Buchbinderei [1]

Buchbinderei [1]

Buchbinderei, das Gewerbe, welches einzelne Blätter bedruckten oder beschriebenen Papiers zu einem Ganzen verbindet (Buch); ebenso das zugehörige Verfahren, die Werkstätten und technischen Einrichtungen.

Zu unterscheiden sind der Groß- und der Kleinbetrieb. Der Großbetrieb stellt bedeutende Mengen gleichartiger Einbände in möglichst kurzer Zeit unter Anwendung motorgetriebener Maschinen und zweckmäßigster Arbeitsteilung her; im Kleinbetriebe werden einzelne Bücher oder kleine Partien solcher, gleicher oder verschiedener Art von einem und demselben Arbeiter gebunden. Die interessante historische Entwicklung des Buchbindereigewerbes s. in [1]–[8]. Abgesehen von dem Kleinbetriebe läßt sich die moderne Buchbinderei in vier Hauptgruppen teilen: 1. Verlagsgroßbuchbinderei, 2. Geschäftsbuchfabrikation, 3. Gebetbuchfabrikation, 4. Luxusbuchbinderei (Adreß-, Diplommappen u.s.w.). Sie alle haben im handwerksmäßigen Kleinbetrieb ihre Grundlage; die Arbeitsmethode des letzteren soll deshalb hier zuerst geschildert werden.

Kleinbetrieb. Heute verarbeitet die Druckindustrie fast durchweg geleimte Papiere, so daß der Buchbinder sofort mit dem Falzen der Druckbogen bezw. dem Auseinandernehmen der Broschüre beginnen kann. Das Falzen bezweckt, die auf dem bedruckten Bogen befindliche Anzahl Blätter- je nach dem Format: 2, 4, 8, 16 – so zu ordnen, daß ihre Kolumnen (Seiten) sich genau decken und die Seitenzahlen (Pagina) richtig aufeinander folgen. Die Bogen werden so gelegt, daß sich die mit dem Stern bezeichnete (sogenannte falsche) Signatur zur rechten Hand des Arbeiters befindet. Während die rechte Hand den obersten Bogen rechts aufhebt und zusammenlegt, um Pagina auf Pagina zu bringen, faßt die linke die zusammengelegten Bogenränder, um den zweiten Bruch vorzubereiten, bei dem nicht nur die Seitenzahlen, sondern auch die Mittelbrüche genau aufeinander gelegt werden müssen; dasselbe geschieht beim dritten Bruch. Das Falzbein liegt dabei in der inneren Fläche der rechten Hand, um beim Niederstreichen der Brüche von Zeigefinger und Daumen erfaßt zu werden. Bei feineren Drucken, Titelbogen u. dergl. müssen die Bogen einzeln aufgehoben und gegen das Licht gehalten werden, um ein genaues Falzen zu ermöglichen. Die Leistung eines geübten Arbeiters beträgt 400–500 Bogen pro Stunde. Es ist erst in den letzten Jahren gelungen, exakt arbeitende Falzmaschinen zu konstruieren, die das 5–10fache der Handarbeit leisten (s. Buchbindereimaschinen). Die gefalzten Bogen werden in Brettern zwischen die Balken einer zweispindeligen[374] Handpresse (Fig. 1) eingepreßt, um die Falzbrüche zu fixieren, sodann aber auf freistehendem Tische in genauer Reihenfolge aufgeschichtet und durch Einzelabheben je eines Bogens das komplette Buch zusammengetragen. Auf einem glatten Stein oder einer Eisenplatte werden die Exemplare dann entweder mittels eines kurzstieligen Hammers geschlagen oder durch die Walzen eines Satinierwerkes gezogen, um das Volumen des Bandes zu verringern und die zwischen den Bogen befindliche Luft zu entfernen.

Es folgt nun das Einsägen der Bogenrücken, um die zur Aufnahme der Heftbünde notwendigen Vertiefungen zu erzeugen. Handliche Stöße werden zwischen Brettern in die Handpresse gesetzt und mit einer leicht geschränkten Säge 1–3 mm tiefe Einschnitte gemacht, in der Regel zwei bis vier und außerdem oben und unten je ein sogenannter Fitzbund, der nur leicht eingeritzt wird.

