Seilfabrikation

Seilfabrikation

Seilfabrikation [1]. Die zur Herstellung von Seilen und Kabeln verwendeten Rohstoffe sind entweder Drähte oder Faserstoffe (Hanf, Manilahanf, Jute, Aloefaser, Esparto, Baumwolle, Neuseeland-Flachs u.s.w.). Ueber die Herstellung der Drahtseile vgl. Drahtseile, Bd. 3, S. 40; über das Spinnen der Garne s. Spinnerei, Baumwoll-, Flachs-, Hanf-, Jutespinnerei u.s.w. [2].

Um Seile und Kabel herzustellen, wird das Garn erst zu Litzen oder Schäften oder Schenkeln zusammengedreht ( »Schlagen« der Litzen oder »Abschnüren« ); aus diesen werden (durch das »Seilen« ) die Seile und aus den Seilen die Kabel oder Taue angefertigt. Die Drehung der Litzen oder Schäfte erfolgt fast ausnahmslos in der Richtung entgegengesetzt der des Garnes, damit Litzen und Garn sich gegenseitig am Aufdrehen verhindern; das Seil wird dann in der Richtung entgegengesetzt der der Litzen gedreht (geschlagen) u.s.w.

Kabel und Seile werden gewöhnlich in vier Klassen eingeteilt, welche im Handel unter den Namen troßweise geschlagene, kugelweise geschlagene, kabelweise geschlagene und flache Seile bekannt sind. Seile der ersten Klasse bestehen aus drei zusammengedrehten Schäften; die der zweiten Klasse aus vier zusammengedrehten Schäften; kabelweise geschlagene Seile sind[65] aus drei troßweise geschlagenen Seilen zusammengesetzt, und flache Seile (im Bergbau verwendet) werden hergestellt, indem man mehrere Seile nebeneinander legt und sie durch schräge Stiche (mittels Schnüren, Messingdraht) oder durch Niete verbindet; hierzu dienende Maschinen vgl. [3]. – Die ein flaches Band bildenden Seile werden abwechselnd nach rechts und links gedreht, da andernfalls das Seil stets sich selbst drehen würde. Kugelweise geschlagene Seile haben stets ein Kernstück (Herz, Seele) in der Mitte der Litzen. Die Stärke der Seile pflegt man durch Messung ihres Umfanges anzugeben.

Die Seilfäden werden heute noch vielfach auf der Seiler- oder Reepbahn, die bis zu 1 km lang ist, mittels eines Austreibewagens (Ausziehwagens, Läufers, Hinterrades) zu Litzen oder Schenkeln vereinigt, wobei der Wagen durch ein Pferd oder durch ein die ganze Seilbahn entlang laufendes Antriebsteil, wohl auch durch einen auf dem Wagen selbst beteiligten Elektromotor in Bewegung gesetzt wird. Der Wagen hat so viel Dreheisen (Drehspindeln mit Haken), als gegebenenfalls gleichzeitig Litzen nebeneinander (1, 3, 6, 12) hergestellt werden sollen. An diesen Haken wird je das eine Ende der Litze befestigt; sie erhalten unter Zuhilfenahme von Wechselrädern die bestimmte Anzahl Drehungen, während der Wagen selbst auf Schienen die Bahn entlang fährt und dadurch die zu vereinigenden Fäden von den auf feststehenden Rahmen gelagerten Fadenspulen abzieht. Die Spulengestelle enthalten mitunter bis über 300 Spulen. Der Drehsinn der Haken kann erforderlichenfalls durch Kehrgetriebe geändert werden. Zur gleichmäßigen Anordnung gehen die Fäden zunächst durch eine aus rechtwinklig sich kreuzenden Stäben gebildete Registerplatte, hierauf läuft jede zu einer Litze zu vereinigende Gruppe von Fäden durch eine Kranzplatte, welche die Fäden in konzentrische Ringschichten so ordnet, daß sie in runder Form durch eine nach Art eines Ziehloches gestaltete Röhre wandert. Bei geteerten Fäden werden diese Röhren behufs Erweichens des Teeres durch Dampf von außen geheizt.

