- Gebirgskanäle
Gebirgskanäle. Unter diesem Titel sind neue Bauweisen von Schiffahrtskanälen für sehr große Talgefälle vorgeschlagen worden. Pietro Caminada in Rom hat einige Kanalsysteme erfunden, in denen die Fortbewegung der Boote nicht nach einer der bekannten Schleppweisen künstlich durch motorische Kraft, sondern durch die natürliche Strömung des Kanalinhaltes erfolgen soll.
Caminada geht von folgender Betrachtung aus: Läßt man den Wasserinhalt einer geneigten Röhre abfließen, so fällt mit dem entsprechend der Neigung der Röhre fallenden Wasserspiegel auch der im Wasser schwimmende Gegenstand hinab und steigt wieder in die Höhe, wenn man die Röhre abermals mit Wasser füllt. Wird die geneigte Röhre, deren Querschnitt um etwas größer gehalten ist als jener der Boote, ins Terrain zwischen eine obere und eine untere horizontale Kanalhaltung verlegt und gegen letztere durch Tore abgeschlossen, so erhält man nach Caminada eine Schleuse mit röhrenförmiger Kammer, welche in ihrem oberen Teile auch auf eine dem Röhrengefälle entsprechende Länge offen belassen werden kann. Die Füllung und Entleerung der Kammer geschieht in bekannter Weise durch Umläufe. Zur größeren Sicherheit des Betriebes erhalten die Boote eine doppelte Führung, die eine am Boden und die andere im Scheitel der Röhre (vgl. die Figur). Behufs Ueberwindung einer größeren Niveaudifferenz reiht man mehrere derartige Röhren zwischen den horizontalen Haltungen aneinander und erhält eine Schleusentreppe. Der Kanalbetrieb erfolgt hierbei in folgender Weise. Ist z.B. Schleuse 1 voll, Schleuse 2 auf Unterwasser entleert, Schleuse 3 voll u.s.w., und sind sämtliche Schleusen mit Booten besetzt, welche abwechselnd in der Tal- und Bergfahrt begriffen sind, so wird durch förmliches Umleeren des Inhaltes aus den vollen in die auf Unterwasser entleerten Schleusen gleichzeitig das Abwärtsgleiten der einen, bezw. das Bergauffahren der andern Boote erzielt. Die horizontalen Haltungen können als Wendeplätze oder als Häfen ausgebildet werden. Für gewöhnlich ist für jede Fahrtrichtung ein besonderer Kanalstrang anzuordnen. Caminada, den die Frage nach Schaffung einer transalpinen Wasserstraße von Genua ins Flußgebiet des Rheins zum Studium der Kanalsysteme bestimmt hat, beschreibt noch mehrere Varianten seines Systems, und zwar eine als offenen Wasserweg mit geneigter Sohle, der durch Tore abgeteilt ist, ferner ähnliche Ausbildungen im Tunnel u.s.w. Die meisten dieser Kanalsysteme Caminadas fanden im allgemeinen eine abfällige Kritik und wurden vielfach mit den Phantasiegebilden Jules Vernes verglichen. Vgl. a. Torkanal.
Literatur: [1] Zeitschrift des österr. Ingenieur- und Architektenvereins 1908, S. 436. [2] Navigation intérieure. Caneaux de montagne, nouveau système de transport naturel par voie d'eau. Bureau technique Ingénieur Pietro Caminada, Roma, Piazza di Pietra, N. 63.
Pollak.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.