So vorbereitet kommt das Buch auf die Heftlade (Fig. 2), deren auf den Spindeln beweglicher Querbalken eine den Sägeschnitten entsprechende Anzahl Hefthaken aufnimmt, an denen – je nach Stärke des Buches – dünnere oder dickere Hanfschnüre aufgespannt werden, vermitteln deren die eigentliche Bindung erfolgt. Um die erste und letzte Lage des Buches, die in der Regel nicht mit eingesägt wird, legt man, um ihn mitzuheften, den Vorsatz. Er bildet die Vermittlung zwischen Deckel und Buchblock, soll dem letzteren als Abschluß dienen, die Verbindung mit dem Deckel durch die Bünde verhüllen und verstärken und schließlich den Deckel auf seiner Innenseite bekleiden. Der Lösung dieser Aufgabe dienen die mannigfachsten Methoden [9], S. 98. Die gewöhnlichste Form (s. Fig. 3): zwei Blätter Schreibpapier von der reichlichen Größe des Buches werden an der Längsseite schmal zusammengeklebt, ein Streifen Gaze sowie ein Papierstreifen, der sogenannte Flügelfalz, aufgeklebt und das Ganze an der zusammengeklebten Stelle der Länge nach 4 mm breit umgebrochen. In diesen Bruch (das Fälzchen) legt man den letzten Bogen und bringt ihn hinter die Schnüre, so daß dieselben mit den Einsägelöchern korrespondieren. Nun wird die Nadel beim unteren Fitzbund durch Fälzchen und Bogen geführt, vor dem ersten »Bund« – so heißen die aufgespannten Schnüre – heraus, hinter demselben hinein, bis zum oberen Fitzbund der Faden herauskommt, um beim nächsten Bogen von oben zu beginnen. Am Ausgangspunkte angekommen, wird der Faden mit dem hervorstehenden Ende verknüpft (verfitzt, daher Fitzbund), aber nicht abgeschnitten, sondern weiter verheftet, so daß ein zusammenhängender Faden durch das ganze Buch hindurchgeht [9], S. 109. Diese scharf im Rückenbruche jeden Bogens liegenden Fadenteile bewirken ein Dickerwerden an dieser Stelle, das bei der Weiterverarbeitung eine bedeutende Rolle spielt.

Nach dem Heften schneidet man die Bünde bis auf eine Länge von je 3 cm rechts und links ab und schabt diese überstehenden Enden auf, die Vorsatzbogen werden aufgeschlagen und das Fälzchen durch Kleistergeben angeklebt. Sodann wird der Rücken durch Bestreichen mit heißem Leim und Einreiben mit dem Hammer nach sorgfältigem Gleichstoßen und Richten vorläufig gefertigt. In dieser Lage wird dann das Beschneiden der vorderen Blattränder – der Vorderschnitt – ausgeführt. Dies geschah früher mit dem sogenannten Beschneidhobel, einem Gestell, das eine scharfgeschliffene, zungenförmige Stahlklinge gegen die in der Beschneidepresse eingespannten Blattränder führte; heute ist an Stelle dieses Apparates überall die Schneidemaschine getreten (s. Buchbindereimaschinen), deren oft meterlange Messer die dicksten Folianten mit einem Zuge beschneiden.

Ein allseitig gerader Buchblock würde durch das Aufschlagen und Lesen sehr bald eine wenig handliche Form annehmen; man arbeitet daher dem Bestreben des Rückens, sich nach hinten zu krümmen, entgegen, indem man durch Klopfen mit dem Hammer auf den Rücken diesem und dem Vorderschnitte eine halbkreisförmige Rundung gibt. Um diese zu fixieren, bringt man das Buch zwischen zwei Brettern in die Presse; doch setzt man die Bretter nicht mit dem Vorsatzboden gleich, sondern 2–6 mm nach vorne, um der obenerwähnten, durch das Heften entstandenen Erhöhung (Heftfalz) die Möglichkeit zu geben, sich vorne und hinten herüberzulegen. Durch Klopfen mit dem flachen Ende des Hammers oder dem Kaschiereisen[375] wird das Herüberlegen befördert und im Interesse einer gleichmäßigen Rückenrundung ausgeglichen. Durch die Bearbeitung mit der gezackten Seite des Kaschiereisens wird der vorher mittels Kleisters aufgeweichte Rücken zu einer festen Masse, was durch Ueberkleben mit Papier oder Stoff und längeres Stehenlassen in der Presse wesentlich gefördert wird. Das ganze Verfahren heißt »Abpressen« und die dadurch gebildete, beidseitig hervortretende Rückenkante Abpreßsalz oder »Falz« schlechthin.

