Alkaloide [1]

Alkaloide [1]

Alkaloide oder Pflanzenbasen nennt man diejenigen stickstoffhaltigen, meist giftigen organischen Verbindungen, die in den Pflanzen vorkommen und basischer Natur sind. Ihre Hauptbestandteile sind der nie fehlende Stickstoff, daneben Kohlenstoff, Wasserstoff und meist auch Sauerstoff. Ihr Vorkommen scheint auf einzelne Pflanzenfamilien beschränkt zu sein; in besonders stattlicher Anzahl finden wir sie in Pflanzen, die zu den Familien der Solaneen, Cinchonaceen, Papaveraceen, Strychnaceen, Apocyneen und Berberideen zählen. Die Alkaloide befinden sich im Zellsaft gelöst und zwar treten sie vermöge ihres basischen Charakters meist mit organischen Säuren verbunden als Salze auf. Am häufigsten findet man sie in den Früchten, Samen, Wurzeln und Rinden der betreffenden Pflanzen; meist beläuft sich der Gehalt der einzelnen Pflanzenteile an Alkaloiden nur auf Bruchteile von Prozenten, jedoch findet man sie auch in vereinzelten Fällen in weit größerer Menge (in einzelnen Chinarinden z.B. wurden bis zu 13% Gesamtalkaloide gefunden). Die Frage, welche Rolle die Alkaloide im pflanzlichen Organismus spielen, d.h. ob sie nur als Stoffwechselprodukte oder aber vielleicht als Schutzstoffe gegen tierische Feinde aufzufassen sind, ist zurzeit noch als unentschieden zu betrachten.

[143] Ihre Einteilung geschieht am besten in sauerstofffreie und sauerstoffhaltige. (Die wichtigsten Vertreter dieser beiden Gruppen finden unten weitere Berücksichtigung.) Die sauerstofffreien Alkaloide sind meist flüssig, hierher zählen: das Coniin (C8H17N), das giftige Prinzip des Schierlings, das Nikotin (C10H14N2) in den Tabakarten, das Spartein (C15H26N2), das sich im Besenginster vorfindet, das Aribin (C23H20N4 + 8H2O), aufgefunden in der Rinde von Arariba rubra, die zum Rotfärben von Wolle dient, das Konessin oder Wrightiin (C12H20N), in Rinden und Samen von Wrightia antidysenterica und in den Samen von Holarrhena africana. Die sauerstoffhaltigen Alkaloide sind meist kristallinischer Natur, hierher gehören: die in den verschiedenen Strychnosarten aufgefundenen Pflanzenbasen, nämlich das Strychnin (C21H22N2O2), das Brucin (C23H26N2O4 + 4H2O), das Curarin, Curin und Tubocurarin, die Apocyneenbasen, die Colchicaceenbasen, nämlich das Colchicin (C22H25NO6) das sich in allen Teilen der Herbstzeitlose findet, sowie das Veratrin und das Veratridin des Sabadillsamens, außerdem die Aconitumbasen, nämlich das Aconitin und das Pseudoaconitin, die Alkaloide der Stephanskörner und die der Berberisarten, die wichtige Gruppe der Solaneenbasen mit dem Atropin (C17H23NO3), und dem Hyoscyamin der Belladonnapflanze, sowie das Solanin der Kartoffel selbst, ferner die Alkaloide der Calabarbohnen, nämlich das Physostigmin und Eseridin, die Rutaceenbasen mit dem Pilocarpin (C11H16N2O2), die Cocabasen mit dem Cocain (C17H21NO), die Pfefferbasen, das Piperin (C17H19NO3) und das Piperidin (C5H11N), das Sinapin der Senfsamen, die Opiumbasen mit dem Morphin (C17H19NO3 + H2O), dem Apomorphin, dem Codein (C18H21NO3 + H2O), dem Thebain, Papaverin, Narcotin und Narcein, die Chelidonium- und Corydalisbasen, ferner die Chinabasen mit dem Chinin (C20H24N2O2 + 3H2O), dem Cinchonin (C19H22N2O), dem Cinchonidin, Chinidin und Chinioidin, das Theobromin (C7H8N4O2) der Kakaobohne, das Koffein oder Thein (C8H10N4O2 + H2O), der anregende Bestandteil der Kaffeebohnen, sowie der Teeblätter, und zuletzt noch die Alkaloide des Mutterkorns, das Ergotin und das Ergotinin (s. auch unter den einzeln aufgeführten Alkaloiden).

