- Naphthol
Naphthol. Wie alle Monosubstitutionsprodukte des Naphthalins, existiert auch das Monoxynaphthalin C10H7OH in zwei isomeren Formen, die sich durch ihre physikalischen Eigenschaften sowie durch ihr verschiedenartiges Verhalten gegen einzelne Agenzien scharf voneinander unterscheiden und als α- und als β-Naphthol bezeichnet werden.
Beide Isomere haben sich für die Gewinnung von Azofarbstoffen überaus brauchbar erwiesen und werden deshalb für Zwecke der Farbenfabrikation in sehr großem Maßstab erzeugt. Außerdem wird speziell das β-Naphthol gelegentlich als antiseptisches Mittel gegen Hautkrankheiten sowie bei eiternden Wunden benutzt; auch soll es sich in Verbindung mit Formaldehyd zur Umwandlung von tierischer Haut in Leder im Sinne von pflanzlichen Gerbstoffen verwenden lassen (Chemikerzeitung 1907, 549), was jedoch von andrer Seite als nicht zutreffend bezeichnet wird (Chemikerzeitung, Repert. 1907, 394).
Die Naphthole finden sich fertig gebildet im Steinkohlenteer, jedoch in so geringem Prozentsatz, daß ihre Isolierung hieraus für die industrielle Praxis nicht in Frage kommen kann. Als Ausgangsmaterial für ihre Gewinnung dient stets das Naphthalin, für dessen Ueberführung in Hydroxylderivate mehrere Wege offen stehen.
Für die Herstellung des α-Naphthols hat sich am vorteilhaftesten das Verfahren des D.R.P. Nr. 74879 erwiesen, das darin besteht, daß man das durch Reduktion von α-Nitronaphthalin gewonnene α-Naphthylamin in Form seines Sulfats einige Stunden lang mit der mehrfachen Menge Wasser im Autoklaven auf ca. 200° erhitzt, worauf das in Kuchenform abgeschiedene rohe α-Naphthol durch Waschen mit Wasser und darauffolgende Destillation im Vakuum gereinigt wird.
Um β-Naphthol zu. erhalten, wird das Naphthalin zunächst durch zirka dreistündiges Erhitzen mit dem gleichen Gewicht konzentrierter Schwefelsäure auf 160° in β-Naphthalinsulfosäure übergeführt, deren Natriumsalz beim Verschmelzen mit der doppelten Menge höchstkonzentrierter Natronhydratlösung die in Wasser lösliche Natriumverbindung des 5-Naphthols liefert. Durch Zusatz von Mineralsäuren zu der Lösung dieser Verbindung wird das Naphthol in Freiheit gesetzt bezw. ausgefällt und nach dem Entsäuern durch Vakuumdestillation gereinigt.
Die Naphthole steilen im reinen Zustand farblose, glänzende, bei 94 bezw. 132° schmelzende Kristalle dar, die sich sehr schwer in Wasser, dagegen leicht in Alkohol, Aether, Benzol u.s.w. lösen. Sie besitzen Phenolcharakter, unterscheiden sich aber vom Phenol und seinen Homologen wesentlich dadurch, daß sie ihre Hydroxylgruppe verhältnismäßig leicht gegen andre einwertige Reste, wie insbesondere gegen die Aminogruppe, auszutauschen vermögen. Von den Substitutionsprodukten sind die Sulfosäuren von besonderer Wichtigkeit, indem sie wie die Naphthole selbst in alkalischer Lösung mit den verschiedensten Diazoverbindungen zu Azofarbstoffen zusammentreten. Auch die mehrfach hydroxylierten Abkömmlinge des Naphthalins werden als Azokomponenten benutzt.
Häußermann.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.