Um den weißen Schnitt vor dem Unansehnlichwerden tunlichst zu schützen, wird derselbe mit einer geeigneten Färbung versehen. Die wichtigsten Arten der Schnittverzierung sind: 1. Der gesprengte Schnitt: Mittels Siebes und Bürste wird eine Farblösung auf den freien oder mittels einer Musterung abgedeckten Schnitt aufgespritzt. 2. Der gefärbte Schnitt: Mit Klebstoff angeriebene Wasser- oder Beizfarben werden mittels Pinsels aufgestrichen. 3. Der marmorierte Schnitt: Feingeriebene ([10] und [11]), mit Ochsengalle präparierte Wasserfarben werden in ein flaches Becken auf eine Abkochung von Carragheenmoos bestimmter Konsistenz derartig aufgespritzt, daß die sich mehr oder weniger ausbreitenden Farbentropfen, ohne sich zu vermischent einen schwimmenden Farbenteppich bilden, dessen Zeichnung durch weiteres Manipulieren mit Stift, Nadelkamm u. dergl. sowie durch Aufspritzen treibender Flüssigkeiten die verschieden, artigsten Muster annimmt. Das Muster haftet am Schnitt, sobald derselbe in die Flüssigkeit getaucht wird. 4. Als Surrogat für diese sehr dauerhafte und schöne Schnittgattung: Die Walzenschnitte. Dem obigen nachgeahmte Dessins befinden sich auf einer Platte aus vulkanisertem Kautschuk, welche die Oberfläche einer Walze bildet, die, mit Selbstfärbung versehen, über die Schnittfläche geführt wird, um dort einen mehr oder weniger reinen Abdruck zu hinterlassen. 5. Der Goldschnitt: Die mittels Ziehklinge sauber geschabte Schnittfläche des in der Presse stehenden Buches wird durch Abreiben mit Kleister, Auftragen mit feinst geschlämmtem Bolus grundiert; danach wird mittels schwacher Eiweißlösung echt Blattgold, Silber oder Kompositionsmetall aufgetragen und mit dem metallgefaßten Achatstein (Glättzahn) poliert oder abgeglättet. Das Abglätten findet übrigens auch bei den übrigen Schnittarten Anwendung. 6. Zierschnitte; so werden alle gemalten, gepunzten, ausgeschabten oder mit Aufdruck versehenen Schnitte genannt, die bei Luxusbänden ausgeführt werden [12].

Nach Fertigstellung der Schnittverzierung wird das Buch »kapitalt«, d.h. der hintere am Rücken befindliche Teil des Unter- und Oberschnittes mit Stoff beklebt, der in Form einer Schnur einen Abschluß der Schnittfläche bildet. Dieser Teil des Buches sowie der ihm zunächst befindliche Teil des Rückens wird Kapital genannt; das erwähnte Gewebe aus Webstoff, Baumwolle oder Seide heißt Kapitalband, ein Surrogat für das früher allgemein geübte umständliche Bestechen des Kapitals.

