- Schiffsklassifikation [1]
Schiffsklassifikation bildet neben dem Schiffbau, der Reederei und der Seeversicherung einen wichtigen Zweig des Seegewerbes im allgemeinen. Die Schiffsklassifikationsgesellschaften sind das Bindeglied zwischen den Reedern und Schiffsmaklern, den Seeversicherungsgesellschaften und den Schiffbauern; sie geben den Seeversicherungsgeschäften oder den Assekuradeuren, welche die Versicherung eines Schiffes sowie seiner Ladung gegen Seegefahr übernehmen, Auskunft über die Vertrauenswürdigkeit und Seetüchtigkeit eines Schiffes, und bilden sowohl eine Kontrollbehörde für die Schiffsreeder einerseits, als auch für die Schiffbauer anderseits. Sie dienen hierbei dem gemeinnützigen Zweck, das Vertrauen zur Schiffahrt zu heben.
Ihre Aufgabe besteht darin, beim Bau der Schiffe das Material sowie ihre Ausrüstung zu prüfen und für den Schiffsrumpf entsprechend den Abmessungen und Bestimmungen des Schiffes die Materialstärken vorzusehen. Zugleich übernehmen sie beim Bau der Schiffe durch ihre Angestellten (Schiffsbesichtiger oder Experten) die Bauaufsicht und erteilen jedem Neubau nach dem zum Einbau gelangenden Material und ihren Abmessungen eine besondere Klasse. Zur Aufrechterhaltung dieser Klasse wird dann das fertige Schiff in bestimmten Zeitabschnitten mit Bezug auf die Dauerhaftigkeit und Zuverlässigkeit des Schiffsrumpfes, der Maschinenanlage und der Ausrüstung besichtigt und bei ungünstigem Befund bezw. bei Verringerung der Plattenstärken das Klassenzeichen herabgesetzt. Um den Befrachtern (Schiffsmaklern) sowie dei Seeversicherung einen Aufschluß über die Güte des Schiffes jederzeit zu gestatten, wird von den Schiffsklassifikationsgesellschaften jährlich ein Schiffsregister herausgegeben, in dem die Schiffe in alphabetischer Reihenfolge mit ihrer Klasse und den wichtigsten Daten über Neubau und Reparatur sowie dem letzten Besichtigungstermin aufgeführt sind. Auf Grund dieser Schiffsregister werden die Schiffe versichert und befrachtet.
Die ersten Anfänge der Schiffsklassifikation fertiger Schiffe reichen bis in das 17. Jahrhundert zurück, doch erfolgte die Gründung besonderer Gesellschaften erst in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts und entstehen mit diesen die ersten Vorschriften für den Bau und die Ausrüstung von Seeschiffen, so daß von dieser Zeit ab erst ein zuverlässiges Urteil über die Beschaffenheit der klassifizierten Schiffe zu gewinnen war. Die nachstehende Tabelle enthält die wichtigsten Klassifikationsgesellschaften mit ihren Klassenzeichen.
Als Grundlage für die Bauaufsicht der Neubauten sowie für die terminmäßigen Berichtigungen dienen nun folgende Bestimmungen: 1. Klassifikationsvorschriften; 2. Bauvorschriften für den Schiffskörper, nebst Einrichtung und Ausrüstung; 3. Vorschriften für Maschinen und Kessel sowie Hilfsmaschinen; 4. Prüfungsvorschriften für das Baumaterial, für Anker, Ketten, Trossen, über Takelung, Boote, Rettungsgeräte. Die Bauvorschriften sind ferner nach den Fahrten der Schiffe weiter gegliedert und zerfallen in solche für kleine Küstenfahrt, große Küstenfahrt, atlantische Fahrt, lange Fahrt.
Die Konkurrenz der verschiedenen Klassifikationsgesellschaften ist auf die Entwicklung des Seegewerbes von großem Einfluß gewesen und sind den wissenschaftlichen Unterteilungen derselben wertvolle Fortschritte im Schiffbau zu verdanken. Die deutschen Vorschriften über wasserdichte Schotte für Personendampfer in außereuropäischer Fahrt [2] sowie die Durchführung eines Tiefladegesetzes sind den Bestrebungen der Schiffsklassifikationsgesellschaften zu verdanken.
[676] Literatur: [1] Schwarz, T., und v. Halle, Die Schiffbauindustrie, Berlin 1902. [2] Middendorf, Vorschriften der Seeberufsgenossenschaft über wasserdichte Schotte für Post- und Passagierdampfer, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1897; Vorschriften des Germanischen Lloyd (Berlin), von Lloyd's Register (London), von Bureau Veritas (Paris), jährlich.
T. Schwarz.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.