Zur Vereinigung der Litzen zu Seilen ist außer dem vorbeschriebenen Läufer oder Hinterrad noch ein sogenanntes Vorderrad, feststehendes Seilgeschirr, oder eine Vorspinnmaschine vorhanden, welche gleichfalls mit Wechselrädern und Kehrgetrieben ausgerüstet ist. Um nun z.B. aus drei Litzen ein Seil zu bilden, werden ihre Enden nahe an der »Vorspinnmaschine« abgeschnitten und an drei Haken dieser Maschine befestigt, welche den Haken des »Läufers« entsprechen; zunächst werden letztere in Drehung versetzt, um den Litzen die genau notwendige Drehung zu geben. Hierauf werden die andern Enden der drei Litzen von den drei Haken des Läufers losgemacht und an einen Haken desselben, gewöhnlich den mittleren, befestigt; dieser Haken wird alsdann in der Richtung, entgegengesetzt derjenigen, in der die Litzen gedreht sind, bewegt. Bevor jedoch dieses Rückdrehen ausgeführt wird, setzt man die »Kappe« (Lehre) zwischen die drei Litzen ein. Diese besteht aus einem kegelförmigen Stück Holz mit drei der Länge nach laufenden Rillen. Der Zweck der Kappe ist, die drei Litzen unter gleichen Winkeln und in gleichen Entfernungen zum Seil zusammenlaufen zu lassen. Die Umdrehung des mittleren oder Schlaghakens dreht das sich bildende Seil um sich selbst, während die drei Vorspinnhaken, an welchen die andern Enden der Litzen befestigt sind, ihre Drehung fortsetzen, um die Litzen um gerade so viel wieder zu drehen, als sie durch ihre Drehung um sich selbst in der entgegengesetzten Richtung durch den Umlauf des Schlaghakens des Läufers aufgedreht werden. In dem Maße, wie sich das Seil durch das Verseilen bildet, wird die Kappe, die gewöhnlich auf einem Wagen vor dem Läufer befestigt ist, sich auf das feststehende Seilgeschirr zu der Seilerstätte entlang bewegen. Während dieses Verteilens wird der stark gebremste Läufer der Seilverkürzung entsprechend auf die Vorspinnmaschine zugezogen. Bis zu zwölf Litzen können gleichzeitig der Seilerstätte entlang gezogen und dann zu Seilen geschlagen werden. Diese Maschinen können zur Herstellung von Seilen bis zu 630 mm Umfang verwendet werden. Die Vorspinnmaschinen werden zweckmäßigerweise mit zwei Läufern, einem schweren und einem leichten, versehen, die gegeneinander auswechselbar sind. An Stelle dieser vorstehend beschriebenen Einrichtung sind zurzeit dort, wo man große Massen von Seilen weniger wechselnder Stärken herzustellen hat, Maschinen getreten, die auf kleinem Raum kontinuierlich zusammendrehen und aufwickeln. Diese Maschinen sind entweder kombinierte Maschinen, welche gleichzeitig und in einem Arbeitsgange die Garne zu Litzen und die Litzen zu Seilen schlagen, oder es sind getrennte Litz- (Schnür-, Austreibmaschinen, formers) und Zuricht (Seilschlag-)maschinen, layers.