Die Befestigung der Deckel am Buche ist mit Rücksicht auf die Bandausstattung eine verschiedenartige. Man unterscheidet: I. Die gewöhnliche Deckelbefestigung, wobei die mit Kleister zwei Finger breit angestrichenen Deckel einfach auf die ebenfalls gekleissterten, auf dem Flügelfalz sauber angestrichenen Bindfadenenden der Bünde aufgesetzt werden, wonach das Ganze in die Presse kommt. Diese Art findet Anwendung bei den Einbandgattungen: Steif broschiert, einfach Halbleinen, einfach Halbleder. II. Das Ansetzen auf Papprücken, wobei zwischen Flügelfalz und Deckel die Seitenteile eines aus dünner, fester Pappe gebrochenen, genau angepaßten Rückens festgeklebt werden. Die Methode gilt für Pappbände, Halb- und Ganzleinenbände. III. Die Ansatzart, bei welcher der ausgefaserte Heftbund oben auf den Deckel zu liegen kommt und dieser letztere dicht an den scharf abgepreßten Falz herangedrängt wird. IV. Eine gleiche Methode, bei der überdies die doppelt langen Bünde zweimal durch den Deckel hindurchgezogen und dann erst die Enden auf der Oberseite der Deckel verklebt werden. Diese letzteren dienen hauptsächlich für Halb- und Ganzfranzbände, also Bücher, die an Rücken und Ecken oder gänzlich mit Leder besserer Qualität überzogen sind. In allen Fällen werden die Bücher zwischen Preßbretter einzeln, eventuell unter Vorlage glatter Blechtafeln, eingesetzt, um zu mehrstündigem Trocknen in die. Hand- oder Stockpresse zu kommen. Vielfach werden die Deckel vor dem Ansetzen auf der Pappenschere (s. Buchbindereimaschinen) in der richtigen Größe zugeschnitten; nach der älteren Weise werden sie nach dem Herausnehmen aus der Presse zurückgeschnitten, indem man eiserne Lineale mit emporstehender Kante an den Schnitt heranschiebt und das Ueberstehende mit dem Pappmesser ab »formiert«. Die vorstehende Deckelkante ist je nach Größe des Buches vorn 4–10, oben 2–6 mm breit. Nach dem Formieren wird zunächst der Flügelfalz oben und unten eingeschnitten, um beim Einschlagen des Kapitals nicht hinderlich zu fein; sodann beginnt die Herstellung der Gewandung des Buches. Beim Pappband besteht diese äußere Umhüllung nur aus Papier, das mit dünnem Leim angeschmiert wird. Ordinäre Bände werden häufig mit festem Rücken gearbeitet, d.h. das Rückenmaterial auf dem Buchrücken direkt angeklebt, so daß es beim Oeffnen des Buches die Bewegung desselben mitmachen muß. Bessere Halbleder-, Halbfranz- und Franzbände dagegen werden mit hohlem Rücken gearbeitet und zu diesem Zwecke eine sogenannte Rückeneinlage geschnitten, die genau von Falz zu Falz reicht und vorläufig mit schmalem Leimanstrich auf dem Rücken befestigt wird. Gewöhnlich werden dann falsche Bünde aufgeleimt, d.h. schmale, dicke Pappstreifen,[376] die der späteren Vergoldung als Basis dienen und den Anschein erwecken fallen, als sei das Buch nach alter Art auf starke, obenaufliegende Schnüre geheftet. Nächstdem wird das Leder zugeschnitten. Es gelangt Schaf-, Ziegen-, Kalbs-, Schweinsleder sowie Pergament zur Verwendung, jedoch meistens in mehrfach gespaltenem Zustande und dünnster Ausarbeitung. Wo es angeht, wird das Leder in feuchtem Zustande über den Rücken gezogen, die Bünde gehörig herausgedrückt, nach dem Einschlagen des Kapitals die Deckel kräftig herübergezogen und ein kräftiger Faden in den Falzeinschnitt um das ganze Buch gebunden, worauf es wieder mehrere Stunden liegen bleibt, um schließlich, wenn es ein Halbband ist, mit Papier oder Kaliko überzogen zu werden und nach dem Anpappen (Ankleben des äußeren Vorsatzblattes) nochmals längere Zeit in der Presse zu flehen. Dann erst ist das Buch so weit, um eventuell durch Aufdruck von Titel- oder sonstiger Verzierung den letzten Schliff zu erhalten [2] (s. Goldpressung).