Darstellung. Die Alkaloide werden je nach ihren chemischen und physikalischen Eigenschaften auf verschiedenem Wege gewonnen. Die nichtflüchtigen werden meist den zerkleinerten Pflanzenteilen durch Extraktion mit säurehaltigem Wasser oder Alkohol entzogen, die Auszüge eingedampft und im Ueberschuß mit essigsaurem Blei versetzt; von dem entstandenen Niederschlag wird abfiltriert und das Filtrat nach Entfernung des überschüssigen Bleisalzes (was mit Schwefelsäure oder Schwefelwasserstoff geschehen kann) durch gebrannte Magnesia oder Kalilauge alkalisch gemacht und die hierdurch in Freiheit gesetzte, meist in Wasser schwer lösliche Base in passenden Lösungsmitteln wie Aether, Alkohol oder Chloroform aufgenommen. Das Lösungsmittel wird abdestilliert und die Basen durch Umkristallisieren gereinigt. Die eben beschriebene Darstellungsweise kann natürlich nur bei den in Wasser schwer löslichen Basen Anwendung finden, während man, wenn die betreffende Base in Wasser leicht löslich ist, die Schwerlöslichkeit der Alkaloiddoppelsalze zu ihrer Isolierung zu Hilfe ziehen muß; die betreffenden Alkaloidsalzlösungen werden in diesem Falle mit Gerbsäure, Phosphorwolfram- oder Phosphormolybdänsäure gefallt und die abgeschiedenen Verbindungen in geeigneter Weise weiter zerlegt. Die flüchtigen Alkaloide werden den zerkleinerten Drogen meist unter Zusatz von Alkali durch Wasserdampfdestillation entzogen und die freie Base alsdann aus dem Destillat durch geeignete Lösungsmittel isoliert.

Konstitution. Bezüglich Konstitution sowie der damit im größten Maße verknüpften synthetischen Darstellung der Alkaloide sei hier folgendes erwähnt: Trotz der großen Anzahl der bisher bekannt gewordenen Vertreter dieser Körperklasse ist erst bei ca. 40 derselben der Abbau der Moleküle so weit gediehen, daß an Hand der hierbei gewonnenen Spaltungsprodukte Rückschlüsse auf den Molekülbau getan werden können. Weitaus die meisten Alkaloide lassen sich hinsichtlich ihrer Konstitution vom Pyridin (s.d.), Chinolin (s.d.) und Isochinolin ableiten, während wenige zur aliphatischen Reihe (s. Radikaltheorie) zählen. Von einigen, z.B. dem Piperidin, Coniin und dem Tropin, ist die vollständige, von wenigen andern eine teilweise Synthese gelungen (s. weiter unten Codein). Was die Rolle des Stickstoffs betrifft, so ist zu erwähnen, daß derselbe bei den Alkaloiden in den allermeisten Fällen als Glied eines Ringsystems (s. Radikaltheorie) auftritt; primärer Amincharakter ist bei Alkaloiden bis jetzt noch nicht nachgewiesen worden, wohl aber sekundärer, tertiärer und quarternärer. Nach ihrer Konstitution kann man die Alkaloide einteilen in: 1. Pflanzenbasen ohne Stickstoffring; 2. Pflanzenbasen mit Stickstoffring: a) Verbindungen mit 1 Stickstoffatom, b) Verbindungen mit 2 Stickstoffatomen.

Eigenschaften. Den meisten Alkaloiden kommen starke physiologische Wirkungen zu. Die sauerstofffreien sind meist unzersetzt destillierbare Flüssigkeiten von intensivem Geruch, die sauerstoffhaltigen meist kristallinischer Natur und geruchlos. Die Löslichkeit der freien Pflanzenbasen in Wasser ist meist eine geringe, diejenige ihrer Salze ist größer. Alkohol löst die freien Basen fast ausnahmslos, Aether ebenso, Chloroform nicht alle, während die Alkaloidsalze sich in diesen Lösungsmitteln als fast ganz unlöslich erweisen. Die Lösungen der freien Basen reagieren alkalisch und schmecken meist intensiv bitter. Mit Platin- und Goldchlorid bilden die Salze der Alkaloide charakteristische Doppelsalze, ebenso mit den Chloriden und Jodiden des Quecksilbers, des Wismuts, des Zinks und des Kadmiums, ferner mit Pikrinsäure, Gerbsäure, Phosphorwolfram- und Molybdänsäure; die genannten Körper finden daher als allgemeine Alkaloidreagentien ausgedehnteste Anwendung. – Bezüglich des Nachweises von Alkaloiden in toxikologischen Fällen wird auf die unter [1] verzeichnete Spezialliteratur verwiesen.

