bei einer stärkeren Abweichung von der normalen Temperatur zum Stillstand kommen wird. Beobachtungen in dieser Richtung finden sich vereinzelt in der Literatur verstreut; so geben Loir und Drion an, daß bei –65° flüssiger Ammoniak auf Schwefelsäure geschichtet werden kann, ohne Reaktion zu zeigen [1]. Eingehend haben sich erst Pictet und seine Mitarbeiter mit diesem Gebiet beschäftigt und eine große Anzahl von wichtigen Tatsachen festgestellt [2].

Das interessanteste Beispiel für das Aufhören der chemischen Reaktionen bei tiefen Temperaturen ist folgendes: Kühlt man mit Hilfe eines Gemisches von fester Kohlensäure und Aether, wodurch man etwa eine Temperatur von 90° erhält, gewöhnliche rohe Salzsäure (die bei dieser Temperatur nicht erstarrt) ab und bringt man ein Stückchen metallisches Natrium, das an einem Eisendraht aufgespießt ist und mit diesem in einem Reagenzglas hängt, auf dieselbe Temperatur, so tritt keinerlei Reaktion ein, wenn man das Natrium vermitteln des Drahtes in die kalte Salzsäure eintaucht. Nachdem die Flüssigkeit sich einige Minuten erwärmt hat, steht man zunächst längs des Eisendrahtes Wasserstoffblasen sich entwickeln, und einige Sekunden später verzehrt sich das Natrium mit explosionsartiger Geschwindigkeit in der Säure. Besonders interessant ist dabei auch die Tatsache, daß das Eisen, dessen Reaktion mit Salzsäure doch erheblich schwächer ist als die des Natriums, schon bei einer tieferen Temperatur zu reagieren anfängt als das letztere. Bringt man ferner Schwefelsäure von der Zusammensetzung H2SO4 + 7H2O, deren Gefrierpunkt sehr tief liegt, und gepulverten Marmor bei –70° zusammen, so erfolgt keine Reaktion. Bei –52° ist die erste Spur einer Reaktion bemerklich, bei –15° wird dieselbe energisch und zeigt bei –7° denselben Verlauf wie bei normaler Temperatur.


Literatur: [1] Loir und Drion, Ann. chim. phys. (3), 56, 1. – [2] Pictet, Essai d'une méthode générale de synthèse chimique, Genf 1893.

(Thilo) Bujard.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Reaktionen [1] — Reaktionen, chemische, die Bildung eines oder mehrerer chemischer Stoffe aus einem oder mehreren andern. Man unterscheidet vollständige und unvollständige Reaktionen, je nachdem die ursprünglichen reagierenden Stoffe ganz oder nur teilweise sich… …   Lexikon der gesamten Technik

  • Reaktionen [3] — Reaktionen von Trägerstützen, s. Aktivkräfte, Bd. 1, S. 121, Fachwerk, Bd. 3, S. 535, Horizontalschub, Bd. 5, S. 138, Träger, Balken, Bogen, Hängebrücken u.s.w. vgl. Auflager. Ueber notwendige und überzählige Reaktionen, s. Fachwerke, statisch… …   Lexikon der gesamten Technik

  • Chemische Reaktionen — Eine chemische Reaktion ist ein Vorgang bei dem chemische Spezies ineinander umgewandelt werden,[1] bzw. genauer: bei dem aus einem oder mehreren „Edukten“ (auch „Reaktant“ bzw. „Reaktanten“ genannt), ein oder mehrere „Produkte“ entstehen. Dabei… …   Deutsch Wikipedia

  • Pericyclische Reaktionen — sind chemische Reaktionen, bei denen die Bindungsverhältnisse durch eine konzertierte Verschiebung von Elektronen verändert werden. Die dabei durchlaufenen Übergangszustände sind cyclischer Natur. Die wichtigsten pericyclischen Reaktionen sind… …   Deutsch Wikipedia

  • Exergone und endergone Reaktionen — Chemische Reaktionen werden in Bezug darauf, ob sie innere Energie abgeben oder aufnehmen, als exergone oder endergone Reaktionen bezeichnet. Exergone Reaktionen Reaktionen, die spontan ablaufen, werden als exergon bzw. „exergonisch“ bezeichnet.… …   Deutsch Wikipedia

  • Cheletrope Reaktionen — Die Cycloaddition ist eine chemische Reaktion der organischen Chemie. Es reagieren generell zwei ungesättigte Systeme durch Ringschluss miteinander. Man bezeichnet die Cycloadditionen meist mit einem Kürzel vor dem Namen, der angibt, wieviele π… …   Deutsch Wikipedia

  • Isodesmische Reaktionen — bezeichnen chemische Reaktionen, bei welchen die Art und Anzahl der Bindungen erhalten bleibt. Bei der theoretischen Vorhersage von Reaktionsenergien fallen Fehler in den Rechenmethoden stärker ins Gewicht, da es sich bei Reaktionsenergien um… …   Deutsch Wikipedia

  • Isogyrische Reaktionen — bezeichnen chemische Reaktionen, bei welchen die Anzahl gepaarter und ungepaarter Elektronen konstant bleibt. Bei der theoretischen Vorhersage von Reaktionsenergien fallen Fehler in den Rechenmethoden stärker ins Gewicht, da es sich bei… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der organischen Reaktionen — Viele Reaktionen bzw. Reaktionsmechanismen der organischen Chemie sind als Namensreaktionen[1] bekannt. Sie sind nach ihren tatsächlichen oder häufig vermeintlichen Entdeckern oder Schlagworten benannt und bilden ein Vokabular, mit dem sich… …   Deutsch Wikipedia

  • endergonische Reaktionen — endergonische Reaktionen,   chemische Reaktionen, die nur ablaufen, wenn den reagierenden Stoffen von außen Energie zugeführt wird. Wird diese Energie in Form von Wärme zugeführt, so spricht man von endothermen Reaktionen; Gegensatz exergonische… …   Universal-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”