Im Großbetriebe wickelt sich der Prozeß so ziemlich in derselben Reihenfolge ab. An Stelle der Handarbeit tritt, soweit möglich, Maschinenarbeit; auch sind die Pausen, während welcher das Buch in der Presse fleht, kürzer, ja das Stehenbleiben beim Abpressen, worauf der Kleinbuchbinder mit Recht großen Wert legt, fällt gänzlich fort. Doch ist die Maschine nicht imstande, die Handgeschicklichkeit im Buchbindereibetrieb ganz entbehrlich zu machen [14]. Eine Ausnahme findet höchstens statt bei der Anfertigung billiger Massenartikel: Broschüren, Kataloge, Zeitschriftenlieferungen, Reklamesachen. Hier werden häufig die gedruckten Bogen direkt von der Rotationsmaschine in die Falzmaschine geleitet, um, gefalzt und mit Heftstichen versehen, von meist weiblichem Arbeiterpersonal weiter behandelt zu werden. Ueber die Arbeitsweise der einzelnen Maschinen in der Bindetechnik vgl. Buchbindereimaschinen. Die erste Arbeit, das Falzen der Druckbogen, wird im Großbetriebe neuerdings fast allgemein von der Falzmaschine ausgeführt. Nur besonders geartete Arbeiten werden nach wie vor von' weiblichen Arbeitskräften gefalzt. Nach dem Falzen erhalten die Bogen zunächst einen kräftigen Druck in der Stockpresse und werden, je nach Beschaffenheit des Papiers, durch die Walzen einer Satiniermaschine geschickt, um das Papier zu glätten und die Dicke des Buches dauernd zu verringern. Vorher sind jedoch aus den nebeneinander geschichteten Bogen durch Abheben je eines derselben die kompletten Exemplare zusammengetragen worden und wandern nun, nachdem ein nochmaliges Durchblättern (Kollationieren) etwaige Fehler beseitigt hat, zur Heftmaschine. Die aus der Heftmaschine herausgleitenden Bücher werden von einer Arbeitergruppe übernommen, die zunächst die Vorsatzblätter einklebt, sodann die Rücken leimt. Die Gazestreifen der Maschinenheftung machen erheblich weniger Umstände. Nun werden die Bücher in handhohe Stöße geteilt, um beschnitten zu werden. Kleinere, wenig umfangreiche Bände werden gleich ringsherum beschnitten, entweder auf der gewöhnlichen Schneidemaschine mit dreimaligem Einspannen einer Reihe von Stößen oder auf der sogenannten dreiseitigen Maschine, in der jeder Stoß nur einmal eingesetzt, aber dreimal der Messerschneide zugeführt wird. Stärkere und besser ausgestattete Bände werden zunächst vorne beschnitten, marmoriert, gerundet, um dann erst weiter beschnitten zu werden, weil durch das Rundmachen nach dem Beschneiden die Glätte und Sauberkeit der unteren und oberen Schnittflucht etwas leidet. Je nachdem die Schnitte marmoriert, gefärbt oder vergoldet werden, nehmen verschiedene Arbeiter die Bücher in Empfang, um die bezeichneten Schnittgattungen, und zwar sämtlich ohne maschinelle Hilfsmittel, auszuführen. Dagegen wird das Runden durchweg von der Maschine besorgt, ebenso wird durch vorübergehendes Einspannen in die Klemmbacken der Abpreßmaschine und Herüberfahren der Walze über den Rücken eine korrekte, wenn auch vielleicht nicht so nachhaltige Falzbildung erzielt. Die Vollendung des Buchblocks (Schnittglätten, Kapitalen, Aufkleben einer Papierhülse) erfolgt genau wie im Kleinbetriebe; der Einband hat damit die erste Hauptphase seiner Entstehung durchlaufen. Die Herstellung der Decke, die, wie oben gezeigt, beim Kleinmeister an und mit dem Buche erfolgt, geschieht hier völlig getrennt. Die Großindustrie fertigt Decke und Buchblock jedes für sich und klebt diesen dann in die erstere hinein. Die weit solideren Ansetzmethoden des Kleingewerbes werden nur ausnahmsweise angewendet. Die Anfertigung der Einbanddecken ist einer der wichtigsten Zweige der Großbuchbinderei; es gibt bedeutende Firmen, die ausschließlich Decken anfertigen, die auf dem Wege des buchhändlerischen Verkehrs vertrieben werden. – Mittels der Pappenschneidemaschine mit kreisförmigen Messern werden die Papptafeln bei zweimaligem Durchlaufen in Streifen und Rechtecke zerlegt. Diese gelangen in die Hände speziell darauf eingeübter Arbeiter, die in Gruppen zu drei Mann je einen Tisch innehaben. Der erste »schmiert« den Kaliko mittels Pinsels »an«, der zweite legt die Pappdeckel und Rückeneinlagen mit Hilfe eines Apparates auf, schlägt oben und unten ein, der dritte knifft die Ecken ein und schlägt die Vorderkanten herum; dann übergibt er die Decke den rotierenden Gummiwalzen des Anreibeapparates. – Bei Halbfranzdecken ändert sich das Verfahren insofern, als die höchst sorgfältig und gleichmäßig zugeschnittenen Lederrücken, die mit der Maschine oder auch von Hand »geschärft« wurden, zunächst nur die Einlage aufgeklebt erhalten, die gewöhnlich mit einer Bundimitation en relief gepreßt wird. Ost erhalten dann die Seiten nach Anfügung der Pappdeckel und Ecken noch eine weitere Pressung, ehe das Ueberziehen mit Papier oder Kaliko erfolgt. – Die gewöhnlichen Einbanddecken in englischer Buchbinderleinwand oder Kaliko werden dem Presser übergeben, der dieselben mittels gravierter Platten aus Glockenmetall oder solcher in Zinkätzung mit Blind-, Schwarz-, Farben- oder Golddruck versieht. Bei dieser Arbeit dient die mit Dampf oder Gas geheizte Kniehebelhanddruckpresse (s. Goldpressung, ferner [13], [14]). Nur zu schweren Prägungen und für gleichmäßig-einfache Massenarbeit werden motorgetriebene Pressen verwendet. – Die selbstverständlich flachliegend gepreßten Rückeneinlagen werden nach Ausführung der Pressung und nachdem sie die rotierenden Bürsten der Goldabkehrmaschine passiert haben, über einem erwärmten Metallrohr gerundet und kommen sodann zum Fertigmacher oder in den Packraum. Das Einhängen und Anpappen bietet keine wesentlichen Unterschiede gegenüber dem Verfahren im Kleinbetriebe.

