- Indikator [2]
Indikator, in der Maßanalyse ein chemischer Körper, der das Ende einer Reaktion durch eine Farbänderung sichtbar macht.
Fügt man z.B. zu einer wässerigen, mit Lackmustinktur versetzten Lösung einer Base allmählich Säure hinzu, so schlägt die blaue Farbe nach Neutralisation der Base plötzlich in Rot um. Tröpfelt man zu einer mit gelbem Kaliumchromat versetzten Lösung eines Chlorids eine Silberlösung, so wird zunächst das Chlor als Chlorsilber ausgefällt, und nach Beendigung dieser Reaktion bildet sich das tiefrot gefärbte Ag2CrO4, das schon in geringster Menge der Flüssigkeit einen morgenroten Schein erteilt. Die Theorie der Indikatoren hat sich in neuerer Zeit mit Hilfe der elektrolytischen Dissoziationstheorie vollständig entwickeln lassen. Die in der Azidimetrie und Alkalimetrie gebrauchten Indikatoren sind sämtlich schwache Säuren oder schwache Basen, d.h. die ersteren sind in saurer, die letzteren in alkalischer Lösung so gut wie gar nicht dissoziiert. Nach der Neutralisation bilden sich die Salze der Indikatoren, die wie alle Neutralsalze sehr stark elektrolytisch dissoziiert sind, und das im Indikator enthaltene saure bezw. basische Radikal tritt demgemäß als freies Ion auf. Der Farbenumschlag ist dadurch zu erklären, daß dieses Ion eine andre Farbe besitzt als das nicht dissoziiert Molekül. Ein sehr einfaches Beispiel ist Paranitrophenol, das als Derivat des Phenols schwach sauren Charakter besitzt. Das nicht dissoziierte Molekül dieser Säure ist farblos, ihr negatives Ion aber intensiv gelb gefärbt. Eine wässerige Lösung dieser Substanz ist wegen der sehr geringen Dissoziation demgemäß nur sehr schwach gelb gefärbt. Fügt man Spuren einer fremden Säure hinzu, so wird nach den Gesetzen der chemischen Massenwirkung die Dissoziation der Säure zurückgedrängt, und die Färbung verschwindet. Fügt man jedoch eine Basis hinzu, so bildet sich das stark dissoziierte Salz des Paranitrophenols, und es tritt die intensiv gelbe Färbung der negativen Ionen dieses Salzes deutlich hervor. Eine noch schwächere Säure ist Phenolphthalein, dessen Farbreaktionen noch plötzlicher vor sich gehen. Zu schwach darf die saure Natur des Indikators allerdings[182] nicht sein, sonst sind seine Salze zu stark hydrolytisch, d.h. in freie Säure und freie Balis dissoziiert, und das negative Ion der Säure tritt demgemäß in zu minimaler Menge auf, um eine deutliche Farbreaktion zu liefern. Die gleiche Erscheinung findet man nun aber auch bei sonst geeigneten Indikatoren, wenn zur Neutralisation eine schwache Basis verwendet wird. So beobachtet man bei der Titrierung z.B. des ziemlich schwach basischen Ammoniaks mit einer beliebigen Säure und Anwendung von Phenolphthalein als Indikator sehr wenig scharfe Farbreaktionen, weil das Ammoniumsalz des Phenolphthaleins sehr weitgehend hydrolytisch gespalten ist. Man verwendet daher in diesem Falle besser einen basischen Indikator und titriert Ammoniak mit einer starken Säure, um Störungen durch hydrolytische Dissoziation auszuschließen. Aehnliche Betrachtungen gelten für basische Indikatoren, und man erhält so allgemein die Regel, daß man bei Titrationen das Zusammentreffen einer schwachen Basis und einer schwachen Säure vermeiden muß, um unscharfe Farbreaktionen infolge hydrolytischer Dissoziation zu verhindern. Durch ähnliche Betrachtungen ist leicht abzuleiten, daß Phosphorsäure mit Anwendung von Methylorange, d.h. eines schwach basischen Indikators, sich wie eine einwertige Säure, bei Anwendung von Phenolphthalein sich wie eine zweiwertige Säure titrieren läßt, daß Kohlensäure bei Anwendung von Methylorange sich wie eine zweiwertige Säure, bei Anwendung von Phenolphthalein sich wie eine einwertige Säure verhält u.s.w. Bei Fällungsreaktionen sind natürlich einfach die Löslichkeitsverhältnisse des Indikators maßgebend. So fällt Silberlösung in dem obigen Beispiele zunächst das Chlorsilber, dann erst das Silberchromat, weil letzteres leichter löslich ist.
Die Empfindlichkeit eines Indikators ist nach dem Obigen durch dessen Dissoziationsgrad bezw. seine Dissoziationskonstante definiert. Ein besonders anschauliches Maß für die Empfindlichkeit gibt die beim Farbenumschlag vorhandene Wasserstoffionenkonzentration, die in den letzten Jahren in mehreren Arbeiten bestimmt ist. Die zuverlässigsten Zahlen dürften die von Fels erhaltenen sein. Sie sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt.
Mit Hilfe dieser Skala ist es leicht möglich, die auch bei physiologischen Untersuchungen oft auftretende Frage nach der Größe eines sehr geringen Alkali- oder Säuretiters einer Lösung, z.B. auch des Blutes, zu beantworten, indem man einfach prüft, welcher der obigen Indikatoren in der zu untersuchenden Lösung einen Farbenumschlag zeigt.
Literatur: Ostwald, W., Die wissenschaftlichen Grundlagen der analytischen Chemie, 4. Aufl., Leipzig 1904; Nernst, W., Theoretische Chemie, 4. Aufl., Stuttgart 1903; Küster, Zeitschr. f. anorgan. Chemie 1896, 13, S. 127; Wagner, J., ebend. 1903, 27, S. 138; Fels, B., Zeitschrift für Elektrochemie 1904, S. 208.
(Nernst) F. Krüger.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.