- Schiffskessel [2]
Schiffskessel. In der Handelsmarine behauptet der Zylinderkessel mit rückkehrender Flamme mit Dämpfspannungen bis zu 16 kg/qcm Ueberdruck immer noch eine führende Rolle, und zwar wegen der einfachen und sicheren Bedienung infolge der großen Wasser- und Dampfräume, der guten Zugänglichkeit und Reinigung sowie der verhältnismäßig langen Lebensdauer und der guten Ausnutzung der Heizgase, da die Feuerung und die Heizrohrsysteme von Wasser umgeben sind. Dagegen spielen die Nachteile der Zylinderkessel, ihre Empfindlichkeit bei großen Temperaturschwankungen und den bei ihrer starren Bauweise sich hieraus ergebenden Undichtigkeiten keine so wesentliche Rolle. Zur Leistungssteigerung ging man dann zum künstlichen Zuge unter Vorwärmung der Verbrennungsluft nach dem System Howden und Verwendung von sogenannten Retardern in den Siederohren über und schließlich zur Ueberhitzung des Dampfes durch die Ueberhitzer von Pielock und Schmidt. Fig. 14 geben einen Zylinderkessel mit Howdens Gebläse und Luftvorwärmung und mit Schmidtschen Heizröhrenüberhitzern wieder. Da die einzelnen Ueberhitzerelemente in die Heizrohre eingeschoben sind, so erhalten nur die freien Heizrohre Retarder. Für die Reinigung der Heizrohre muß ein besonderer Rußausbläser mit Heißdampf vorgesehen werden [2], [3].
Mit Einführung des Turbinenantriebes für die großen transatlantischen Dampfer und für kleinere Passagierdampfer stand den Schiffskesseln ein ölfreies[551] Kondensat als Speisewasser zur Verfügung, so daß ein einwandfreier Betrieb mit engrohrigen Wasserrohrkesseln in der Handelsmarine möglich wurde, wenngleich die nach drei- bis fünftägiger Betriebsdauer notwendig werdende Reinigung der Wasserrohre von Flugasche und Kohlenrückständen für den fortlaufenden Kesselbetrieb recht Hörend ist. Entscheidend wurde schließlich die bedeutende Ersparnis an Gewicht und Raum bei den Wasserrohrkesseln gegenüber den Zylinderkesseln, die besonders für Schnelldampfer mit den gewaltigen Maschinenleistungen hervortrat. Die Riesendampfer »Imperator«, »Vaterland« und »Bismarck« haben 46 Wasserrohrkessel, System Yarrow, mit einer Gesamtrostfläche von 358 qm; sie erzielten eine Höchstleistung von 85000 PSe in den Schiffsturbinen, d.h. 237,4 PSe auf 1 qm Rostfläche. Eine Anlage mit Zylinderkesseln hätte für dieselbe Leistung ein Mehrgewicht von rund 3000 t erfordert. Fig. 5 zeigt den gleichen Kessel für den Fracht- und Passagierdampfer »William O'Swald« der Hamburg-Amerika-Linie. Die Wasserrohre sind zur leichteren Reinigung gerade, die Heizgase[552] durchstreichen die Rohrbündel auf wagrechtem Wege und gelangen dann durch die Ueberhitzer in den Schornstein. Die Verbrennungsluft wird durch Gebläse mit einer Pressung bis zu 65 mm WS. durch einen Vorwärmer gedrückt. Die aus dem Luftvorwärmer tretende Luft bestreicht die Vorwand und Rückwand der Feuerung, nimmt dort die Hitze des Mauerwerks auf, umspült kühlend die Feuerungsvorlagen und Feuertüren und tritt auf rund 200° vorgewärmt unter den Rost. Die Verwendung eines Ueberdrucks in geschlossenen Heizräumen wie auf Kriegsschiffen ist wegen Verschmutzung der Schiffsräume durch Kohlenstaub bei den nicht zu vermeidenden Undichtigkeiten in den Heizraumumschottungen und Niedergängen für Passagierdampfer wenig geeignet und irmß mit höheren Temperaturen in den Heizräumen vorlieb genommen werden [2], [3].