Fig. 1 zeigt eine Austreibmaschine für starke Seillitzen; bei ihr werden die zu verschnürenden Fäden von rechts befindlichen gebremsten Spulen durch vorgeschaltete Registerplatten gezogen, während die fertige Litze auf die links ersichtliche große Spule aufgewunden wird. Fig. 2 gibt eine senkrechte Seilschlagmaschine (Karussellmaschine) wieder, deren Wirkungsweise zur Genüge aus der Figur erkannt werden kann. Zur Herstellung von größeren [66] Seilen sind getrennte Litz- und Seilschlagmaschinen wohl immer den kombinierten Litz- und Schlagmaschinen vorzuziehen. Die kombinierte Maschine, welche z.B. aus drei Litz- und einem Zurichtteile besteht, ist immer zusammengesetzter und deshalb weniger übersichtlich und in der Regelung, Wartung und Bedienung schwieriger; zudem muß die kombinierte Maschine mit einer geringeren Geschwindigkeit arbeiten als die gewöhnliche Zurichtmaschine, so daß die Leistungsfähigkeit eine geringere ist, was auch schon dadurch bedingt wird, daß beim Auswechseln einer jeden leeren Spule die ganze Maschine angehalten werden muß und somit große Zeitverluste entstehen. – Austreib- (Litz-) und Seilschlag (Zuricht-)maschinen erfordern wenig Aufstellungsraum und geringe Betriebskraft und haben den Vorteil der großen Leistungsfähigkeit, da sie nahezu unausgesetzt arbeiten können. Die Nachteile bestehen nur in den höheren Kosten für ihre Beschaffung, da zur Herstellung aller Seilgrößen viele vollständige Maschinensätze nötig sind. Die Herstellung der Seile mit Vorder- und Hinterrad (Vorspinnmaschine und Läufer) auf der Seilerbahn erfordert geringere Maschinenanschaffungskosten, nur die einfacheren Maschinen sind für die verschiedensten Seilgrößen und Arten geeignet; ihre Nachteile sind größere Betriebskraft, teurere Arbeitslöhne und eventuell kostspieligere Gebäude.

Außer durch Zusammendrehen (Zusammenschlagen) vereinigt man die Litzen auch noch durch Flechten zum fertigen Seil (Quadrat- und sogenannte Dreikantseile, vgl. Hanfseile, Bd. 4, S. 773). Die Quadratseile werden dabei auf zweiläufigen, mit acht Klöppeln arbeitenden zweiflechtigen Maschinen hergestellt. Die in zwei Gruppen zu je vier geteilten acht Litzen kreuzen sich unter einem gemeinsamen Flechtpunkt derart, daß jede Litze mit ihrem Klöppel eine geschlossene Bahn durchläuft. – Der trapezförmige Querschnitt der sogenannten Dreikantseile wird durch die Wahl ungleichgroßer Flügelräder erreicht, dergestalt, daß bei zehn Klöppeln zwei Flügelräder je sechs und die beiden andern je vier Flügel erhalten.

Die geflochtenen sowohl wie auch die geschlagenen Transmissionsseile müssen noch gereckt werden, damit sie sich während des Betriebes möglichst wenig dehnen. Das Recken geschieht auf der Seilbahn, indem man das fertige Seil durch Zurücklaufenlassen der Seilschlagmaschine anspannt und unter Spannung erhält. – In neuerer Zeit erwärmt man auch das zusammengeschlagene Seil in einer mit Dampf geheizten Kammer und läßt es dann über zwei Trommeln laufen, von denen die zweite eine etwas größere Umfangsgeschwindigkeit besitzt wie die erste. Von der zweiten Trommel aus wird das Seil unter Spannung auf den zum Versand dienenden Holzhaspel aufgewickelt.

Die Schiffstaue sind mit wenigen Ausnahmen geteert, und zwar wird entweder das Teeren mit der fertigen Ware vorgenommen oder es wird schon geteertes Garn verarbeitet.


Literatur: [1] Denhöfer, Das illustrierte Seilerbuch, 2. Aufl., Leipzig 1869; Rohrbach, Das Seilergewerbe, 4. Aufl., Weimar 1886; Reutlinger, Taschenbuch für Seiler, Offenbach; Deutsche Seilerzeitung, Berlin; Dinglers Polyt. Journ. 1861, Bd. 160, S. 160; 1862, Bd. 166, S. 321; 1866, Bd. 181, S. 192; 1869, Bd. 193, S. 274; 1878, Bd. 229, S. 11; 1888, Bd. 267, S. 302; 1894, Bd. 291, S. 58, Bd. 292, S. 174; 1907, Bd. 322, S. 565. – [2] Ebend. 1907, Bd. 322, S. 565. – [3] Ebend. 1888, Bd. 267, S. 493.

E. Müller, Dresden.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.

http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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