Anwendung. Die Alkaloide finden wegen ihrer starken physiologischen Wirkungen ausgedehnte medizinische Anwendung. In der Photographie finden neuerdings einzelne Vertreter der Opiumgruppe als Verzögerungsmittel bei der Entwicklung von überexponierten Platten und als Sensibilisierungsmittel Anwendung (s.a. weiter unten Chinin, Codein. Morphin, Narcotin, Papaverin und Physostigmin). Einige der wichtigeren Alkaloide sind die nachgehenden:

[144] Chinin, das wichtigste Alkaloid aus der Reihe der Chinabasen, die in großer Anzahl in den Rinden der Gattung Cinchona vorkommen (s. unten). Von diesen Substanzen, die sich in den Rinden nicht als solche, sondern in Verbindung mit Chinasäure, Chinagerbsäure und andern Säuren finden, sind bis jetzt ca. 24 isoliert worden; die wichtigsten derselben sind das Chinin C20H24Ν2O2 und das ihm isomere Chinidin C20H24N2O2, das Cinchonin C19H22N2O und das Cinchonidin C19H22N2O. Die Struktur des Chinins ist noch nicht vollständig aufgeklärt; es scheint aus zwei Ringsystemen zu bestehen und enthält eine Hydroxyl- und eine Metoxylgruppe, man kann es also schreiben:

CH3OC9H5NC10H15(OH)N.

Seine beiden Stickstoffatome sind tertiär gebunden, es stellt eine Harke Base vor und vereinigt sich mit zwei Aequivalenten Säure. Chinin in Lösung ist linksdrehend; aus seinen Salzlösungen wird es durch Alkalien, Alkalikarbonate oder Ammoniak in weißen Flocken gefällt, die sich beim Verweilen des Niederschlages in der Flüssigkeit in mikroskopische Prismen mit 3 Molekülen Wasser umwandeln. Diese Kristalle schmelzen unter Wasserabgabe bei 57°; der Schmelzpunkt der wasserfreien Base liegt bei 177°. Das wasserfreie Chinin ist sehr schwer löslich in Wasser, Aether und Benzin, leichter in Alkohol und Benzol und leicht löslich in Chloroform und Schwefelkohlenstoff. Alle diese Lösungen zeigen einen rein bitteren Geschmack und alkalische Reaktion. Die Lösungen seiner meisten Salze – mit Ausnahme des salzsauren – zeichnen sich durch eine prachtvolle blaue Fluoreszenz aus. Eine wässerige Chininlösung wird durch Chlor- oder Bromwasser und Ammoniak smaragdgrün gefärbt (Chiningrün). Dieselbe Färbung zeigt das Chinidin. In alkoholischer Lösung dient dieses Chiningrün zum Färben von Wolle, Seide und Baumwolle nach vorherigem Beizen mit Eiweiß. Das Chinin ist eine zweisäurige Base, die sich mit Säuren zu neutralen und sauren Salzen von intensiv bitterem Geschmack verbindet. Von diesen Salzen, die mit Metallsalzen zu Doppelverbindungen zusammenzutreten vermögen, besitzen ihrer therapeutischen Verwendung wegen das schwefelsaure, salzsaure und gerbsaure Salz hervorragende Bedeutung (s. unten).

