Schleusentor

Schleusentor

Schleusentor, eine Verschlußvorrichtung für ein Schleusenhaupt (s. Kammerschleuse).

Dasselbe muß dem in Betracht kommenden stärksten Wasserdruck widerstehen, eine genügende Dichtigkeit gegen Wasserverluste besitzen und leicht zu bewegen sein. Der Konstruktion nach unterscheidet man:

1. Einflügelige, um eine vertikale Achse drehbare Tore. Diese haben den Vorteil, daß sie sehr einfach sind und die Torbewegung nur von einer Seite der Schleuse erfolgt; sie finden aber nur Anwendung an kleineren Schleusen von 4–5 m Breite und bis zu 2 m Gefälle.

2. Zweiflügelige Tore, auch Stemmtore genannt (Fig. 1 und 5). Sie bestehen aus zwei um vertikale Achsen drehbaren Torflügeln, die sich unter einem stumpfen Winkel gegeneinander stemmen; die Schräge des Drempelvorsprunges, die Drempelhöhe s (Fig. 4), an welche die beiden Torflügel anschlagen, wird am bellen zwischen einem Fünftel und einem Sechstel der lichten Weite des Schleusenhauptes, bezw. der Wert von tg φ zwischen 0,4 und 0,3 gewählt. Stemmtore finden vielfache Anwendung und eignen sich besonders für Schleusen mittlerer Größe.

3. Fächertore (Fig. 6) sind eigentlich Stemmtore, bei welchen jeder der beiden Flügel mit einem etwas breiteren Nebenflügel verbunden ist, wodurch das Tor bei jedem Innen- oder Außenwasserdruck zu öffnen oder zu schließen ist. Das Fächertor eignet sich gleichzeitig auch zur Spülung des Vorhafens der Schleusen. Fächertore finden nur seiten Anwendung. Bekannte Ausführungen in Deutschland sind die Fächertore an der Schleuse im alten Hafenbassin in Bremen und an der Kammerschleuse in Rendsburg.

4. Klapptore sind einflügelige Tore mit wagerechter, am Torkammerboden angebrachter Drehachse. Durch Niederlegen der Klappe in den zu diesem Zwecke entsprechend vertieften Torkammerboden wird das Oeffnen und umgekehrt das Schließen bewirkt. Die Anwendung der Klapptore ist gewöhnlich nur auf die Oberhäupter der Schleuse beschränkt; für die tiefer liegenden Unterhäupter eignen sich diese Tore weniger, weil sie wegen der dann größeren Höhe eine Verlängerung der Torkammer erfordern. In neuerer Zeit fanden Klapptore Verwendung am Oder-Spreekanal [3], am Elbe-Travekanal [5], bei der Kanalisierung der Moldau und bei der Kaiserbadschleuse im Wiener Donaukanal.

5. Schiebetore sind einflügelige Tore, die mit den Schleusenhäuptern nicht drehbar verbunden sind, sondern senkrecht zur Schleusenachse bewegt werden, wobei das Tor entweder auf einer in der Torkammer liegenden Bahn rollt oder mittels Laufrollen auf einer oberhalb befindlichen Schienenbahn aufgehängt ist. Schiebetore haben den Vorteil, daß sie nach beiden Seiten wirken, die Länge des Schleusenhauptes verkürzen und auch eine Bewegung des Tores bei durchgehender Strömung noch gestatten; sie eignen sich besonders für breite Schleusen, für Ebbe- und Fluttore. Bekannte Ausführungen sind zu Hamburg, an der Kaiserschleuse in Bremerhaven und im Verbindungskanal von Ortende nach Brügge.

6. Schwimmtore sind frei schwimmende Pontons, die sich namentlich bei großen Wasserdrücken gut bewähren. Der Innenraum der Pontons ist gewöhnlich in mehrere wasserdichte Räume geteilt, die als Luft- oder Ballasträume dienen. Die Pontons werden schwimmend an die Verschlußstelle gebracht und durch Aufnahme von Wasserballast auf den Grund gesenkt. Die Handhabung der Schwimmtore ist sehr umständlich, und daher kommen sie für Kammerschleusen weniger in Betracht; dagegen eignen sie sich sehr gut für Dockschleusen und Trockendocks. Manchmal werden die Pontons auch als mit den Kammerwänden der Schleusen in Verbindung stehende Drehtore, sogenannte Drehpontons, ausgebildet und haben dann wie die einzelnen Flügel der Stemmtore oben einen Halszapfen und unten einen Tragzapfen. Ein solches Drehponton größerer Konstruktion ist an der Schleuse zu Tancarville am Kanal von Havre ausgeführt, ein in der Konstruktion einfacheres beim Dock zu Dundee.

7. Hubtore sind einflügelige Tore, die beim Oeffnen über den Wasserspiegel gehoben werden. Ihr Gewicht ist zum Zwecke der leichteren Hebung durch Gegengewichte ausgeglichen. Eine neuere Anwendung dieser Tore ist das Hubtor an der Schleuse zu Machnov am Teltowkanal.