In der Kriegsmarine hat sich der engrohrige Wasserrohrkessel, System Thornycrost-Schulz (in Deutschland Marinekessel genannt), namentlich seit Einführung des Turbinenantriebes am besten bewährt. Neuerdings ist ihre Leistungsfähigkeit durch Einführung einer reinen Oelfeuerung um fast das Doppelte gestiegen und haben sich hierbei zugleich nachstehende strategische Vorteile ergeben: Rauchlose Verbrennung, einfache Bedienung durch Fortfall des Kohlentrimmens, Vergrößerung des Aktionsradius wegen besserer Heizkraft und ausgiebigerer Stauung des Brennstoffs, gleichmäßige und starke Forcierung ohne Ueberanstrengung der Heizer, schneller Wechsel in der Dampferzeugung durch An- und Abstellen. von Düsen, bequemes und schnelles Uebernehmen des Oels, Fortfall der Aschebeseitigung. Fig. 6 und 6a zeigen einen Marinekessel mit reiner Oelfeuerung, von beiden Seiten feuernd, für einen Kleinen Kreuzer. Für Torpedoboote werden Einenderölkessel bevorzugt. Die Oelfeuerungseinrichtung besteht aus einem aus feuerfesten Steinen begrenzten Feuerungsraum, um welche die Verbrennungsluft umläuft und vorgewärmt wird, um dann durch die in dem Mauerwerk für die Oeldüsen vorgesehenen Löcher in den Feuerungsraum zu strömen. Die Regulierung der Luftzufuhr erfolgt durch Drehschieber; den Körtingschen Oeldüsen mit Zentrifugalverstäubern wird das auf 50° vorgewärmte Oel mit 7 bis 14 kg/qcm Druck durch besondere Oelpumpen zugeführt; es passiert zunächst zur Reinigung ein Sieb, fließt dann in das Düsenrohr und durch eine kleine Spirale vor der Düsenmündung in den Feuerraum, in welchem es in einen kegelförmigen Nebel zerstäubt und mit der vorbeistreichenden angewärmten Luft vermischt und verbrannt wird. Der Ueberdruck in dem geschlossenen Heizraum beträgt bis zu 200 mm WS. Die Bauart der Kesselkörper weicht bei der Kurzflammigkeit der Oelfeuerung insofern von der der Kohlenkessel ab, als nur zwei Unterkessel vorhanden sind, die mit dem Oberkessel durch weniger gekrümmte Rohre verbunden sind, und zwar erhalten die der Feuerung zunächst liegenden Rohrreihen größeren lichten Durchmesser und größere Wandstärke als die weiterabliegenden Rohre. Auch streichen die Heizgase direkt durch die Rohrbündel nach oben und sind zur besseren Verteilung der Hitze auf die ganze Kessellänge über den äußeren Rohrreihen Abdeckplatten vorgesehen. Die Marinekessel haben sich für reine Oelfeuerung vorzüglich bewährt; sie liefern bei gleichem Gewicht etwa 50% mehr Dampf als Kohlenkessel, etwa 10 kg Dampf auf 1 kg Oel. Bei 12 Atm. Oeldruck, 70° Oeltemperatur und 2 mm Düsenbohrung verbraucht eine Düse stündlich 200 l Oel, es werden dementsprechend pro Quadratmeter Heizfläche und Stunde höchstens 4,55,5 kg Oel verfeuert bei einem Heizwert von 10000 WE. [1], [2].
Bei einigermaßen angemessenen Oel Preisen wird der Wasserrohrkessel mit reiner Oelfeuerung und Ueberhitzung auch in der Handelsmarine Eingang finden und in Verbindung mit schnellaufenden Dampfturbinen mit Rädergetrieben selbst für die Dieselmaschine ein ernster Konkurrent verbleiben.
Literatur: [1] Klamroth, Schiffsmaschinenkunde mit besonderer Berücksichtigung der Dampfturbinen und Oelmotoren, Berlin 1916. [2] Momber, Die Entwicklung des deutschen Seeschiffsmaschinenbaus, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1914, S. 1074. [3] C. Cornehls, Die neuere Entwicklung des Schiffsmotors einschließlich des Schiffsantriebes, ebend. 1914, S. 1237.
T. Schwarz.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.