Für die Darstellung des Chinins sind die Rinden von Cinchona succirubra, officinalis, Calisaya und Ledgeriana von Wichtigkeit, die, ursprünglich in den Cordillerentälern von Peru, Ecuador und Bolivien heimisch, jetzt vorzugsweise in Ostindien, auf Ceylon, Jamaica und Java kultiviert werden. Die einzelnen Rinden kommen vielfach in Form von Schnitzeln (shavings) in den Handel und enthalten selten mehr als 5% Chinin, in der Rinde von Cinchona Ledgeriana wurde jedoch schon bis zu 13% gefunden. Die Darstellung des Chinins bezw. seiner Salze läßt sich natürlich nur in allgemeinen Zügen angeben, da besonders die sehr schwierige Trennung der einzelnen Alkaloide voneinander von den Fabriken als Geheimnis sorgsam gehütet wird. Die feingepulverten Rinden werden jetzt meist innig mit Kalkmilch vermischt und dem Gemenge in geeigneten Extraktionsapparaten durch Alkohol die freien Basen entzogen. Nachdem von der alkoholischen Lösung der Alkohol abdestilliert ist, wird der Rückstand mit verdünnter Schwefelsäure genau neutralisiert und mit Tierkohle entfärbt. Aus der filtrierten Lösung werden durch Natronlauge die reinen Basen abgeschieden, der Niederschlag nach dem Abpressen in verdünntem Alkohol heiß gelöst und die Lösung zur Abscheidung des schwerlöslichen Cinchonins und Cinchonidins beiseitegestellt. In manchen Chininfabriken werden die Rohalkaloide auch durch heiße Extraktion mit Paraffinöl oder mit Kohlenwasserstoffen des Steinkohlenteers, des Petroleums (Amerika) oder der Schieferöle, die besonders leicht das Chinin, dagegen wenig Cinchonin u.s.w. aufnehmen, von Farbstoffen und harzartigen Beimengungen befreit, und der hierdurch erzielten Alkaloidlösung dann durch Schütteln mit verdünnter heißer Schwefelsäure wieder entzogen. Die Lösung wird mit Soda alsdann genau neutralisiert und das hierdurch ausgeschiedene Chininsulfat durch Umkristallisieren aus siedendem Wasser, unter Anwendung von Tierkohle, weiter gereinigt. Chinidin, Cinchonin und Cinchonidin bleiben hierbei als Sulfate in den Mutterlaugen.

Das Chininsulfat, Chininum sulfuricum (C20H24N2O2)2H2SO4 + 8H2O, kristallisiert in weißen, glänzenden, biegsamen Nadeln, die in 25 Teilen kochendem, in 750–800 Teilen kaltem Wasser sowie in 6 Teilen siedendem Weingeist löslich sind. – Das salzsaure Salz, Chininum hydrochloricum s. muriaticum, C20H24N2O2HCl + 2H2O, durch Umsetzung des Chininsulfates in warmer wässeriger Lösung mit Chlorbaryum entstehend und durch Kristallisierenlassen der vom Baryumsulfat abfiltrierten und erkalteten Lösung gewonnen, bildet weiße, nadelförmige Kristalle, die in 34 Teilen Wasser und in 3 Teilen Weingeist ohne Fluoreszenz löslich sind. – Das gerbsaure Chinin, Chininum tannicum, ist ein gelblichweißes, amorphes, wenig in Wasser, mehr in Weingeist lösliches Pulver von schwach bitterem Geschmack. Offizinell ist noch das Chinineisencitrat, glänzende, dunkelrotbraune Blättchen von eisenartigem, bitterem Geschmack. – Eingehende Angaben über die Darstellung der einzelnen Chininpräparate, ihre Aufbewahrung, Prüfung auf ihre Reinheit u.s.w. finden sich unter [2].

Die bekannte Verwendung des Chinins und seiner Präparate als Arzneimittel gründet sich auf die ausgezeichneten, fieberstillenden Wirkungen desselben, so namentlich gegen das Wechselfieber, ferner als Antisepticum, sowie bei Keuchhusten. Nach neueren Untersuchungen in tropischen Sumpfgegenden soll der tägliche Genuß von kleinen Gaben prophylaktisch den Körper für die Malariainfektion weniger empfänglich machen. Außerdem wird Chinin neuerdings [3] in der photographischen Technik als Sensibilisator und als Zusatz zu Silberemulsionen empfohlen, um sie vor Fäulnis zu bewahren. Der jährliche Verbrauch von Chinin ist daher ein ganz bedeutender. Den größten Teil hiervon produziert Deutschland. Der Preis für 1 kg schwefelsaures Chinin beläuft sich jetzt auf ca. 45 ℳ., im ersten Jahre der Produktion dieses Salzes betrug er 1370 M.! Das Chinin wurde gleichzeitig mit dem Cinchonin von Pelletier und Caventou 1820 isoliert, nachdem schon früher Fourcroy, Vauquelin und Gomez vorbereitende Untersuchungen über die wirksamen Bestandteile der Chinarinden angestellt hatten.

[145] Cinchonin C19H22N2O findet sich in allen Chinarinden neben dem Chinin und kristallisiert in glänzenden, bei 257° schmelzenden Prismen, die in Wasser unlöslich, in Alkohol löslich sind. Beim Erhitzen mit Aetzkali zerfällt es in ein Gemisch von homologen Pyridin- und Chinolinbasen. Physiologisch ist es schwächer wirksam als Chinin.

