Frachtdampfer [2]

Frachtdampfer [2]

Frachtdampfer. Die Entwicklung der Frachtdampfer im letzten Jahrzehnt zu einem Verkehrsmittel von weltwirtschaftlicher Bedeutung ist in der Hauptsache nach folgenden beiden Grundsätzen erfolgt.

1. Möglichst große Transportleistungsfähigkeit im Verhältnis zum Neubauwert des Schiffes, d.h. zum Anlagekapital.

2. Möglichst geringe Betriebskosten im Verhältnis zur Transportleistungsfähigkeit, d.h. zum Bruttogewinn.

Die Transportleistungsfähigkeit stellt sich als das Produkt aus Ladefähigkeit und Transportgeschwindigkeit dar und ist dieselbe daher abhängig von der Tragkraft und dem Fassungsvermögen des Laderaumes sowie der Fahrgeschwindigkeit und der Schnelligkeit der Abfertigung des Schiffes im Hafen. Die Betriebskosten stehen im direkten Verhältnis zur Maschinenleistung entsprechend der gewünschten Fahrgeschwindigkeit und zur Oekonomie der gesamten Maschinenanlage. Für ein günstiges Gesamtergebnis spielt daher die richtige Wahl der Höchstgeschwindigkeit eine wichtige Rolle. Da der Widerstand des Schiffes und dementsprechend die Bemessung der Maschinenkraft bei Vergrößerung des Deplacements nur mit der 2/3-Potenz der Deplacementssteigerung wächst, so daß beispielsweise Verdoppelung des Deplacements bei gleichbleibender Schiffsgeschwindigkeit nur etwa 58 v. H. mehr Maschinenkraft erfordert, so lag es nahe, die Transportleistungsfähigkeit vornehmlich durch bedeutende Steigerung des Deplacements und dementsprechend der Ladefähigkeit zu erhöhen und durch geringer ansteigende Maschinenleistungen eine Betriebsmittelersparnis für die Tonne beförderten Schwerguts zu erzielen. Die wirtschaftliche Höchstgeschwindigkeit ist daher für einen Frachtdampfer nicht wesentlich über 12 Knoten hinausgegangen. Für die Nutzleistung des Frachtdampfers ist daher der Unterschied zwischen dem Deplacement des seefertig ausgerüsteten und vollbekohlten Schiffes und dem Ladedeplacement, das dem gesetzlich festgelegten Maximal-Freibordtiefgang entspricht, ausschlaggebend. Je größer diese Differenz bei einer bestimmten Vermessungsgröße sich gestalten läßt, desto geringer ist das für die Tonne nutzbarer Ladefähigkeit aufgewendete Anlagekapital. Es ist daher dasjenige Schiff das wirtschaftlichste in der Anschaffung für die Tonne Nutzladefähigkeit, welches auf Grund seiner Hauptabmessungen, Aufbautenanordnung und Materialverteilung den relativ leichtesten Schiffsrumpf ermöglicht, den im Verhältnis zur Seitenhöhe größten Freibordtiefgang gestattet und zugleich einen minimalen Tonnengehalt nach den Vermessungsvorschriften aufweist. Bei dem Fehlen einer internationalen Regelung der Freibordbestimmung und der Vermessungsberechnung ist an die Ausbildung eines Normaltyps für Frachtdampfer zunächst noch nicht zu denken. Dagegen haben die Bestrebungen zur Verringerung des Schiffskörpereigengewichts und damit zur Erhöhung der Ladefähigkeit sowie die Fortschritte in der Konstruktion des Schiffsrumpfes zur Vereinfachung und Beschleunigung des Lade- und Löschbetriebes zu bedeutungsvollen Spezialtypen geführt. Hierher gehört der Turmdeckdampfer von Doxford, der Trunkdampfer von Ropner & Son und der Selbsttrimmer von Prieseman & Co. Bei diesen Schiffstypen werden die Querschnitte in der ganzen Schiffslänge im oberen Teil durch gewölbte, grade oder geneigte Wände eingezogen, welche Form diese Schiffe für den Transport von Schüttladungen besonders geeignet macht, da durch das Nachsacken der Ladung aus den oberen schmalen Räumen ohne Trimmarbeit eine Ausfüllung der oberen Raumecken erzielt und zugleich durch die Begrenzung der freien Ladungsoberfläche ein gefährliches Ueberschießen der Ladung verhindert wird. Bei den Petroleumtankdampfern dienen die oberen eingezogenen Laderäume zugleich als Expansionstanks. Bei den Selbsttrimmern werden neuerdings die toten Räume neben den oben eingezogenen Laderäumen bei äußerlich normal gestalteten Schiffskörpern als Ballasträume ausgebildet, die bei Leerfahrt aufgepumpt werden[295] und durch die hohe Lage des Wasserballastes eine wünschenswerte Verminderung der Stabilität, d.h. günstige Bewegungen im Seegang, gewährleisten. Zum maschinellen Löschen von Schüttladungen mit Selbstgreifern wird anderseits der Innenboden teilweise an den Schiffsseiten schräg nach oben geführt, um den Greifern die Ladung selbsttätig zuzuführen. In ähnlicher Weise, jedoch mit einer weiteren wallartigen Erhebung des Innenbodens in der Längsschiffsebene sind die von Doxford eingeführten Kohlendampfer mit selbsttätiger unter dem Innenboden fest eingebauter Entladevorrichtung nach dem System des endlosen Bandes eingerichtet. Die Stundenleistung dieser mechanischen Entladevorrichtung beträgt 400 bis 800 t für größere bezw. kleine Kohlensorten, so daß ein Kohlendampfer von 4000 t Ladefähigkeit in 6 Stunden mechanisch gelöscht werden kann.

