Formaldehyd

Formaldehyd

Formaldehyd (Ameisensäurealdehyd, Methylaldehyd, Methanal), der einfachste der Aldehyde (s.d.) von der Zusammensetzung


Formaldehyd

und zugleich die einfachste Verbindung zwischen den Elementen Kohlen-, Wasser- und Sauerstoff. Früher nur in wässeriger Lösung und in Dampfform bekannt, wird er durch starke Abkühlung seines Dampfes mit fester Kohlensäure zu einer farblosen Flüssigkeit verdichtet, die bei etwa –21° siedet und bei –80° das spez. Gew. 0,9172, bei –20° das spez. Gew. 0,8153 besitzt. Bei –20° verwandelt sich der Formaldehyd langsam, bei gewöhnlicher Temperatur unter explosionsartigem Aufkochen in eine seiner polymeren Modifikationen, das Trioxymethylen (CH2O)3.

Er besitzt einen höchst stechenden, durchdringenden Geruch. Sein Dampf greift die Schleimhäute und die Augen sehr energisch an. Beim Eindampfen seiner wässerigen Lösung entweicht der Formaldehyd teils dampfförmig, teils polymerisiert er sich zu dem in Wasser löslichen Paraformaldehyd von butterartiger Konsistenz. Durch Trocknen bei mäßiger Wärme, etwa 60°, geht der Paraformaldehyd in das Trioxymethylen über. Dieses, eine weiße, undeutlich kristallinische Masse, ist in Wasser, Alkohol und Aether unlöslich, schmilzt bei 171–172° und geht dabei wieder in den einfachen dampfförmigen Formaldehyd über. Durch Einwirkung von Ammoniak entsteht das Hexamethylentetramin (CH2)6N4. Im übrigen zeigt der Formaldehyd die typischen Reaktionen der Aldehyde; so addiert er Blausäure, Natriumbisulfit u.s.w.

Der Formaldehyd entsteht, wenn man die Dämpfe von Methylalkohol mit Luft gemengt über eine glühende Platinspirale oder ein glühendes Kupferdrahtnetz leitet. Technisch wird der Aldehyd in der Fabrik von Mercklin & Lösekann in Seelze bei Hannover nach einem nicht genauer bekannten Verfahren in großem Maßstabe dargestellt und in 40 prozentiger wässeriger Lösung nebst einer Reihe seiner Derivate in den Handel gebracht. Ueber die technische Darstellung der Formaldehydlösungen ist überhaupt noch wenig bekannt. Im großen soll sie erfolgen durch Ueberleiten von mit Luft gemischten Methylalkoholdämpfen über Koksstücke, die in einem kupfernen Rohr bis zum schwachen Glühen erhitzt werden

Der Formaldehyd findet als solcher, wie in seinen Verbindungen mit den Salzen der schwefligen Säure – oxymethylsulfonsaure Salze – in der Photochemie und als Reduktionsmittel vielfache Verwendung. Von Tollens, Trillat und Cambier und Brochet ist er als[143] Desinfektionsmittel eingeführt und zu seiner Erzeugung eine einfache Lampe konstruiert worden. Dieselbe ist in Form und Prinzip eine einfache Spirituslampe, die mit Methylalkohol beschickt wird. Dieser wird durch einen Docht an ein schwach glühendes Platindrahtnetz transportiert und dort zu Formaldehyd oxydiert. Die Lampe vermag pro Tag etwa 5 kg Methylalkohol in Formaldehyd mit etwa 25% Ausbeute umzuwandeln. Schließlich findet der Formaldehyd in der Medizin und unter der Bezeichnung Formalin in der Bakteriologie zur Abtötung von auf Gelatine gezogenen Kulturen ausgedehnte Anwendung, da er die halb verflüssigte Gelatine durch eine Art Gerinnung wieder fest macht, dadurch die getötete Kultur in ihren typischen Formen erhält und ein Studium der Lebenserscheinungen derselben ermöglicht. Formalin ist eine 35 prozentige wässerige Formaldehydlösung; spez. Gew. 1,079–1,081. Die Lösung spielt in der Desinfektionspraxis und zum Zwecke der Konservierung eine große Rolle. Sie ist offizinell (deutsches Arzneibuch.) Glycoformal, ein Desinfektionsmittel, besteht aus 30 Teilen Formaldehyd, 10 Teilen Glyzerin und 10 Teilen Wasser. Formalith sind mit Formaldehydlösung getränkte Kieselgurtabletten. Der Nachweis des Formalins in Nahrungsmitteln u.s.w. geschieht nach besonderen Methoden, die in den einschlägigen Werken über Nahrungsmittelchemie angegeben sind. Als Konservierungsmittel von Fleisch und Wurstwaren ist es laut Fleischbeschaugesetz vom 3. Juni 1900 ausdrücklich verboten.


Literatur: Schmidt, Lehrbuch der pharmaz. Chemie, Marburg 1901, Deutsches Arzneibuch, IV, 1900; Die Lehr- und Hilfsbücher über Nahrungsmittelchemie; Beilstein, Handbuch der organischen Chemie, 3. Aufl., Bd. 1, S. 910, Hamburg und Leipzig 1893.

Bujard.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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