Cinchonidin C19H22N2O, mit dem vorigen isomer, kommt in den meisten Chinarinden vor und wird in glänzenden, rhombischen Prismen erhalten, die bei 206,5° schmelzen und die Ebene des polarisierten Lichts nach links drehen. Es liefert eine große Reihe derselben Umwandlungsprodukte wie das Cinchonin und auch bei der Destillation mit Aetzkali Chinolin.

Chinidin C20H24Ν2O2 + 21/2H2O, aus Alkohol in Prismen mit einem Molekül Kristallalkohol anschießend, ist dem Chinin isomer und ist ebenfalls in allen Chinarinden enthalten. Es schmilzt bei 168°, ist in Wasser wenig, in Alkohol reichlicher löslich und verhält sich in seinen Umwandlungen dem Chinin sehr ähnlich.

Cocain C17H21NO4 findet sich zu 0,2–0,8% in den Blättern des südamerikanischen Strauches Erythroxylon Coca. Die Darstellung des Cocains und seiner Salze unterscheidet sich im allgemeinen wenig von der andrer Alkaloide, so daß bezüglich derselben auf das oben bei den Alkaloiden bereits Gesagte verwiesen werden kann, die Details der Fabrikation werden von den einzelnen Fabriken streng geheimgehalten. Das Cocain bildet giftige, farblose, stark alkalisch reagierende, bei 98° schmelzende 4–6 seitige monokline Prismen, die schwer in Wasser, leicht in Alkohol und in Aether löslich sind. Die Lösungen drehen das polarisierte Licht nach links. Bezüglich seiner Konstitution ist zu erwähnen, daß es beim Erhitzen mit starken Säuren eine Benzoyl- und Methylgruppe abspaltet und in Ecgonin C9H15NO3 übergeht; deshalb kann dem Cocain die Formel


Alkaloide [1]

zugesprochen werden. Cocain läßt sich aus Ecgonin durch Benzoylieren und Methylieren wiedergewinnen. Ecgonin ist eine Ketonverbindung von Tropin. – Mit Säuren bildet das Cocain Salze, von denen das wichtigste das salzsaure, nämlich das Cocainhydrochlorid C17H21NO4∙HCl vorstellt; dieses bildet farblose prismatische Kristalle vom Schmelzp. 183°. Lösungen von Cocain und seinen Salzen schmecken bitter und rufen auf der Haut vorübergehende Unempfindlichkeit hervor; Cocain findet daher als lokales und allgemeines Anästheticum ausgedehnteste Anwendung. Der Preis des Cocains beträgt zurzeit ca. 850 ℳ. pro Kilogramm.

Codein C18H21NO3 + H2O oder


Alkaloide [1]

ist Methylmorphin; es zählt mit zu den wichtigsten Opiumbasen und ist giftig. Seine Darstellung geschieht jetzt wohl meist synthetisch aus Morphin, indem das Wasserstoffatom eines im Morphin enthaltenen Phenolhydroxyls durch eine Methylgruppe (CH3) ersetzt wird. Codein bildet rhombische bittere Kristalle vom Schmelzp. 155°, ist in Wasser schwer, in Alkohol und Aether leicht löslich. Von seinen Salzen findet das phosphorsaure ausgedehnte medizinische Anwendung als schmerzstillendes Mittel. Neuerdings findet Codein in der Photographie Anwendung, v. Hübl [3] empfiehlt es als Zusatz zu Silberemulsionen, die es rascher reif und empfindlich macht; H.W. Vogel [3] empfiehlt es als Sensibilisator.

Coffein (Thein) C8H10N4O2 + H2O oder C5H(CH3)3N4O2 + H2O kommt in beträchtlicher Menge in den Kaffeebohnen und den Teeblättern vor. Es ist verwandt mit dem Theobromin der Cacaobohne und als Trimethylxanthin aufzufassen. Gewonnen wird es meist aus Teeabfällen. Es bildet glänzende biegsame Nadeln, die mit 80 Teilen Wasser eine farblose, neutrale, schwach bittere Lösung geben. In Alkohol ist es 1 : 50, in Chloroform 1 : 9, in Aether wenig löslich. Es findet medizinische Anwendung als Diureticum und Herzstimulans.