[377] In die Augen fallende Abweichungen weist die Herstellung der verschiedenen Einschreibbücher auf (weiteres s. Geschäftsbücher.) Die Gebetbuchfabrikation arbeitet im allgemeinen nach den Prinzipien der Großbuchbinderei, doch unter Verwendung wesentlich verschiedenen Materials, dem sich auch die Ausstattung anzupassen hat. Leder, Samt, Plüsch mit Auflagen und Beschlägen in allen Metallarten, Elfenbein und Celluloid werden in den mannigfachsten Kombinationen angewendet. Verwandt mit diesem Industriezweig ist die buchbindertechnische Bearbeitung der katholischen Ritualbücher (eine der frühesten Aufgaben der Buchbinderei), die seit langem in Regensburg ihren Sitz und vielfach eigenartige, technisch interessante und kunstgewerblich bedeutsame Erzeugnisse aufzuweisen hat. Damit ist der Uebergang zur letzten Gruppe, der Liebhaber- und Luxusbuchbinderei, gegeben. Die kunstvollen Techniken der Handvergoldung (s. Goldpressung), Ledermosaik und Lederschnitt sind in den letzten Jahrzehnten neu belebt worden. Näheres hierüber findet sich in [2], [9], [15]–[20]. Ueber die neuesten Leistungen und Fortschritte orientiert am besten das Studium der mit der Technik in engster Fühlung stehenden unter [21]–[23] angeführten wichtigsten Fachblätter der Branche. – Bedarfsartikel (Werkzeuge und Materialien) liefern W. Leo in Stuttgart, Raab & Großmann in München, O. Th. Winkler in Leipzig, Armin Krah Nachf. in Berlin.


Literatur: [1] Steche, Zur Geschichte des Bucheinbands, Archiv f. Gesch. d. deutschen Buchhandels, Leipzig 1878, S. 120 ff. – [2] Adam, Lehr- und Handbuch der Buchbinderei, Dresden 1885, S. 884–940. – [3] Wattenbach, Schriftwesen des Mittelalters, Leipzig 1875. – [4] Schnaase, Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter, S. 221 ff. – [5] Stockbauer, Mustereinbände aus der Blütezeit der Buchbinderkunst, Leipzig. – [6] Brunet, La reliure ancienne, Paris 1884. – [7] Gruel, Manuel historique et bibliographique de l'amateur de reliures, Paris 1887. – [8] Weatley, Remarkable Bindings in the British Museum, London 1888. – [9] Adam, Bucheinband, Leipzig 1890. – [10] Halfer, Die Fortschritte der Marmorierkunst, Stuttgart 1891. – [11] Hauptmann, Marmorierkunst, Gera 1901. – [12] Kullmann, Zierschnitte, Glauchau 1895. – [13] Tonndorf, Die Arbeiten an der Vergoldepresse, Stuttgart 1891. – [14] Leos Buchbinderkalender, Stuttgart 1904, S. 84. – [15] Feldegg, Wiener Kunstbuchbinder- und Lederarbeiten, Wien 1890. – [16] Maul, Deutsche Bucheinbände der Gegenwart, 1888. – [17] Löwenstein, Buchbinderkunstarbeiten, Dresden 1892. – [18] Derome, La reliure de luxe, le livre et l'amateur, Paris 1888. – [19] Zähnsdorf, The Art of Bookbinding, London 1891. – [20] Adam, Der neue Stil in der deutschen Buchbinderei, Halle 1899. – [21] Allgem. Anzeiger für Buchbindereien, Stuttgart. – [22] Archiv für Buchbinderei, Halle a. S. – [23] Papierzeitung, Berlin.

Saalfeld.

Fig. 1., Fig. 2.
Fig. 1., Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 3.
Fig. 4.
Fig. 4.

http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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