Hinsichtlich des zu den Toren verwendeten Materials unterscheidet man: Tore vollständig aus Holz oder aus Eisengerippe mit Holzbekleidung oder vollständig aus Eisen, Hölzerne Tore werden nur bei kleineren Schleusen verwendet, denn je größer das Tor, desto weniger ist das Holz[722] hierzu als Baustoff geeignet. Es werden daher in neuerer Zeit alle größeren Tore ganz aus Eisen hergestellt. Für Holztore ist aus konstruktiven Gründen die Krümmung des Querschnitts zu vermeiden, während bei eisernen Stemmtoren die gekrümmte Querschnittsform, und zwar die Krümmung an der Außenseite als die theoretisch günstigste Form vielfach Anwendung findet, (s. Fig. 5). Die Benennung der einzelnen Teile eines Flügels bei Stemmtoren ist bei hölzernen und eisernen Toren gleich. In Fig. 1 ist ein hölzernes Stemmtor dargestellt; die wichtigsten Teile daran sind: a die Wendesäule, die hier mit den eisernen Stützwinkeln a', sonst aber mit ihrer halben Holzrundung sich gegen die Wendenische b stützt; die Wendesäule ist derjenige Teil, der die senkrechte Drehachse des Tores enthält und an dem alle andern Teile des Tores sich hängend oder stützend ansetzen; c die Schlagsäule, deren Schlagfläche c' c'' (bei geschlossenem Tore) in der vertikalen Mittelebene der Schleuse liegt; d der Oberrahm (oberes Rahmenstück) oder Obertramen; e der Unterrahm, auch Untertramen, Schwellrahmen oder Schlagschwelle genannt; d und e heißen auch Rahmhölzer; f f sind die Riegel (Zwischenriegel); das Zugband h (oder eine Strebe in der Diagonale g g) dient gegen das Herabhängen oder Aussacken des Tores. Die Wendesäule trägt am oberen Ende den sogenannten Halszapfen m (Fig. 3) und am unteren Ende eine abwärts gekehrte Spurpfanne k (Fig. 2), durch deren übereinander liegende Mittelpunkte die senkrechte Drehachse i des Tores geht. Die Wendesäule ist gegen die Rundung der Wendenische bezw. zur Mittellinie derselben exzentrisch zu legen, damit sich beim Oeffnen des Tores die Stützfläche der Wendesäule von der Wendenische abhebt und beim Bewegen der Tore möglichst wenig Reibung und Abnutzung der Wendesäule und Wendenische entsteht. Am oberen Rand des Tores befindet sich die Laufbrücke n, die als Zugang zur Handhabung der Torschützen p sowie als Uebergang dient. Ein solches Tor mit mehreren Riegeln wird als Riegelstemmtor bezeichnet zum Unterschied von einem Ständer- oder Pfostenstemmtore, das. zwischen der Wende- und Schlagsäule nur noch einige vertikale Ständer besitzt, die vom Unterzum Oberrahm gehen; solche Ständertore sind bei verhältnismäßig niedrigen, aber längeren Toren ökonomischer. Die Schlagfläche der Schlagsäule und hiermit der Stemmdruck P in den Riegeln sollen derart näher zur Unterwasserseite liegen, daß so der exzentrische Druck P die Biegungsbeanspruchung des Riegels verringert. Zum Bewegen, Oeffnen und Schließen der Schleusentore dienen: bei kleineren Schleusen Schiebestangen und Drehbäume wie r r in Fig. 1; bei beiden Arten erfolgt die Bewegung aus freier Hand. Bei größeren Schleusen werden zur Uebersetzung der menschlichen Kraft Winden verwendet. So gibt es als solche Bewegungsvorrichtungen stehende und liegende Winden mit Schiebebaum, bei welchen der Schiebebaum an einem Ende mit dem Kopf der Schlagsäule und am andern Ende mittels eines um die Trommel einer Winde geschlungenen Taues oder einer Kette verbunden ist. Eine weitere, schon zweckmäßigere Bewegungsvorrichtung dieser Art ist die gezahnte Schiebestange oder, wie an französischen Kanälen, der gezahnte Quadrant, die beide mittels eines durch eine Winde gedrehten Triebrades bewegt werden. Für größere Tore, wie an Seeschleusen, erfolgt die Bewegung der Tore auch durch Ketten, die zu einer Windetrommel führen. Zur Erleichterung und zur Beschleunigung der Torbewegungen können die Bewegungsvorrichtungen auch durch Druckwasser, wo solches für andre Zwecke, wie für Krane, Drehbrücken, bereits vorhanden ist, betätigt werden. In neuerer Zeit wird jedoch anstatt der Verwendung des Druckwassers der elektrische Betrieb vorgezogen, insbesondere an Schiffahrtskanälen mit starkem Verkehr, bei welchen dann auch die elektrische Kraft in der Regel für Beleuchtung und Treidelei Verwendung findet. Eine der ersten Schleusen mit elektrischem Torantrieb war die Schleuse zu Imuiden in Holland, dann die Schleusen am Dortmund-Emskanal zu Münster und Geestemünde. Schließlich sei noch[723] erwähnt die am Elbe-Travekanal bestehende Bewegung der Tore mit Druckluft nach System Holopp. Näheres über die Berechnung der Schleusentore s. unter [1] und [2].


Literatur: [1] Handbuch der Ing.-Wiss., 3. Teil, Bd. 8, Leipzig 1904, Die Schiffsschleusen. – [2] Landsberg, Die eisernen Stemmtore der Schiffsschleusen, Leipzig 1894. – [3] Zeitschr. für Bauwesen 1890. – [4] Der Bau des Dortmund-Emskanals, ebend. 1901 und 1902. – [5] Der Elbe-Travekanal, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1900, Nr. 24.

Pachnik.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2., Fig. 3., Fig. 4., Fig. 6.
Fig. 2., Fig. 3., Fig. 4., Fig. 6.
Fig. 5.
Fig. 5.

http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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