Morphin, das medizinisch wichtigste Alkaloid aus der Reihe der Opiumbasen, die sich im Opium, dem eingetrockneten Milchsafte der grünen Samenkapseln des Mohns, Papaver somniferum, finden und zu denen das Morphin C17H19NO3, Codein (s. oben), das Thebain C19H23NO3, das Papaverin C20H21NO4, das Narcotin C22H23NO7 und das Narcein C23H29NO9 zu zählen sind. Das Morphin C17H17(OH)2NO + H2O kristallisiert aus Alkohol in kleinen Prismen, ist in kaltem wie in heißem Wasser und in Alkohol schwer löslich, fast unlöslich in Aether, Chloroform und Benzol, etwas löslich in heißem Amylalkohol, schmeckt bitter, ist ein heftiges Gift, wirkt in geringen Mengen schmerzstillend und schlaferregend, reagiert stark alkalisch, stellt eine tertiäre einsäurige Base dar, ist aber in seiner Konstitution noch nicht hinlänglich sicher erkannt. Es enthält zwei Hydroxylgruppen und verhält sich dementsprechend wie ein zweiwertiges Phenol, löst sich in Kalilauge und liefert entsprechende Phenolderivate. Die Lösungen des Morphins und seiner Salze werden durch Eisenchlorid dunkelblau, die Lösung in konzentrierter Schwefelsäure durch wenig Salpetersäure blutrot gefärbt. Das salzsaure Salz der Base, C17H19NO3 ∙ HCl + 3H2O, bildet seine, seidenglänzende Nadeln. Der durchschnittliche Gehalt des Opiums an Morphium beträgt 7–22%, während die übrigen angeführten Basen in geringerer Menge darin vorkommen. Zur Darstellung des Morphins wird das Opium mit warmem Wasser erschöpft, aus dem geklärten Auszug mit Chlorcalcium die Meconsäure als Calciumsalz abgeschieden, das Filtrat eingedampft und zur Kristallisation beiseitegestellt. Hierbei kristallisiert im wesentlichen salzsaures Morphin und Codein aus; die schwarzbraune Mutterlauge wird auf die übrigen Alkaloide weiterverarbeitet, während das salzsaure Morphin und Codein in Wasser gelöst und mit Tierkohle entfärbt wird. Durch Zusatz von Ammoniak im Ueberschuß fällt nun Morphin aus, während Codein in Lösung bleibt. Das ausfallende Morphin wird durch Waschen mit Wasser und durch wiederholtes Umkristallisieren aus heißem Alkohol weiter gereinigt. Offizinell ist nur noch das salzsaure Salz als Morphinum hydrochloricum, das als beruhigendes, schmerzstillendes und schlaferzeugendes Mittel mannigfach Anwendung findet. Gaben über 0,1–0,2 g können aber schon durch Lähmung des Zentralnervensystems den Tod herbeiführen. Morphin wird neuerdings in der Photographie als Sensibilisator (wie Codein, s. oben)[146] verwendet [3]. Außer Morphin und Codein dienen auch noch zwei weitere Opiumbasen, nämlich Narcotin und Papaverin, in der photographischen Technik denselben Zwecken. Das Apomorphin C17H17NO2, das aus dem Morphin durch Erhitzen mit konzentrierter Salzsäure auf etwa 150° unter Abspaltung von 1H2O entsteht, findet in Form seines salzsauren Salzes als Apomorphinum hydrochloricum Verwendung als die Schleimabsonderung beförderndes Mittel.

Nikotin C10H14N2 findet sich in den Tabaksblättern an Aepfelsäure und Zitronensäure gebunden. Es ist eine ölige, farblose, linksdrehende Flüssigkeit, die in Wasser leicht löslich und destillierbar ist. Sein Siedepunkt liegt bei 246°; es ist sehr giftig. An der Luft färbt es sich braun.

Strychnin C21H22Ν2O2 ist die wichtigste der in verschiedenen Strychnosarten auf gefundenen äußerst giftigen Basen. Zu seiner Darstellung dienen ausschließlich die Samen von Strychnos nux vomica. Es bildet weiße, bei 265° schmelzende Kristalle, ist kaum in Wasser löslich. Meist findet es als salpetersaures Salz Anwendung zur Vertilgung von Nagetieren u.s.w. Kleine Dosen von Strychninsalzen verursachen völlige Lähmung, größere führen unter heftigen Krampferscheinungen zum Tode.


Literatur: [1] Autenrieth, Auffindung der Gifte, 2. Aufl., Freiburg 1897. – [2] Hagen, Kommentar zum deutschen Arzneibuch, Berlin 1891, Bd. 1, S. 448–465. – [3] Valenta, photogr. Chemie, Halle 1899, S. 402/403.

Mezger.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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