Mit Bezug auf die Herabminderung des Schiffskörpergewichtes hat der Längsspantenbau nach dem System von Isherwood im Jahre 1908 eine vollkommene Umgestaltung im Frachtdampferbau herbeigeführt. Durch günstige Ausnützung der Verbandteile des Schiffsrumpfes konnte das Gewicht desselben um 8 bis 10 v. H. vermindert werden bei gleichbleibender Querfestigkeit und erhöhter Längsfestigkeit und Steigerung der Ladefähigkeit um 2 bis 3 v. H.

Die beachtenswerten Fortschritte in der Einschränkung der Betriebskosten erstrecken sich auf die Konstruktion der Antriebsmaschinen. Während die Vierfach-Expansionsmaschine mit Dampfüberhitzung und forciertem Zuge der Schiffskessel einem Abschluß ihrer Entwicklung entgegensieht, bieten der Schraubenantrieb durch die Dampfturbine mit Herabsetzung der Umdrehungszahl der Schrauben durch eine Zahnradübersetzung oder die hydraulische Uebersetzung von Föttinger sowie der Dieselmotor ein weites Feld zu weiteren Fortschritten in der Betriebsökonomie der Frachtdampfer; s. auch Schiffsmaschine.


Literatur: [1] Th. Walton, Steel ships, London 1908. – [2] Nauticus, Der Einfluß des Schiffbaus auf die Wirtschaftlichkeit der Schiffahrtsbetriebe, Berlin 1902. – [3] Ders., Der moderne Frachtdampfer in Konstruktion und Betrieb, Berlin 1911. – [4] J.W. Isherwood, A new System of ship construction, Engineering 1908, I, S. 830. – [5] C. Michenfelder, Fortschritte und Bestrebungen auf dem Gebiete der Fördertechnik in Häfen, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1913, S. 201, 257 u. 332. – [6] Der Petroleumtransport zur See und die neueste Entwicklung der Tankschiffe, Schiffbau 1913, S. 7 u. 9.

T. Schwarz.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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